Konzertempfehlungen für Berlin: Ruhige Rhythmen, wilde Rhythmen

Von gesammelter Stille bis zur geballt-epxlosiven Rummskraft reicht das Spektrum diese Woche, einschließlich sonderbarer Töne auf einem Rittergut.

Nihiloxica kommen ins HKW Foto: Bandcamp

Das Schöne hat sich ja längst auch die Erwachsenenmusik zurückerobert. Im 20. Jahrhundert lagen die Dinge da noch etwas anders. Und dass diese veränderte Lage von heute eine gute Sache ist, kann man diesen Freitag im Jugendwiderstandsmuseum bestätigt bekommen, wo der Komponist und Gitarrist Hub Hildenbrand ein Konzert mit dem Duduk-Spieler Ustad Canberk Ulas gibt.

Hildenbrand, der an so unterschiedlichen Orten lernte wie dem Berklee College of Music in Boston, einer der Jazzschmieden schlechthin, am Konservatorium für Türkische Musik und in Kalkutta, wo er nordindische klassische Musik studierte, führt seine Erfahrungen in seinem Spiel zusammen zu einer eigenen Form von, tja, weltlich-sakraler Musik, wenn man das so nennen kann und um ein strapaziertes Wort wie „spirituell“ zu vermeiden.

Hildenbrand wird schon mal als „Mystiker“ bezeichnet, warum nicht? Sollte einen bloß nicht davon abhalten, sich sein Konzert mit Ustad Canberk Ulas anzuhören. Einen Eindruck, was von ihnen zu erwarten ist, vermittelt ihr Album „While Gods Lay in Slumber“, das im vergangenen Herbst erschien (Jugendwiderstandsmuseum, Rigaer Str. 9/10, 19. 7., 19.30 Uhr, Tickets an der Abendkasse).

In mancher Hinsicht weiter raus geht es von Freitag bis Sonntag dann, örtlich und musikalisch, mit dem NNOI Festvial rund um das Gut Zernikow in Großwolterdorf. Veranstaltet vom Künstler Robert Schalinski, seines Zeichens einer der Gründer des Kollektivs Column One, bietet NNOI unter anderem 12,756-Tonmusik, mit Zwölftonmusik allein kann heute ja anscheinend keinen mehr beeindrucken, aber auch „obskure Lehren“ und „∆rgan of the_world ventriloquist´s lodge“, muss man dann im Zweifel selbst herausfinden, was es damit auf sich hat.

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Zu den vertretenen Künstlern gehören unter anderem der Industrial-Veteran Christoph Heemann, der in den Achtzigern zunächst mit der Band Hirsche nicht aufs Sofa mit Collagenmusik in Erscheinung trat und seitdem mit den verschiedensten abenteuerlustigen Kollegen gearbeitet hat.

Auch der Meister des brütenden Ambient, Marc Richter alias Black to Comm, wird erwartet, und die stets für elektrische Magie sorgende Keyboarderin Liz Kozack. Es ist Sommer, also raus aufs Land! Idylle mal anders (Gut Zernikow, Großwolterdorf, 19.-21. 7., Programm und Informationen gibt es hier). In Berlin kann man derweil zumindest ähnlich offene Erfahrungen auf dem Dach des Hauses der Kulturen der Welt machen, wo das Sonic Pluriverse Festival weiter seine Frequenzen in den Kosmos sendet.

Am Sonntag macht dort das Projekt Nihiloxica aus Uganda Station. Nihiloxica verbinden traditionelle Trommeltechniken mit heutigen Produktionstechniken zu einer polyrhythmischen Clubmusik, deren Energie-Rumms Kopf wie Körper freizuspülen bestens geeignet ist. Muss man am eigenen Leib erfahren. Vorab gibt sich das Duo Aïta Mon Amour die Ehre, bestehend aus der Rapperin Widad Mjama und dem Produzenten Khalil Epi (HKW, 21. 7., 19 Uhr, Tickts für 20/16 Euro gibt es hier).

Ein hochkarätig besetzter Abend steht zudem am Mittwoch im 90mil an, wo das Projekt Hic Up sein Debütalbum präsentiert. Die Musiker, Marina Cyrino an den Flöten, Tony Elieh am Bass, Turntablist JD Zazie und Gitarrist Matthias Koole, vollführen dabei klangkundlerische Kollektivbewegungen mit Störgeräuschen, freier Improvisation und einem Windstoß Tropen.

Ebenfalls aufspielen werden der Elektroniker Kaffe Matthews und der Keyboarder und Gitarrist Maurice Louca, einer der innovativsten ägyptischen Musiker zur Zeit (90mil, Holzmarktstrasse 19-2, 24. 7., 20 Uhr).

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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