Krieg in Nahost: Die Agenda der Mossad-Agenten

Wie viel Strategie Israels steckt in der Pager-Attacke? Die Regierung Netanjahu scheint weiter auf Eskalation setzen zu wollen.

Eine Frau im Tschador hält ein Mobiltelefon in den Händen

Beirut, 18. September: Vor der Rettungsstelle des American University Hospitals in Beirut warten Angehörige von Explosionsopfern Foto: Hussein Malla/ap

Jerusalem taz | Israels Auslandsgeheimdienst Mossad ist berüchtigt. In den gut 75 Jahren seit der Staatsgründung soll er weltweit mehr als 3.000 Menschen getötet haben, in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Mitglieder der Hamas und der Hisbollah. Nun deutet alles darauf hin, dass Mossad-Agenten hinter der zeitgleichen Explosion Hunderter Pager am Dienstag und wohl auch hinter einer zweiten Angriffswelle am Mittwochabend stecken. Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters und von US-Medien versteckten israelische Agenten bereits Monate vor der Explosion Sprengstoff in einer für die Hisbollah bestimmten Lieferung von 5.000 Pagern.

Viele Hisbollah-Kämpfer sollen laut einem Bericht der New York Times bereits seit Jahren Pager benutzen, da diese weniger anfällig für Hacking und Ortung sind als Mobiltelefone. In der jüngsten Vergangenheit habe die Organisation zunehmend auch andere Mitglieder mit diesen Geräten ausgestattet.

Laut dem US-Nachrichtenportal Axios plante die israelische Führung ursprünglich, die manipulierten Geräte im Rahmen einer Offensive im Süden des Libanons zu zünden. Die Sprengsätze seien ausgelöst worden, weil israelische Sicherheitskreise befürchteten, die Gruppe könne der Falle auf die Spur gekommen sein. Es sei ein „Jetzt-oder-nie-Moment“ gewesen, zitiert Axios einen US-Vertreter. Die US-Führung sei von Israel im Vorfeld nicht informiert worden.

Der Geheimdienstexperte Yossi Melman zieht beim Onlinedienst X ein gemischtes Fazit. Einerseits beweise die Operation die Überlegenheit der israelischen Geheimdienste. Einen von der Hisbollah in Israel geplanten Bombenanschlag hatten Sicherheitsbehörden nach eigenen Angaben erst am Dienstagmorgen vereitelt. Laut Melman könnten zehn Prozent der Kräfte der Hisbollah temporär außer Gefecht gesetzt sein. „An der Realität des Krieges ändert das aber nichts.“

Eskalative Taktik

Gegenüber dem britischen Guardian nannte Melman die Attacke „weder besonders gezielt noch mit einer klaren Veränderung der strategischen Situation“. Stattdessen habe sie die Wahrscheinlichkeit für eine Eskalation an der Grenze erhöht.

Das könnte einem Teil der israelischen Regierung durchaus entgegenkommen. Seit Wochen werden die Rufe nach einer Offensive im Libanon in dem in Teilen rechtsextremen Kabinett lauter. Seit dem Überfall der Hamas auf Israels Süden im vergangenen Oktober beschießt die Hisbollah den Norden des Landes. Zehntausende Israelis haben ihre Häuser verlassen. Am Montag erklärte das Kabinett die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Dörfer an der Grenze zum Libanon zu einem offiziellen Kriegsziel.

Auch in der Bevölkerung unterstützt laut Umfragen eine Mehrheit ein militärisches Vorgehen im Norden. Am Montagabend gab es Berichte, dass Ministerpräsident Netanjahu plane, seinen Verteidigungsminister Joav Gallant zu entlassen. Dieser war zuletzt, ebenso wie die Armeeführung, mehrfach mit Netanjahu aneinandergeraten, auch weil er mit Blick auf den Libanon weiter auf Zeit für eine diplomatische Lösung setzt.

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