Bundeswehr in Mali: Schwierige Ausbildungsmission
Seit fünf Jahren trainieren EU-Ausbilder Malis Armee – ohne Waffen, Manöver oder Nähe zum Krieg. Die Bundeswehr spielt eine zentrale Rolle.
KOULIKORO taz | Junge Männer in Tarnuniform ringen im Staub miteinander. Ihr belgischer Ausbilder, der durch die Reihe schlendert, ist sichtlich zufrieden. Die malischen Soldaten haben ein Händchen für den „Handschellenknoten“. Ein Seil und wenige Handgriffe genügen, dann ist ein fiktiver Gegner gefesselt und am Boden fixiert.
Das Training auf dem Armeestützpunkt Koulikoro gehört zum Modul „Objektschutz Luftwaffe“ – dem neuesten Ertüchtigungskurs der EU für Malis Streitkräfte. Seit mehr als fünf Jahren ist die European Union Training Mission (EUTM), im Land; jetzt berät der Bundestag eine erneute Beteiligung der Bundeswehr bis Mai 2019.
Das Ziel von EUTM: Malis Armee neu aufzubauen. Im Jahr 2012 zeigten sich die „Forces armées et de sécurité du Mali“ (FAMA) militärisch überfordert, aufständischen Tuareg und Islamisten zu begegnen. Ganze Einheiten wurden massakriert oder flohen. Daraufhin putschten jüngere Offiziere aus Frust, die Befehlskette löste sich auf. Nur eine Intervention Frankreichs verhinderte 2013, dass Islamisten in Richtung Bamako vorstießen.
Im Sommer 2013 wurde eine neue Regierung gewählt, es gibt mit den Tuareg-Rebellen einen Friedensprozess, der aber labil ist. Das fehlende Gewaltmonopol des Staates lässt immer mehr Selbstschutz-Milizen im gesamten Land entstehen, auch der Kampf gegen Dschihadisten im Norden geht weiter.
Malis Armee wieder aufbauen
Unter diesen brutalen Bedingungen versucht Malis Armee, militärisch wieder Fuß zu fassen. Der Plan dazu ist ambitioniert. Das 2015 verabschiedete Gesetz zur Streitkräfteplanung sieht vor, die Sollstärke der Armee durch Freiwillige bis 2019 auf 20.000 Mann zu verdoppeln. Bis dahin soll die FAMA wieder über eine funktionierende Befehlskette verfügen und in der Lage sein, Krieg im eigenen Land selbst zu führen.
Heute lässt sich sagen, dass die FAMA von diesen großen Zielen noch weit entfernt ist. Aber die Europäer sehen Fortschritte im Kleinen. Der Führer des Bundeswehrkontingents bei EUTM, Oberstleutnant Gottsche, sagt zur taz: „Vor Kurzem habe ich eine malische Ausbildung in Kati besucht – ein Fallschirmjägerzug, der gerade aus dem Einsatz im Norden zurückkam und davor im EUTM-Training war. Man hat gesehen: Die Einzelschützen machen gute Deckungsarbeit und die Gruppenführer leiten ihre Männer bestens.“
„Hier haben sie oft noch ein sehr starres Muster“
Das EUTM-Trainingskonzept funktioniert so: Spezialwissen wie für Scharfschützen vermittelt die EUTM in ihrem zentralen Trainingscamp in Koulikoro nahe der Hauptstadt. Ansonsten reisen die Ausbilder aus diversen EU-Armeen an die Standorte der malischen Hauptverbände, das sind acht 600 Mann starke Bataillone.
Dort schulen sie zwei Wochen lang die Offiziere und Unteroffiziere – im Militärsprech „Führer“ – und parallel dazu die einfachen Soldaten. Dann bilden die malischen „Führer“ ihre Soldaten zwei Wochen nach dem Gelernten aus, gecoacht von EUTM-Trainern.
Oberst Busch, stellvertretender EUTM-Kommandeur, sagt der taz: „Was eine Herausforderung ist, ist westliche Führungsgrundsätze wie selbstständiges Denken und Handeln bei Soldaten auch in Malis Armee wirksam zu machen. Hier haben sie oft noch ein sehr starres Muster, wo jeder Schritt vom Vorgesetzten vorgegeben wird.“ Mit ihrer „Führerausbildung“ hofft die EU auf einen Multiplikatoreffekt.
Die Hilfe sieht keine Waffen vor
Doch das Konzept hat Schwächen. So gibt es keine Manöver, in denen die malischen Verbände das gemeinsame Operieren im größeren Stil üben. Bundeswehrsoldaten bei EUTM verweisen auch auf den sehr schlechten Ausrüstungsstand der Malier und Munitionsmangel. Doch die Materialhilfen der Europäer sehen keine Waffen vor.
Auch weiß die EUTM bis heute nicht, wie die malische Armee ihre Ausbildung durchführt, bevor die EUTM-Ausbilder übernehmen. Zudem fehlt ein Monitoring des Trainingserfolgs. Auch das kommende EUTM-Mandat sieht nicht vor, dass die Ausbilder trainierte Einheiten in Gefechte begleiten. Über das Kampfgeschehen und ihre Erfahrungen informieren die malischen Militärs ihre EU-Partner nur bei unregelmäßigen Treffen nach Gusto.
Aber die EU möchte die EUTM nicht in Richtung Kampfgeschehen expandieren, sondern verstärkt in die Institutionen. An Malis Offiziers- und Unteroffiziersschulen sollen feste Ausbilder installiert werden, um die Führerausbildung weiter auszubauen. Das gefällt nicht jedem.
EUTM Vizekommandeur Busch zur taz: „Nicht alle in Malis Streitkräften sind davon begeistert. Es gibt einige wenige Offiziere, die das als zu viel EUTM bei Malis Streitkräften betrachten. Der Nationalstolz spielt da wohl eine Rolle. Hier müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten.“
Speziell die Bundeswehr möchte sich bei EUTM künftig stark dem Bereich Logistik widmen. Bisher bildete sie bei Malis Armee „Log-Store-Keeper“ aus – Soldaten, die ein kleines Materiallager managen können. Nun sollen umfassend geschulte Logistiker hinzukommen, Mechaniker und Lkw-Fahrer.
Die EU wiederum sondiert mit der malischen Seite, wie sie erstmals Finanzmittel zur militärischen Ertüchtigung einbringen kann. Eine Möglichkeit, die ihr erst seit Ende 2017 offensteht. Allerdings nicht für Waffen und Munition. Gedacht ist an eine Erneuerung malischer Luftwaffenbasen.
Leser*innenkommentare
Volker Birk
Einer der Artikel, an dem man sieht, wie sich die TAZ gewandelt hat. Man stelle sich vor, jemand hätte versucht, einen solchen Artikel kurz nach Gründung der TAZ dort zu veröffentlichen. Es wäre undenkbar gewesen.
Heute ist es normal, dass über Militär und Gewalttrainig mit “Handschellenknoten” positiv berichtet wird, und die mangelnde Lieferung von Waffen und Munition beklagt.
Von grün zu olivgrün.
pitpit pat
Ich werde mir damit keine Freunde machen aber:
'Militärsprech' ist (wie andere auch) eine Ableitung aus 'Neusprech', dem Esperanto des Totalitarismus. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn der Autor weder Armeen im allgemeinen noch die Bundeswehr im besonderen gut findet. Aber sie begrifflich im perfekten, totalitären Staat zu verorten, finde ich kontraproduktiv.
Frank Stippel
So sieht also militärische Beschäftigungstherapie aus?