piwik no script img

Krieg in GazaDie Global Sumud Flotilla gerät wieder ins Visier

Der den Gazastreifen ansteuernde Schiffskonvoi wird wohl erneut mit Drohnen angegriffen. Derweil gibt es Differenzen zwischen liberalen und konservativ-religiösen Teilnehmern.

Im Hafen von Bizerte, Tunesien, am 13. September 2025: ein Boot der Global Sumud Flotilla vor dem Aufbruch nach Gaza Foto: Zoubeir Souissi/reuters

Tunis taz | Mehrere Schiffe des nach Gaza fahrenden Sumud-Konvois wurden in der Nacht auf Mittwoch wohl erneut angegriffen. Besatzungsmitglieder berichten von Objekten, die nahe Griechenland von Drohnen abgeworfen wurden und explodierten. Eine unbekannte chemische Substanz wurde an Bord von fünf Booten gefunden.

„Offenbar sollten Segel und die Ausrüstung an Bord zerstört werden“, sagt der Brasilianer Thiago Ávila. Er ist einer der Mitgründer der Sumud-Initiative und ein umstrittener politischer Aktivist, der beispielsweise an der Beerdigung des 2024 von Israel getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah im Libanon teilnahm. Diese „Provokation“ werde die Flotilla „in keinem Fall davon abhalten, weiterzufahren“, so Ávila.

Mitte September hatte die Flotilla erstmals von Drohnenangriffen berichtet, auch da brach Feuer an Bord aus. Die zuständigen tunesischen Behörden glaubten zunächst an durch Zigaretten ausgelöste Brände, sahen dann aber auch unbekannte Dritte am Werk. Ávila und seine Mitstreiter sind davon überzeugt, dass sie im Visier der israelischen Armee stünden. Die während ihrer Fahrt über das Mittelmeer immer wieder gesichteten Drohnen sehen sie als Vorbereitung von Sondereinheiten, die zu einem späteren Zeitpunkt die Schiffe des Konvois stürmen könnten.

Nach Askhelon oder direkt nach Gaza?

Die Sumud-Flottilla besteht aus 51 Booten und mehreren Hundert Teilnehmern aus 44 Ländern. Die im spanischen Barcelona, italienischen Catania und tunesischen Tunis geladenen Hilfsgüter wollen die Aktivisten an die Hunger leidenden Bewohner von Gaza liefern. Das israelische Außenministerium bot am Montag an, die Pakete im Hafen der Stadt Aschkelon anzunehmen. Von dort werde man die Hilfe nach Gaza weitertransportieren, so ein Sprecher.

Ein Anlegen der Schiffe an der Küste Gazas lehnt Israel hingegen strikt ab. „Die Seeblockade von Gaza widerspricht internationalem Recht“, betont Ávila, der das Abladen der Güter in Aschkelon ablehnt. „Unsere humanitäre Hilfe ist hingegen legitim. Hunderte Lastwagen wird an der Grenze die Einfahrt verwehrt, warum sollten ausgerechnet unsere Hilfsgüter verteilt werden? Wir müssen sicher gehen, dass unsere Hilfe wirklich ankommt.“

Die Besatzungen bereiten sich derweil auf intensivere Angriffe vor. Mit ihrer Ankunft in den Gewässern vor Kreta sind die Schiffe nun bald in Reichweite von Militärbasen, die in dem griechischen Teil Zyperns von der britischen und israelischen Armee genutzt werden. In der Nacht auf Mittwoch sei der Funkverkehr der Schiffe gestört worden, berichtet der sich als Antiimperlialist bezeichnende US-Aktivist Greg Stoker. Aus den Lautsprechern seien Lieder der schwedischen Band ABBA ertönt, berichtet er. Eine subtile Botschaft an Greta Thunberg, die aus Schweden stammende prominenteste Aktivistin an Bord der Flotilla.

„Vielfalt an Lebensmodellen“, erklärt ein Aktivist

Die Einheit unter den Aktivistinnen und Aktivisten schien jüngst zu bröckeln. Vor allem unter den tunesischen Teilnehmern hatte es hitzige Diskussionen gegeben: Die Mitorganisatoren Wael Naouat und Jawaher Channa stehen politisch links, andere Teilnehmer kommen aus dem konservativ-religiösen Spek­trum. So protestierte etwa Sumud-Koordinator Khaled Boujemaa gegen die Teilnahme von führenden Mitgliedern der LGBTQ-Szene Tunesiens. In einem Livestream aus dem Hafen von Bizerte beschuldigte er die Organisatoren, die Identität einiger Teilnehmer verschwiegen zu haben. Auch der Fernsehmoderator Samir Elwafi kritisierte die Teilnahme von offen queeren Aktivisten wie Saif Ayadi, deren Anliegen nichts mit der gemeinsamen Sache für Gaza zu tun hätten.

