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Krieg in der UkraineArmeechef Saluschnyj gefeuert

Präsident Selenskyj entlässt den Oberkommandierenden der Streitkräfte Waleryj Saluschnyj. Der Schritt kommt nicht überraschend.

Machtkampf in Kiew: Präsident Selenskyj feuert seinen Armeechef Walerij Saluschnyj Foto: Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Kyjiw taz | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, entlassen. Gleichzeitig wurde der bisherige Heereschef und Generaloberst Oleksandr Syrskyj zum neuen Oberbefehlshaber ernannt.

Wirklich überraschend kommt die Entlassung von General Saluschnij, der seit 2021 die ukrainischen Truppen befehligt und im Volk sehr beliebt ist, nicht. Seit Ende vergangenen Jahres hatten immer wieder ukrainische und internationale Medien von einem angeblichen Zerwürfnis zwischen den beiden berichtet.

Erstmals öffentlich geworden waren die Differenzen mit der Veröffentlichung eines Artikels von Saluschniy im November im britischen Economist. Darin hatte dieser erklärt, er halte es nicht für realistisch, an einen schnellen Sieg zu glauben. Schon damals hatte sich Saluschnyj für eine schärfere Gangart bei der Mobilisierung der Streitkräfte ausgesprochen.

Und auch im Vorfeld der Debatten ein neues Gesetz zur Mobilisierung war es zwischen Präsident und Oberkommandierendem zu Differenzen wegen der Mobilisierung gekommen. Die von Saluschyj geforderte Mobilisierung von weiteren 400 000 Soldaten hielt Präsident Selenskyj für nicht umsetzbar.

Notwendige Modernisierung

Am frühen Donnerstag Abend hatte Präsident Selenskyj über Telegram von einem Treffen mit Saluschnyj berichtet. Bei diesem Treffen habe er Saluschnyj für zwei Jahre der Verteidigung der Ukraine gedankt. Gleichzeitig habe man auch über eine notwendige Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte und über Personen gesprochen, die Führungspositionen in der ukrainischen Armee übernehmen können.

„Die Zeit für eine solche Erneuerung ist genau jetzt. Ich habe Walery Fedorovich angeboten, weiterhin im Team zu sein. Wir werden definitiv gewinnen! Ruhm für die Ukraine!“ – schrieb Selenski auf Telegram. Das Wort „Entlassung“ sucht man vergeblich in diesem Text.

Saluschnyj schrieb fast gleichzeitig ebenfalls auf Telegram und formulierte nebulös, dass der Kampf weitergehe und sich „die Aufgaben des Jahres 2022 von denen des Jahres 2024 unterscheiden“, so dass „jeder sich ändern und an die neuen Realitäten anpassen muss“.

Im Gespräch mit dem Präsidenten habe man entschieden, dass es „notwendig ist, Ansätze und Strategien zu ändern“, so Saluschnyj. Doch weniger später war Schluß mit dem Austausch von Nettigkeiten. Er habe Oleksandr Syrskyj zum neuen Oberkommandierenden ernannt, ließ Präsident Selenski verlauten.

Held der Ukraine

Syrsky hatte bereits seit 2014 die ukrainischen Truppen der „Antiterroroperation“ im Osten des Landes befehligt. Für die erfolgreiche Verteidigung von Kyjiw war er mit dem Orden Bohdan Chmelnyzkyj zweiter Klasse ausgezeichnet worden, am 5. April 2022 erhielt er den Titel eines Helden der Ukraine.

Im September 2022 war es Oleksandr Syrskyi, der die Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte in der Region Charkiw geleitet hatte. Dabei hatten die ukrainischen Soldaten die Orte Balakliya, Kupiansk und Izium zurückerobert.

Nun stellen sich viele die Frage, welche Pläne der im Land sehr populäre Waleryj Saluschnyj wohl hat. Auf Selenskis Angebot, weiterhin im Team mitzuarbeiten, hat er bisher nicht geantwortet. Unterdessen berichtet das russische Verteidigungsministerium von einem erneuten Gefangenenaustausch von jeweils hundert Kriegsgefangenen. Die Ukraine hat diese Information nicht bestätigt.

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2 Kommentare

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  • Ich fasse es mal so zusammen: Zwei Jahre Kriegszustand und Raketenterror haben an den Nerven gezehrt. Seit der Offensive Ende 2022 hat die Ukraine praktisch nur Rückschläge erlitten (Fall der Festung Bachmuth, Scheitern der Gegenoffensive, Fall der Festung Marinka, bald auch Fall der Festung Avdiivka), dagegen nur ein paar PR-Erfolge der Ukraine, die aber an der Gesamtlage nichts ändern.



    Und nun entlässt Selensky einen populären General, der viel Vertrauen genießt, auch bei den Soldaten. Die Gründe dürften eher im Politischen liegen.



    Das könnte der eine Fehler sein, der sich im Nachhinein als desaströs herausstellt.

  • Ich bezweife, ob es gut ist, dass Selenski inzwischen alle Stellen von Bedeutung im Staat mit Sympatisanten besetzt hat.



    Verschiedene Blickwinkel sind oft bereichender als lediglich Bestätigung des eigenen Blickwinkel. Auch führt eine "Bubble da sein" oft zum Verlust des Gespürs für die Realitäten.