Korruption in afrikanischen Staaten: Identitätsstiftender Kampf

In diversen Ländern Afrikas haben Menschen gelernt, mit Korruption zu leben. Nun steht das Phänomen aber im Zentrum der staatlichen Aufmerksamkeit.

Eine Menschenmenge, in der Bildmitte, vorne ist Ruandas Präsident Paul Kagame zu sehen

Ruandas Präsident Paul Kagame bei einem Gedenkmarsch für die Opfer des Genozids Foto: Dai Kurokawa/epa

Ein gutes Unterscheidungsmerkmal für die Staaten Ostafrikas ist die (In-)Toleranz von Korruption. Am einen Ende steht Ruanda, dessen Präsident Paul Kagame keinen Spaß versteht: Korruption würde dringend benötigtes Geld für die Überwindung der Traumata des Völkermordes versickern lassen und auch die zerbrechliche Balance des Machtsystems gefährden, das Kagame im vergangenen Vierteljahrhundert aufgebaut hat. Es gibt in Ruanda für Korruption schlicht keinen Platz.

Am anderen Ende steht Südsudan, wo politische und militärische Anarchie alles im Griff hält, die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht ist und Korruption als Luxusgedanke erscheint.

Burundi und die Demokratische Republik Kongo stehen Südsudan näher als Ruanda. In Burundi hat Korruption System. Es ist sehr klein und als vor einigen Jahren der Präsident an Covid-19 starb, nahm die Welt kaum davon Notiz. Das Land hat 12 Millionen Menschen in Armut und um die zwölf Millionäre, die jeweils einen Fußballverein besitzen.

Systemische Korruption prägt auch die Demokratische Republik Kongo, eine Ansammlung von Warlords, die 100 Millionen Menschen regieren. Es ist so dezentral, dass es keine Straßen- und Schienenverbindungen zwischen den einzelnen Landesteilen gibt, und korrupte lokale Amtsträger leben von der Besteuerung ausländischer Bergbaufirmen.

In Kenia hängt die Entwicklung von Menschen ab

Kenia, Uganda und Tansania befinden sich auf dieser Skala irgendwo in der Mitte. In Tansania haben offizielle Untersuchungen schockierende Vorgänge ans Licht befördert. Die sonst mütterliche Präsidentin Samia Suluhu griff zu undruckbaren Worten, als sie von einem Frachtflugzeug erzählte, das Boeing für 27 Millionen US-Dollar bauen sollte und für das die Regierung 86 Millionen bezahlte. Sie feuerte sofort den Chef der Luftfahrtbehörde. Die Präsidentin umwirbt nämlich die anderen Länder Ostafrikas mit Milliardenverträgen.

Ostafrikas Wirtschaftsgigant Kenia, bedroht durch Tansanias Aufholjagd, wurde lange von korrupten Familienoligarchien regiert. Die Wahl des aus armen Verhältnissen aufgestiegenen Präsidenten William Ruto 2022 sollte das ändern, aber nun gibt es Proteste gegen Ruto, die sich auch gegen Kenias Oligarchen richten, etwa Oppositionsführer Raila Odinga, dessen Besitztümer verwüstet wurden, obwohl er selbst zu den Protesten aufgerufen hatte.

Kenia hat kaum natürliche Reichtümer. Seine Entwicklung hängt von menschlichen Ressourcen ab, also Bildung und gute Dienstleistungen. Ein Kenia voller wütender Massen ist nicht attraktiv. Ruto verhandelt nun mit Odinga – es ist offen, ob das die Korruption reduziert.

Korruption im Zentrum der staatlichen Aufmerksamkeit

Am dramatischsten ist der Kampf gegen Korruption in Uganda. Gegen mehr als ein Viertel der über 70 Kabinettsmitglieder wird wegen des Diebstahls staatlich gekaufter Wellblechdachplatten ermittelt. Die sollten in der bitterarmen Region Karamoja an marodierende Viehdiebe verteilt werden, damit sie Häuser bauen und sich friedlich niederlassen.

Nun bekommen sie keine Häuser und machen weiter – sie sind bestens vernetzt, weil sie immer Abnehmer in der Fleischindustrie finden. Dabei ist Karamoja voller Gold, Edelsteine und seltener Erden. Manche Dachdiebe zeigen nun Reue: Ein Minister gab seine abgezweigten Wellblechdächer wieder zurück, aber ärgerte dadurch seine Kirche, der er sie bereits versprochen hatte.

Auffällig ist, dass überall das Phänomen der Korruption, mit dem die Menschen längst zu leben gelernt haben, nun im Zentrum der staatlichen Aufmerksamkeit steht. Es bleibt offen, ob dieses Phänomen nun verschwindet oder einfach für eine Weile unsichtbarer wird.

Aus dem Englischen von Dominic Johnson

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