Ein tunesischer Aktivist beschwichtigt gegenüber der taz aber ab: „In der Sumud-Initiative gibt es dieselbe Vielfalt an Lebensmodellen wie in der tunesischen Gesellschaft. Dass dies zu Diskussionen führt ist doch ganz normal.“

Kurz vor den Drohnenangriffen wechselte Greta Thunberg allerdings das Boot. Israelische Medien sehen darin einen Beleg für die ideologischen Brüche innerhalb der Sumud-Bewegung, der die Regierung eine antiisraelische Ideologie und Hamas-Nähe vorwirft. An Bord der meisten Schiffe gibt man sich trotzig. „Jeder weitere Angriff schweißt uns zusammen“, sagt ein Teilnehmer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Bitte noch regelmässiger zum Thema der Flotilla und deren Friedensaktivisten berichten globalsumudflotilla.org/ ! Die Sicherheit der äusserst mutigen Menschen auf diesen Schiffen - und ein Zukunftsschimmer für die vielen unschuldigen Menschen in Gaza die seit 2 Jahren auf abscheulichste Weise kollateralbestraft werden - hängt auch davon ab, dass wir hinschauen und unsere Politiker in die Verantwortung ziehen....

    Deutschland ist Unterzeichner der Völkermordkonvention und dazu verpflichtet ihn zu verhindern - wo unsere Regierungen das nicht tun stehen auf der Flotilla mutige Zivilisten dafür ein...

  • Erneut mit Drohnen angegriffen? Ehm, es gibt Videos die ziemlich klar zeigen, dass es sich bei dem ersten hochgejazzten Vorfall wohl um eine Leuchtpistole handelt. Sieht so kritischer Journalismus aus? Einfach ungeprüfte Behauptungen einer politischen Gruppe mit Agenda zu wiederholen? Außer den Aussagen der Flotilla gibt es überhaupt keine Belege für Drohnen daran ändert auch das Geraune über „unbekannte Dritte“ nichts.

    • @Maxime Musterfrau:

      Das Vorgehen der Yachtgesellschaft illustriert, was Sylke Tempel über Verschwörungstheorien herausgearbeitet hat:



      Ihr besonderer Charme: Sie haben immer eine Antwort und selbst Widersprüche werden nahtlos integriert, um im Umkehrschluss die imaginären Fehlbarkeiten der eigenen Weltsicht zu negieren.

  • Israel greift zivile Schiffe an.



    Das ist als nichts anderes als Terrorismus zu bezeichnen.



    Letztendlich reiht es sich jedoch einfach nur ein in die gezielte Tötung von JournalistInnen, MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen und ZivilistInnen in Gaza und im Westjordanland.

  • "Derweil gibt es Differenzen zwischen liberalen und konservativ-religiösen Teilnehmern." Eine bizarre Wortwahl, bei der man, wenn man es nicht besser wüsste, denken könnte, es handle sich bei der "Global Sumud Flotilla" um ein liberal-konservatives Projekt. Personen und Organisationen in Deutschland, die alle nicht-heterosexuellen Lebensformen strikt ablehnen, verbieten und bestrafen wollen, werden in der taz üblicherweise nicht als "konservativ" verniedlicht.

    Und der namentlich nicht genannte tunesische Aktivist faselt von einer "Vielfalt der Lebensmodelle", wo doch in Wirklichkeit gemeint ist, dass die Islamistenfraktion unter den Teilnehmern kein anderes Lebensmodell duldet außer ihrem eigenen. Dies führt übrigens sowohl in Gaza als auch in den von der Palästinensischen Autonomiebehörde beherrschten Gebieten keineswegs zu "Diskussionen", sondern dazu, dass Homosexuelle verfolgt und ermordet werden. Die "Queers for Palestine" unter den Teilnehmern können froh sein, wenn Israel sie nicht nach Gaza reinlässt.

    • @Budzylein:

      "Die "Queers for Palestine" unter den Teilnehmern können froh sein, wenn Israel sie nicht nach Gaza reinlässt."

      Und schon geht das Pinkwashing los..

      Interessant dazu auf Wikipedia:



      "Israelische Geheimdienste erpressen LGBTQ-Palästinenser in den Palästinensischen Autonomiegebieten. So erklärten beispielsweise 43 Soldaten der Einheit 8200, dass diese gezielt Hinweise auf die Sexualität von Personen suche, um sie damit zu erpressen und zur Kollaboration zu zwingen. Laut einem Haaretz-Artikel von 2023 verstärke dies die Homophobie innerhalb der Autonomiegebiete, weil LGBTQ-Personen als potenzielle Kollaborateure stigmatisiert würden, was ihre Lage zusätzlich verschlechtere. 2023 etwa wurde ein Mann in Nablus im Westjordanland durch die militante Gruppe Höhle der Löwen ermordet, nachdem er durch den israelischen Geheimdienst Schin Bet mit einem Video erpresst worden war, das ihn beim Sex mit einem anderen Mann zeige."

      Also nochmals vielen Dank an Israel.