Korruption bei Fleischbranche Brasiliens: Pappmaschee statt lecker Wurst
Inspektoren sollen für Schmiergelder ungenießbare Waren durchgewunken haben. Die brasilianische Fleischindustrie gerät in Verruf.
Brasilianer sind in großer Mehrheit überzeugte Fleischliebhaber. Doch bei dem Gedanken an die neuen Enthüllungen aus Fleischbetrieben dürfte sich ihnen der Magen umdrehen. Razzien brachten ans Tageslicht, was in Teilen der Branche üblich ist: Bei abgelaufener Haltbarkeit wird Fleisch einfach neu verpackt und verkauft. Mit krebserzeugenden Chemikalien werden eklige Gerüche unterdrückt, Wasserspritzen blähen das Gewicht der Steaks auf, Wurstwaren werden mit Pappmaschee gestreckt. Damit nichts auffliegt, wird Gammelfleisch mit frischen Produkten vermischt.
Brasilien ist weltweit der zweitgrößte Produzent und der größte Exporteur von Fleisch. Unklar ist bislang, wie viel gepanschtes Fleisch in Richtung EU, USA oder China verschifft wurde. Nach Deutschland exportiert das größte Land Lateinamerikas jährlich Fleischwaren im Wert von weit über 100 Millionen Euro. Seit 2016 gelang es den brasilianischen Fleischexporteuren endlich, auch die USA als Markt zu erobern.
Doch der Ruf der Branche ist nun ruiniert, nachdem der Korruptionsskandal am Freitag nach fast zweijährigen Ermittlungen aufflog. Über tausend Beamte der Bundespolizei durchsuchten Fleischbetriebe in sechs Bundesstaaten im Süden Brasiliens und Büros des Agrarministeriums in der Hauptstadt Brasília. Insgesamt 36 verdächtige Manager und Beamte von Kontrollinstanzen des zuständigen Ministeriums wurden festgenommen. Zu den verdächtigten Betrieben gehören JBS, der weltgrößte Verarbeiter von Rindfleisch, und der Großkonzern BRF Foods.
Ausgangspunkt der Ermittlungen war die Aussage eines Inspektors, der unter Druck gesetzt wurde, als er darauf bestand, Kontrollen nach Vorschrift durchzuführen. Die Polizei präsentierte zahlreiche Telefonmitschnitte, in denen Panschereien und Deals zur Umgehung von Kontrollen besprochen werden. Die Rede ist von einer kriminellen Vereinigung zahlreicher Agrarinspektoren, die gegen üppiges Schmiergeld Kontrollen unterließen und ungenießbare Fleischprodukte durchwinkten.
Die EU und die USA, zwei der größten Importeure von brasilianischem Fleisch, forderten umgehend Details über den Skandal. Präsident Michel Temer, besorgt um einen der wichtigsten Exportsektoren in Zeiten einer schweren Wirtschaftskrise, beraumte sofort Treffen mit Botschaftern mehrerer Staaten und den zuständigen Ministerien an. Die brasilianischen „Kontrollinstanzen zählen zu den effizientesten und rigorosesten der Welt“, erklärte das Agrarministerium am Samstagabend. Es handele sich um „punktuelle Vorfälle“, und nur drei der untersuchten Betriebe seien geschlossen worden.
Nach Ansicht der Bundespolizei hat auch die Politik ihre Finger im Spiel. „Die Ermittlungen zeigen eindeutig, dass ein Teil des Bestechungsgeldes an politische Parteien ging“, erklärte Ermittlungsleiter Moscardi Grillo. Identifiziert wurden demnach bisher zwei Parteien der Regierungskoalition, unter ihnen auch die PMDB von Präsident Temer.
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