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Kriegsalltag in OdessaWir küssen uns, wenn wir aufwachen

Die Luftangriffe auf die ukrainische Hafenstadt Odessa und die Angst hören nicht auf. Aber unsere Autorin versucht auch, das Positive zu sehen.

Strand von Odessa – „Niemand wird für den Krieg geboren“ Foto: Svet Jacqueline/imago

I ch haste nach Hause. Zwei Stunden zuvor war über unserem Haus eine russische Rakete abgeschossen worden. Ich habe es in einem Nachrichtenkanal gelesen und weiß nicht, was mich bei der Ankunft zu Hause erwartet. Auf dem Weg dorthin schwirrte mir der Kopf, aber jetzt bin ich da und kann erst mal aufatmen. Meine Wohnung ist noch heil. Aber im Haus gegenüber sind von der Druckwelle alle Fensterscheiben zersplittert, vom Erdgeschoss bis zum fünften Stock.

Война и мир – дневник

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Nach dem massiven Beschuss in den Augustwochen sind in Odessa mehrere hundert Häuser beschädigt. Kirchen, Architekturdenkmäler, Krankenhäuser, Schulen, Hochschulen, Geschäfte und Museen wurden ganz oder teilweise zerstört. Ich versuche diese zerstörten Gegenden zu umfahren. Es tut mir weh, das zu sehen und zu wissen, wie nah alles mittlerweile ist. In Odessa dachten viele noch lange, dass die Stadt nicht bombardiert werden würde, aber das stimmt nicht. Die Odessiten sammeln jetzt die Trümmer und den Schutt von den Straßen auf, dann gehen sie zur Arbeit.

Ich könnte hier darüber schreiben, wie schwer das alles ist. Wie bekannte Dichter und Schriftsteller an der Front sterben, wie meine Journalistenkollegen einberufen werden, um ihr Land gegen die Besatzer zu verteidigen, wie ekelhaft es ist, beim Heulen der Sirenen einzuschlafen, und wie schrecklich es ist, nicht mehr davon wach zu werden.

Aber ich möchte jetzt von etwas anderem schreiben. Weil es neben all dem hier noch andere Dinge gibt. Es gibt das Leben, es gibt die Liebe, es gibt Freude und Zärtlichkeit. Jeder Morgen ist zu etwas Besonderem geworden. Wenn die Kinder und ich morgens aufwachen, küssen wir uns, wir umarmen uns häufiger, verbringen mehr Zeit zusammen als früher. Wir leben.

Bild: privat
Tatjana Milimko

ist Chefredakteurin des ukrainischen Nachrichtendienstes USI.online. Sie ist Mutter von zwei Kinder (9 und 12).

Ukrainische Ökologen haben kürzlich erklärt, dass das Meer in Odessa wieder zum Baden freigegeben ist. In den anderthalb Kriegsjahren war es offiziell gesperrt. Jetzt wurden in einigen Küstengebieten Netze gespannt, um zu verhindern, dass Minen, Granaten und Trümmer nach der Zerstörung des Kachowkastaudamms im Frühjahr in die Gebiete gelangen, in denen Menschen schwimmen.

Ich wurde in Odessa geboren. Wenn ich an den Strand komme, mit den Händen in den Sand fasse, dann scheint es mir, als gebe es nichts Schlimmes auf der Welt. Einmal habe ich am Strand einen Ausspruch gehört, der für mich all das umfasst, was ich zurzeit fühle: „Niemand wird für den Krieg geboren. Wir werden geboren, um Wissenschaftler zu werden, Ärzte, Lehrer, Dichter, Journalisten, wir werden geboren, um an den Strand zu gehen, zu arbeiten, zu reisen – aber niemals für den Krieg, sondern für das Leben.“

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

­Einen Sammelband mit den Tagebüchern hat der Verlag edition.fotoTAPETA im September 2022 herausgebracht.

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4 Kommentare

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  • Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Westen nicht deutlich mehr Luftabwehrsysteme an die Ukraine liefert und parallel dazu eine hohe Zahl an Marschflugkörpern, damit die Ukrainer geschützt sind und ihr Land befreien können. Der Westen agiert viel zu zögerlich. Auch jetzt wieder, wenn russische Drohnenteile in Rumänien einschlagen. Ohne Vorwarnung müsste die Nato jedes russische Fluggerät, dass über der Ukraine näher als 200km an eine Natogrenze kommt, sofort abschießen. Nur diese Sprache versteht Putin.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Sie machen es sich viel zu einfach!



      Es wird keine militärische Lösung in diesem Konflikt geben. Es ist gut, dass es wenigstens noch ein paar führende Politiker gibt, die auf die Bremse treten.

  • In der BRD liest man viel Russland-Geschwurbel, Relativierungen, geheucheltes Verständnis, Geschwafel von angeblichen Sicherheitsinteressen. Niemand hat seit 1945 jemals Russland angegriffen, kein ausländischer Soldat hat russischen Boden betreten.



    Russland lebt von Lügen und von Hetze gegen seine Nachbarn und den Westen. In Odessa spricht niemand ukrainisch. Es ist eine rein russischsprachige Stadt. Trotzdem will dort niemand von Russland befreit werden. Oft wurden Nazis erfunden. Gerade auch von linken Medien. Angebliche Ukraine-Nazis. Die gibt es nicht.

    Die russischsprachigen Ukrainer in Odessa werden leider den russischen Bombenterror noch lange aushalten müssen. Solange der Terrorstaat Putin-Russland existiert, wird es keinen Frieden geben. Ob es danach besser wird, ist obsolet. So wie es ist, kann es nicht bleiben.

    • @Ante:

      Sie haben Glück gehabt, dass die Bandera Verteidigung vom TAZ Administrator nachträglich entfernt wurde, ohne entsprechenden Hinweis in Ihrem Text...



      So etwas geht gar nicht - Sie sollten eigentlich wissen wie gefährlich Faschismus ist. Es gibt keinen guten oder schlechten Faschismus. Faschismus ist immer eine Katastrophe!