Kosten für Streamingdienste: Sharing is caring
Amazon Prime hat seine Abopreise erhöht. Viele regen sich auf, für unsere Autorin ist das kein Problem: Sie ist eine Streaming-Schmarotzerin.
Amazon Prime hat seine Abo-Preise erhöht. Von jährlich 69 auf 89,90 Euro. Inflationsbedingt und wegen steigender Kosten. 30 Prozent mehr!
Ich bin nicht sehr empört. Obwohl ich Amazon Prime-Nutzerin bin. Für mich wird sich nichts am Preis ändern. Weil ich, ich bin ehrlich, eine Streaming-Schmarotzerin bin. Ich nutze Netflix über den Account meines Schwagers. Disney+ über den meines Cousins. Spotify habe ich von meinen Eltern abgegriffen. Und Amazon Prime schaue ich auf dem Account der Ex-Freundin meines Bruders. Die beiden sind seit sieben Jahren nicht mehr zusammen. Sie hatte sich damals bei einem Filmabend auf meinem Fernseher eingeloggt. Ausgeloggt hat sie sich nicht. Und ich sie auch nicht.
Erbärmlich, denken Sie jetzt? Aber hey, hey, hey! Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Amazon-Firestick! Ich bin jedenfalls nicht die Einzige, die das so macht. 2017 hieß es noch vom offiziellen Twitter-Account von Netflix: „Love is sharing a password“ – Liebe ist also, wenn man sein Passwort teilt. So gesehen habe ich in den vergangenen Jahren sehr viel Liebe erfahren.
Dieses Jahr kündigte Netflix allerdings an, härter gegen Account-Sharing vorzugehen. Denn zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt hat der Streaminganbieter Kundinnen verloren. In ihrem Geschäftsbericht an die Aktionäre vom April begründeten die Verantwortlichen bei Netflix den Nutzerrückgang unter anderem so: „Zusätzlich zu unseren 222 Millionen zahlenden Haushalten schätzen wir, dass Netflix mit mehr als 100 Millionen zusätzlichen Haushalten geteilt wird.“ Was vor einigen Jahren noch herzallerliebst war, ist inzwischen also geschäftsschädigend.
Amazon hat bisher keine Maßnahmen gegen geteilte Accounts angekündigt. Aber wer weiß, wie lange das so bleibt, also schreibe ich diesen Text lieber anonym. Mein Preis sieht anders aus: Seit etwa zwei Jahren fragt mich die Prime-Video-Startseite, ob ich nicht endlich ein Update durchführen möchte. Mit zitternden Fingern wechsle ich jedes Mal mit der Fernbedienung von „Aktualisieren“ auf „Schließen“. Puh, gerade noch abgewendet! Die Angst ist groß, dass ich mich nach dem Update neu einloggen muss.
Dann müsste ich mich nach Jahren der Funkstille bei der Ex-Freundin meines Bruders melden, um sie nach den Login-Daten zu fragen. Das wäre unangenehm. Aber wahrscheinlich weniger unangenehm, als 89,90 Euro im Jahr für einen eigenen Account auszugeben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern