Kramp-Karrenbauer in Mali: Der „asymmetrische Krieg“

Die Bundesverteidigungsministerin besucht die Bundeswehr in Mali in einem aufgeheizten Klima. Malis Armee ist in der Defensive gegen Islamisten.

Verteidigungsministerin vor Soldaten

AKK trägt sich ins Gästebuch der malischen Armee ein Foto: dpa

BERLIN taz | Für den Besuch einer Bundesverteidigungsministerin bei der Bundeswehr im Ausland gibt es bessere Rahmenbedingungen als die, die Annegret Kramp-Karrenbauer dieser Tage in Mali vorgefunden hat. Ihr Antrittsbesuch beim derzeit größten deutschen Auslandseinsatz wurde vom größten islamistischen Angriff auf Malis Armee seit Jahren überschattet.

Über 60 Soldaten starben nach Regierungsangaben, 85 nach Angaben der für den Angriff verantwortlich zeichnenden Rebellengruppe JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime), als zwei Militärbasen im Zentrum des Landes Anfang vergangener Woche überfallen wurden.

Es war nicht nur ein Überfall, sondern eine mehrtägige Schlacht. Hauptziel war in der Nacht zum 30. September der Militärstützpunkt Boulkessy, eine Basis der regionalen Eingreiftruppe G5-Sahel. 100 Kilometer weiter westlich wurde die Armeebasis Mondoro angegriffen. Die Islamisten besetzten beide Basen.

Erst am Dienstagmorgen eroberten Spezialkräfte Mondoro zurück, Boulkessy sogar erst am Dienstagabend. Die meisten der dort stationierten Soldaten waren da schon tot, verwundet, entführt oder geflohen. An diesem Montag bekannte sich JNIM zu den Angriffen und verkündete, sie habe große Mengen Rüstungsmaterial erbeutet.

„Wir befinden uns im Krieg“, erklärte Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita – in Mali IBK genannt – in einer Traueransprache auf seinem Amtssitz in der Hauptstadt Bamako am Samstag und betonte, dass die Regierung diesen Krieg momentan nicht gewinne. „Boulkessy war eine unserer am besten geschützten Basen“, so der Präsident. „Dass wir uns im Krieg befinden, heißt, dass das, was in Boulkessy geschehen ist, leider nochmal geschehen kann.“

IBK sprach, wie aus der in malischen Medien wiedergegebenen Abschrift der Rede hervorgeht, düster von einem „asymmetrischen Krieg“, ein „Krieg gegen den Antichrist, ein Krieg aus vorprophetischen Zeiten, wo der zufällige Tod nicht auf dem Schlachtfeld eintritt wie beim trojanischen Krieg oder den anderen – wir haben es mit der Herrschaft der Finsternis zu tun, wo der Tod das Ziel ist. In dieser Lage sind unsere Mittel begrenzt.“

Wie vor dem Putsch von 2012

Diese Worte warfen in der Öffentlichkeit die Frage auf, ob Mali noch eine zurechnungsfähige Regierung hat. Der „asymmetrische Krieg“, so die Zeitung Info-Matin, wüte schließlich schon seit sechs Jahren. Manche Kommentatoren erinnern an den Vorlauf des Militärputsches von 2012, als der damalige Präsident Amadou Toumani Touré (genannt ATT) vom Militär gestürzt wurde und Mali im Chaos versank. Auch da hatte die Armee zuvor Niederlagen gegen Rebellen erlebt und Soldaten hatten offen Unmut geäußert.

Präsident Ibrahim Boubacar Keita

„Mali braucht jetzt Solidarität und kein Geschwafel von Putschnostalgikern“

ATT, der im Senegal im Exil lebt, war früher selbst General. Seine politische Karriere hatte 1990 mit einem vom Volk bejubelten Putsch gegen einen brutalen Diktator begonnen. Jetzt, rein zufällig, hat er seine Rückkehr nach sieben Jahren Exil angekündigt.

Es werde aber keinen neuen Putsch geben, versicherte IBK am Samstag in seiner Ansprache. Er verstehe die Erregung der jungen Soldaten, aber das Land brauche jetzt „Solidarität und Zusammenhalt und kein Geschwafel von Putschnostalgikern“, wie er es ausdrückte. „Kein Militärputsch irgendeiner Art wird in Mali Erfolg haben.“

Der Präsident steht unter Druck. Er wurde 2018 wiedergewählt, aber das politische Klima ist seitdem aufgeheizt. Eine Korruptionsaffäre jagt die andere, und die Opposition boykottiert einen „Nationalen Dialog“, den der Präsident ausgerufen hat.

Für die meiste Empörung sorgt Korruption im Militär, zumal eine EU-Trainingsmission mit Bundeswehrbeteiligung eigentlich Malis Streitkräfte professionalisieren soll – wie auch Kramp-Karrenbauer jetzt erneut hervorhob.

Mali kaufte vor zwei Jahren zwei Puma-Kampfhubschrauber, aber sie waren noch nie flugfähig. Einer, so sagen in Zeitungsberichten zitierte Oppositionelle, wurde von einem Gebrauchtwarenhändler in Irland gekauft, bar bezahlt und fliegt nicht. Der andere funktioniert auch nicht, obwohl ständig Ersatzteile gekauft werden. Beim Angriff auf Boulkessy konnten sie nicht zum Einsatz kommen, weil der eine flugunfähig herum stand, der andere mit leerem Tank.

Vor vier Jahren, so die Opposition weiter, kaufte die Regierung für 88,7 Millionen US-Dollar sechs Kampfflugzeuge in Brasilien – aber nur vier wurden geliefert, ohne Ausstattung und daher nicht einsetzbar. Die nötige Ausbildung von 15 Piloten wurde zu den zehnfachen Kosten verbucht.

Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll nun Licht in diese Dinge bringen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.