Krieg in der Ostukraine: Waffen ruhen doch nicht
An Neujahr und Weihnachten sollte im Donbass eigentlich Feuerpause herrschen. Doch beide Seiten melden Beschuss durch den Gegner.
Gleichzeitig waren in den vergangenen Tagen Einheiten der „Volksrepublik Donezk“ in drei demilitarisierte Dörfer der sogenannten „Grauzone“ eingedrungen. Die Bewohner eines dieser Dörfer, Vodjanoe bei Mariupol, mussten sich in Kellern vor der Artillerie schützen.
Das den „Volksrepubliken“ des Donbass nahestehende Internetportal nahnews.org berichtet am Samstag von Beschüssen der Städte Donezk und Gorlovka durch ukrainische Artillerie. Außerdem sei die Ortschaft Sanscharowka in der „Volksrepublik Lugansk“ von ukrainischen Einheiten angegriffen worden.
Ukrainische Positionen, so das Internetportal gazeta.ru unter Berufung auf ukrainische Armeesprecher, seien in Peski, Novogorodskoje, Zajzewo, Majorsk, Luganskoe und Opytnoe beschossen worden. Die Aufständischen, so die ukrainische Wochenzeitung Zerkalo Nedeli am Samstag in ihrer Onlineausgabe, hätten Freitagnacht ihre Artillerie zwei Mal gegen die Zivilbevölkerung der Ortschaft Vodjanoe gerichtet. Mehr als 40 bewaffnete militärische Provokationen habe man gezählt, so der ukrainische Armeesprecher Anton Mironowitsch gegenüber Zerkalo Nedeli.
Separatisten nehmen Ort in der „Grauzone“ ein
Schon kurz vor Inkrafttreten der weihnächtlichen Feuerpause am 23. Dezember hatten Einheiten der „Volksrepubik Donezk“ Kominternovo besetzt. Zuvor hatten sich in der Ortschaft, die zur sogenannten „Grauzone“ gehört, weder ukrainische Einheiten noch Separatisten aufgehalten. Erst am Freitag durften OSZE-Beobachter in Begleitung bewaffneter Soldaten der „Volksrepublik Donezk“ Kominternovo besuchen.
Die Verletzung der jüngsten Feuerpause wird von Beobachtern als weiterer Rückschlag für den Minsker Friedensprozess gewertet. Der Umstand, dass Kominternovo in der Nacht eingenommen wurde, als man sich in Minsk auf die Waffenruhe geeinigt hatte, lege nahe, dass es in der „Volksrepublik Donezk“ starke Kräfte gebe, die nicht an einem Frieden interessiert seien, zitiert die ukrainische Tageszeitung Segodnja (Heute) den Kiewer Politologen Kostja Bondarenko. Die Verletzung der Feuerpause, so Bondarenko, zeige, dass die Führung der „Volksrepublik“ nicht mehr handlungsfähig sei. Dort bahnten sich offensichtlich schwerwiegende Zerwürfnisse an.
Kominternovo, so der ukrainische Militärexperte Dmitrij Tymtschuk, sei erst der Anfang. Er befürchtet die Einnahme weiterer Ortschaften der „Grauzone“ durch Einheiten der „Volksrepubliken“.
Der Chef der „Volksrepublik Lugansk“, Igor Plotnizkij, macht hingegen Kiew für die jüngste Eskalation und die Verletzung der Waffenruhe verantwortlich. „Die einfache Logik zeigt, dass weder die Volksrepublik Donezk noch die Volksrepublik Lugansk für die Beschüsse verantwortlich sind“. Ukrainische Einheiten befänden sich auf einem Gebiet, in dem sich die Bewohner in einem Referendum im Mai 2014 für die Unabhängigkeit ausgesprochen hätten, zitiert die Lugansker Nachrichtenagentur „lug-info“ den Separatistenchef.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“