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Krieg in der UkrainePutin schlägt Kyjiw direkte Gespräche in kommender Woche vor

Kyjiw fordert von Moskau eine 30-tägige Waffenruhe ab Montag. Doch Putin macht einen Gegenvorschlag. Am 15. Mai soll es ein Treffen in Istanbul geben.

Kremlchef Wladimir Putin regiert mit einem Gegenvorschlag auf den europäischen Vorstoß Foto: Sergei Bobylev/RIA Novosti/AP/dpa

Berlin taz | Mitten in der Nacht, und gleichzeitig zur besten Fernsehzeit in den USA, hat Wladimir Putin der ukrainischen Führung ein überraschendes Angebot gemacht: Vertreter der Ukraine und Russlands könnten am nächsten Donnerstag in Istanbul zu einem „ernsthaften Gespräch ohne Vorbedingungen“ zusammenkommen. Putin schloss auch nicht aus, dass man sich bei diesen Gesprächen auf eine neue Waffenruhe werde einigen können. Putin werde sich eigenen Angaben zufolge deswegen im Laufe des Sonntags auch mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan treffen.

Damit scheint die Message der vier europäischen Staatschefs und des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die sich am Samstag in Kyjiw getroffen hatten, in Moskau angekommen zu sein.

Das hatte es die ganzen Jahre noch nicht gegeben: vier europäische Staatschefs hatten die ukrainische Hauptstadt Kyjiw besucht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Ministerpräsident Donald Tusk reisten mit einer gemeinsamen Mission: Sie wollten von der ukrainischen Hauptstadt aus den russischen Präsidenten zu einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe auffordern. Diese soll ab Montag umgesetzt werden. Andernfalls solle es neue Sanktionen geben. Gleichzeitig bieten sie direkte Verhandlungen mit Russland an.

Gemeinsam führten die Politiker zusammen mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj auch ein 15-minütiges Telefongespräch mit US-Präsident Donald Trump. Dabei, so die ukrainische „New Voice“ unter Berufung auf das US-Magazin Axios, übermittelten sie die Bereitschaft der Ukraine zu direkten Friedensverhandlungen mit Russland und einem 30-tägigen Waffenstillstand.

Trump zeigt sich zuversichtlich

Auch Trump äußerte sich bereits auf seiner Plattform Truth Social: „Ein möglicherweise großer Tag für Russland und die Ukraine“, schrieb er vor dem Hintergrund jüngster diplomatischer Vorstöße. „Denkt an die Hunderttausenden Leben, die gerettet werden können, wenn dieses endlose „Blutbad“ hoffentlich zu einem Ende kommt.“ Er werde weiter mit beiden Seiten arbeiten, um sicherzustellen, dass dies geschieht. „Eine große Woche steht bevor!“

Hingegen reagierte Macron zurückhaltend auf den russischen Vorschlag direkter Verhandlungen mit Kyjiw „Das ist eine erste Bewegung, aber sie ist nicht ausreichend“, sagte Macron in Polen vor Journalisten auf seiner Rückreise aus der Ukraine, wie die Zeitung „Le Monde“ berichtete.

Macron, Tusk, Starmer und Merz trafen sich am Samstag auch mit Präsident Selenskyj. Gemeinsam hatten sie auf dem Maidan der gefallenen ukrainischen Soldaten gedacht.

Bereits auf dem Weg nach Kyjiw hatte Macron in einem Interview mit dem französischen Sender TF1/LCI erklärt, dass ein gerechter und dauerhafter Frieden mit einem vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand beginnen müsse und dass Europa in dieser Frage mit den USA zusammenarbeite.

Kaum Luftangriffe in den vergangenen Tagen

Zuvor hatte Russland einseitig einen dreitägigen Waffenstillstand, der in der Nacht zum 11. Mai endete, verkündet. Zwar haben die Waffen auch in diesen drei Tagen nicht geschwiegen, aber es war deutlich ruhiger als die Tage zuvor. Während in den vergangenen Wochen die einschlägigen ukrainischen Telegram-Kanäle überquollen von Nachrichten über Drohnenangriffe und russische Raketen, waren diese drei Tage die Kanäle auffallend übersichtlich. Doch gegen frühen Sonntagmorgen kam es zu einem ersten Luftangriff nach vier Tagen in Kyjiw.

Der ukrainische Generalstab meldete Luftangriffe durch die russische Armee, allerdings in deutlich geringerer Intensität. So seien am Freitag und Samstag insgesamt 101 Gleitbomben vom Typ KAB eingesetzt worden. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs kam es am Samstag an der Front zu 196 Gefechten.

Auch die Ukraine hatte in diesen drei Tagen russisches Territorium angegriffen. So berichtet der Gouverneur der russischen Grenzstadt Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow am 11. Mai kurz nach Mitternacht auf Telegram von einem Autofahrer, der durch einen ukrainischen Drohnenangriff verletzt worden ist. Am Tag zuvor seien zwei weitere Personen durch Drohnen verletzt worden.

