Kosten von Flüchtlingsbürgen: Entscheidung im Einzelfall
Das Arbeitsministerium will Bürgen von Geflüchteten entlasten. Das gilt nicht pauschal, jetzt werden die Betroffenen individuell überprüft.
Tausende Menschen haben wohl erleichtert aufgeatmet, als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor zwei Wochen verkündete: Im Fall der sogenannten Flüchtlingsbürgen habe man eine „gute Lösung“ gefunden, „die hilft“. Nun zeigt sich: Weder sind alle Bundesländer in die Einigung involviert, noch gilt die Vereinbarung automatisch für alle betroffenen Bürg*innen.
Zwischen 2013 und 2016 hatten zahlreiche Menschen Verpflichtungserklärungen abgegeben, um Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nach Deutschland zu holen. Die meisten waren davon ausgegangen, dass diese Bürgschaft erlischt, sobald die Geflüchteten einen positiven Asylbescheid in Händen halten. So stand es auch in Erlassen verschiedener Bundesländer, etwa Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Entsprechend hatten viele Ausländerbehörden die Bürg*innen auch beraten.
Doch dann begannen die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit, Erstattungsbescheide zu verschicken. Insgesamt geht es bundesweit um eine Summe von mehr als 21 Millionen Euro, die Privatpersonen und NGOs erstatten sollen. Nach monatelangen Diskussionen hatte Heil erklärt, Bund und Länder würden diese Summe „gemeinsam schultern“: „Ich kann in den nächsten Tagen die Jobcenter anweisen, von diesen Rückforderungen an Flüchtlingsbürgen abzusehen.“
Liest man die Erklärung aber bis zum Schluss, steht dort, es hätten sich die „im Wesentlichen betroffenen Länder“ bereit erklärt, sich an den entstehenden Kosten zu beteiligen. Also: Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Damit sei „der Weg frei für eine Überprüfung von festgesetzten Erstattungen“. Von einer Inanspruchnahme der Verpflichtungsgeber*innen solle vor allem dann abgesehen werden, wenn diese sich der „Reichweite ihrer Erklärungen nicht bewusst waren oder von vornherein klar war, dass sie die übernommenen Verpflichtungen aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht erfüllen konnten“.
„Falsch beraten“
Auf Nachfrage erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das heiße nicht, dass diesen drei Ländern auch die Kosten aus anderen Bundesländern aufgebürdet würden. Ein Sprecher des Ministeriums betont, es gehe bei der Einigung um Fälle, die „nicht umfassend oder falsch“ beraten worden seien. „Hierauf werden die Einzelfälle geprüft.“
Eine „Sauerei“ nennt das Günter Schütte von der Flüchtlingshilfe im niedersächsischen Wolfsburg. Er hat selbst für fünf Syrer*innen gebürgt. Deswegen soll er etwa 70.000 Euro zurückzahlen. Gerade für Länder wie Niedersachsen sei die Einzelfallüberprüfung unsinnig, sagt Schütte: „Es ist unstrittig, dass Niedersachsen selbst lange der Auffassung war, dass die Bürgschaft mit der Anerkennung endet, und die Ausländerbehörden entsprechend instruiert hatte.“
Das weiß man auch im BMAS. Zumindest in den Ländern, in denen die Länder die Rechtslage anders interpretiert hatten als der Bund, dürfte die Prüfung unbürokratisch vonstattengehen: Man gehe von bestimmten Fallgruppen aus, in denen die Bürgen darauf „vertrauen durften“, dass ihre Verpflichtung mit dem positiven Asylbescheid endet, heißt es auf Nachfrage. Darunter fallen wohl Niedersachsen, Hessen und NRW mit den entsprechenden Erlassen. Die Betroffenen müssten „den Inhalt der mit ihnen geführten Beratungsgespräche nicht im Einzelnen nachweisen“.
Für Bürg*innen in anderen Bundesländern könnte das anders aussehen. Auch die Kostenfrage ist offen: Wer sie trägt, sei „bislang nicht entschieden“, heißt es aus dem BMAS.
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