Kontroverse um Surfpark in Stade: Großer Spaß oder großer Mist?
In Stade soll mitten auf dem Acker ein Surfpark entstehen. Die Initiatoren versprechen Nachhaltigkeit, aber Umweltschützer*innen protestieren.
Wenn es nach Jan und Dirk Podbielski geht, könnte dort nun bald eine 20.000 Quadratmeter große Wasserfläche die Landschaft schmücken. In den Projektpräsentationen sieht sie aus wie ein riesiges blaues Tortenstück. Versehen mit einer Wellenmaschine des spanischen Herstellers Wavegarden, die auf Knopfdruck die perfekten Wellen für Surfer erzeugt – von anfängertauglichen 0,5 bis wettkampftauglichen zwei Metern Höhe.
Rundherum sollen eine Surfschule und ein Surfshop entstehen, ein Abenteuerspielplatz und weitere Sportflächen für Beachvolleyball, Klettern, Skaten oder sonstiges, ein Hauptgebäude mit sanitären Anlagen, Kursräumen, Gastronomie, die auch für Events vermietet werden soll, später sogar Übernachtungsmöglichkeiten in kleinen Hütten oder im eigenen Camper.
Die Podbielskis kennen sich mit Großprojekten aus: Der eine ist Physiker und war bisher mit der Planung von Offshore-Windparks beschäftigt, der andere ist Betriebswirt. Von Anfang an haben sie betont, wie grün und nachhaltig alles sein soll.
Und Politik und Stadtverwaltung zeigten sich zunächst entzückt. Stade könnte diese touristische Attraktion gut gebrauchen, hieß es in den ersten Stellungnahmen. Die Stadt würde gern versuchen, in der Nachbarschaft des Projekts einen Gewerbepark zu entwickeln, vielleicht mit einer ähnliche Stoßrichtung, Nachhaltigkeit, Freizeit- und Sportsektor.
Fridays for Future gehören zu den ersten Kritikern
Noch die erste Öffentlichkeitsbeteiligung zur Änderung des Flächennutzungsplanes ging ziemlich glatt durch, es gab kaum Einwände. Doch dann wachten die ersten Kritiker auf. Die örtlichen „Fridays for Future“ merkten an, dass dieses Projekt doch wohl überhaupt nicht mehr in die Zeit passe – vor allem, da die Stadt sich doch verpflichtet habe, CO2-Ausstoss und Flächenverbrauch zu reduzieren.
Die Linken in Stade begannen, das Geschäftsmodell infrage zu stellen: Woher sollen eigentlich diese 200.000 Surfer kommen, die die Macher anpeilen, mit welchen Verkehrsmitteln reisen die an und was sind das für Leute? Immerhin kostet eine Stunde in vergleichbaren Anlagen rund 60 Euro – Gebühren für einen Kurs oder das Equipment kommen noch dazu. Wenn man also ohnehin so viel Geld ausgibt, fährt man dann nicht lieber gleich an die nahe oder auch ferne Küste zum Surfen?
Das war ja eines der Öko-Argumente der Planer: Dass man Fernreisen vermeidet, wenn Surfer sich auch vor der Haustür tummeln können – und das mit Wellengarantie. Allerdings gibt es in ganz Europa aktuell so einige Projekte, die darauf setzen, auch in Deutschland. Von stehenden Wellen auf Flüssen bis zu Indoor- und Outdoor-Surfanlagen reicht das Spektrum und es werden immer mehr. Am Ende ist die Frage, ob sie sich gegenseitig die Surfer abgraben.
Mit Bernd Hohendorff hat sich ein örtlicher Mediziner des Themas angenommen und viele Kritiker in einer wachsenden Bürgerinitiative versammelt. Dabei sind Landwirte und Umweltschützer, Lokalpolitiker und Bürger. In ihren Augen gibt es eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitsversprechen, hinter die man eigentlich ein Fragezeichen setzen müsste.
Wie wollen die Betreiber denn eigentlich die 100 Prozent regenerativen Energien erzeugen, mit denen die Anlage betrieben werden soll? Wie hoch ist der Energieverbrauch tatsächlich? Wie viel Grundwasser und Trinkwasser wird verbraucht, um das „Riesenplanschbecken“ mitten auf dem Acker zu befüllen und das verdunstende Wasser zu ersetzen? Wie wird das Gelände verkehrsmäßig und versorgungstechnisch erschlossen und wer zahlt das?
Projektgründer Jan Podbielski glaubt, dass sie für alle diese Fragen gute Antworten finden werden. „Wir haben das ganz klar zur Planungsgrundlage gemacht. Wir wollen den Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken und einen geschlossenen Wasserkreislauf, der dafür sorgt, dass nicht ständig neu befüllt werden muss.“
Verdunstetes Wasser soll durch Regenwasser ersetzt werden. Vieles lasse sich jetzt aber noch nicht so genau beziffern, weil die Planung im Laufe des Prozesses ja auch laufend angepasst werden müsste. „Wir sind ja jetzt erst bei der Bauleitplanung, da ist vieles von den Kritikpunkten noch gar kein Thema. Bauantrag und Baugenehmigung kommen erst danach“, sagt Podbielski. Dann könnte es aber zu spät sein, fürchten die Kritiker und wollen sich auf die von Surfgarten gelieferten Zahlen auch nicht gern verlassen.
Sinnvolles Gewerbe oder Schnickschnack?
Aber die Stadt plane für diesen Gewerbepark doch schon eine ganze Reihe von Auflagen wie begrünte Dächer oder Fassaden und verpflichtende Photovoltaikanlagen, argumentiert Podbielski.
Und die Planung des Surfgartens gehe noch einmal über diese Vorgaben hinaus. „Natürlich wird es ein gewisses Maß an Flächenversiegelung geben und natürlich verbrauchen wir – wie jedes andere Gewerbe auch – Ressourcen und Energie. Aber doch in einem ganz anderen Ausmaß als ein Produktionsbetrieb.“
Letztlich hängt also vieles daran, was man als Alternative ansieht: Eine Ackerfläche oder einen konventionellen Produktionsbetrieb, wie er ursprünglich vorgesehen war. Und daran, ob man das Projekt für ein vielversprechendes Gewerbe hält oder für überflüssigen Schnickschnack für ein paar Privilegierte. So zeichnet sich jedenfalls auch der Konflikt in den Leserbriefen ab, die das Stader Tageblatt seit Monaten abdruckt.
Von Ende November bis zum 7. Januar lief nun die zweite öffentliche Auslegung. „Wir haben 300 Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit erhalten, davon sind 80 Prozent positiv und 20 Prozent kritisch“, sagt der Leiter des städtischen Planungsamtes, Jens Bossen.
Die werden nun gemeinsam mit dem Planungsbüro geprüft und beantwortet und dann dem Rat zur Entscheidung vorgelegt. Die Verwaltung würde dies gern noch vor Ostern tun. Angesichts der Vielzahl der Einwände ist aber nicht sicher, ob sich dieser Zeitplan halten lässt.
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