Europäer spielen Trumps Spiel

Letztlich hat Reise nach Kyjiw und der Anruf in die USA stattgefunden, um Trump wieder mehr in den gemeinsamen Kampf gegen Russland einzubinden. Das würde ihn davon abhalten, gegen die westliche Ukraine-Politik zu arbeiten, ist der ukrainische Journalist und Militär Petro Schuklinow überzeugt.

„Trump will Friedensstifter sein. Putin will aber keinen Frieden“, sagt Schuklinow. Und die Europäer würden Trumps Spiel mitspielen. Und damit hätten sie Trump mit im Boot. Sie sagen zu Trump sinngemäß: „Okay, wir unterstützen deine Idee eines 30-tägigen Waffenstillstands. Wenn Putin zustimmt, machen wir es gemeinsam. Aber wenn er ablehnt, geht’s weiter wie bisher: mit mehr Druck, mehr Sanktionen, mehr Waffen für die Ukraine.“

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7 Kommentare

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  • Wladimir - 6 -- setzen. Nachsitzen - Denk Dir eine richtige Antwort aus.



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    1.. Merz hat Putin erneut aufgefordert, einer Waffenruhe ab Montag zuzustimmen. "Wenn die russische Seite nun Gesprächsbereitschaft signalisiert, ist das zunächst ein gutes Zeichen. Es ist aber bei Weitem nicht hinreichend",

    2.. Selensky: "Wir erwarten von Russland, dass es eine Waffenruhe – eine vollständige, dauerhafte und verlässliche – ab morgen, dem 12. Mai, bestätigt."

    3.. Macron hat den russischen Vorschlag direkter Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine als "nicht ausreichend" zurückgewiesen. Voraussetzung für jegliche Verhandlungen sei eine bedingungslose Waffenruhe, sagte Macron auf der Rückreise von einem Besuch in Kyjiw.

    4.. Leo XIV: Das Böse (oder Der.....???) wird nicht gewinnen.“

  • Ach guck.



    Der Westen räuspert sich mal ernsthaft und Putin reagiert.



    Zwar mit einer durchsichtigen FInte, aber er reagiert.

  • Die Europäer spielen Trumps Spiel. Sonst wurden sie längst bei China um Vermittlung anfragen. Aber China gilt für die USA ja als Todfeind.

  • Ich hielte es für ganz extrem unklug dieses Momentum nicht zu nutzen. Man kann sich ja wünschen, dass die Ukraine militärisch Boden wird gut machen können, die Realität zeigt allerdings etwas anderes. Man sollte diese Verhandlungen aufnehmen, tut man es nicht, steht zu befürchten, dass Russland sich nicht bewegen wird. Es wäre auch möglich, dass die USA sich dann irgendwann aus dem Prozess verabschieden - und bei allem was man richtigerweise Negatives über Trump sagen kann: die USA werden für eine Lösung in diesem Krieg gebraucht! Ansonsten steigt die Gefahr, dass der Krieg auf dem Gefechtsfeld entscheiden wird - und dort steht es schlecht für die Ukraine. Die Europäer werden die USA als Waffenlieferanten nicht ersetzen können und selbst wenn es dergestalt ginge, dass die Europäer in den USA Waffen einkaufen und in die Ukraine senden würden, fehlten der Ukraine noch immer auf längere Sicht Soldaten. Zu glauben, dass man heute noch einen Frieden erreichen kann (auch wenn das wünschenswert ist) der den Zustand vor dem Krieg wiederherstellt und v.a. eine NATO Mitgliedschaft mit einschließt ist höchstgradig unrealistisch!

    • @Einfach-Jemand:

      Solange Putin glaubt er kann gewinnen ist Frieden illusorisch. Er will die Ukraine heim ins Reich holen koste es was es wolle.

      • @Machiavelli:

        Ihre 2. WK-Analogie ist unpassend. Allerdings haben Sie auch abseits der schiefen Analogie unrecht: es ist viel mehr so, dass nicht Russland glaubt gewinnen zu können, sondern die Ukraine. Mir ist vollkommen schleierhaft wie Sie vor dem, was wir seit drei Jahren -und in den letzten Monaten ziemlich deutlich- sehen, behaupten können Russland gewinne diesen Krieg nicht. Es kann ja gar kein Zweifel daran bestehen, dass Russland im Begriff ist zu gewinnen! Das was ich hier behaupte, steht in vollem Einklang mit dem, was auf dem Gefechtsfeld (übrigens sogar auf den verschiedenen Gefechtsfeldern) passiert. Sie allerdings tragen wie so oft kein einziges Argument vor, nur starke Worte. Worauf stützen Sie Ihre Überzeugung denn?

        [Das ist nicht was ich mir wünsche, sondern was ich glaube das passiert.]

  • Russland zieht Material und Verbände für eine Sommeroffensive zusammen, die Verhandlungen dienen dazu Zeit zu erkaufen und eine Verschärfung der Sanktionen hinauszuzögern da die russische Wirtschaft und Budget sowieso schon unter Druck sind wegen des niedrigen Ölpreises. Klassische Russische Verhandlungstaktik Forderungen stellen, nichts anbieten und dann verhandeln.