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Kontroverse in NiedersachsenMilchbauern wollen AfD Bühne bieten

Auf einer Veranstaltung der deutschen Milchviehhalter soll ein Vertreter der rechtsradikalen Partei sprechen. Und das als einziger Politiker.

Rechter am Rednerpult – muht da wirklich keine Kuh nach? Foto: Axel Heimken

Berlin taz | Bei einem Treffen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter soll ein Vertreter der rechtsradikalen Partei sprechen. Das Landesteam Niedersachsen der Milchbauernorganisation hat eingeladen zu einer Mitgliederversammlung, bei der als einziger Politiker Alfred Dannenberg, Landtagsabgeordneter der rechtsradikalen Partei, eine Rede halten soll.

Die Einladung an die Verbandsmitglieder in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern liegt der taz vor. Demnach wird Dannenberg bei dem vom Kreisteam Lüneburg organisierten Treffen am 23. November zum Thema „Die Landwirtschaft zwischen Abwicklung und Aufbruch“ sprechen und damit für seine Partei werben dürfen.

Der BDM ist bekannt geworden durch seinen „Milchstreik“ im Jahr 2008, als viele Bauern aus Protest gegen niedrige Preise die Molkereien nicht mehr belieferten. Die Organisation ist mit nach eigenen Angaben rund 12.000 Mitgliedern die größte Konkurrenz für den Deutschen Bauernverband. Der Bundesvorstand kooperiert auch mit Umweltschutzorganisationen oder der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Deren Landeschef in Niedersachsen, Ottmar Ilchmann, war ebenfalls Mitglied im BDM – bis auch er die Einladung zu der Veranstaltung mit dem AfD-Politiker bekam. „Ich bin jetzt ausgetreten aus dem BDM“, sagte Ilchmann der taz. „Die AfD ist fremdenfeindlich, ausländerfeindlich, klimawandelleugnend. Das ist für mich indiskutabel.“

Intern wird gestritten

Deshalb sei es auch keine gute Rechtfertigung, dass vor Jahren auch eine Grüne zu dem Treffen eingeladen gewesen sei. „Solche Veranstaltungen tragen dazu bei, die AfD und auch andere rechte Gruppierung gesellschaftsfähig zu machen, die Grenzen des Denk- und Sagbaren immer weiter rauszuschieben“, so der Milchbauer.

„Davon habe ich bislang nichts gemerkt, dass das eine ausländer- und fremdenfeindliche Partei sei. Wenn man die Wahrheit sagt, ist man fremdenfeindlich“, sagte Ottfried Wolter, Organisator des Treffens, der taz. Dabei gibt es zahlreiche gegenteilige Äußerungen von Politikern der Partei. Alice Weidel, Chefin der AfD-Fraktion im Bundestag, etwa schimpfte im Parlament 2018 über „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“.

Der BDM-Landesvorsitzende in Niedersachsen, Peter Habbena, stellte die Einladung auf taz-Anfrage als Fehler dar. „Wir meinten, den Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, da kritische Frage zu stellen“, zum Beispiel zu „dem Klimalüge-Gerede“ von Dannenberg. „Das ist total in die Hose gegangen“, so Habbena. „Wir sehen uns jetzt in der Situation, dass wir der AfD eine Plattform bieten“, obwohl sie die Partei sehr kritisch sähen. Zudem: „Ich werde viele gute Mitglieder verlieren.“ Deshalb werde das Landesteam über das weitere Vorgehen beraten.

BDM-Bundesvorstand distanziert sich

Hans Foldenauer, Sprecher des BDM-Bundesvorstands, distanzierte sich von der Einladung: „Das ist ohne Abstimmung mit dem Bundes-BDM passiert.“ Man werde darüber diskutieren, ob Veranstaltungen künftig vom Bundesvorstand genehmigt werden müssen. Er sei besorgt, dass solche AfD-Kontakte den Zugang zu anderen Politikern verbauten.

Die Landwirte hätten auch nichts von der AfD zu erhoffen, die „industriefreundlich“ und „wirtschaftsliberal“ sei, während der BDM stärker auf „marktwirtschaftliche Rahmensetzung durch die Politik“ setze, um höhere Milchpreise für die Bauern zu erreichen, sagte Ilchmann. Und: Gerade die Bauern seien vom Klimawandel betroffen.

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12 Kommentare

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  • Naja, Tierausbeuter, die soziale, sensible Lebewesen ein Leben voller Leid bescheren und dann ermorden lassen, mit den Lustmördern in Lodengrün/Camouflage paktieren oder selbst dazu gehören und komplette Arten, wie z.B. den Wolf ausrotten wollen, weil er die Tiere zum Überleben tötet, die sonst die Bauern töten würden, um sich ihren Mercedes Diesel zu finanzieren, sind mit den geistigen Vätern der AfD ja systematisch auf einer Linie. Wen wundert da also die Einladung? Schließlich waren auch Sie es, die sich vehement gegen das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur eingesetzt haben und dazu alle Lobbyisten in den Unionsparteien und AFDP zur Abstimmung dagegen bewegt haben, mit welchen Mitteln auch immer.

  • Da scheint ja nur der Organisator Ottfried Wolter auf beiden Augen blind zu sein. Die anderen haben ja ganz vernünftige Ansichten und sich offensichtlich kritisch mit der AgD auseinander gesetzt.

  • Leute !



    "Der Landwirt" war schon immer zwischen €DU/CSU und rechtem Rand verortet. Auch im Bio Bereich gibts genügend von der Duftnote.



    Also gehört ein AFD Redner einfach zur folgerichtigen Dekoration einer solchen Veranstaltung.



    Die paar "alternativ" Bauernden haben zwar öfters mediale Präsenz, aber fallen nicht ins Gewicht.

    Die Agrarindustriellen, das eigentliche Umweltproblem, sehen in Unterstützung der rechten Bauernfänger nun eine Hoffnung, um allfällige Reformen pro-Erdball herumzukommen.



    Es wird so werden wie bei der Migration - die rechte gibt die Themen vor, die Konservativen (also eigentlich alle) übernehmen sie aus Angst beim Wähler abgestraft zu werden.

    Und im übrigen:



    Warum nicht einfach mal Milchprodukte boykottieren ?

    • @frank:

      was ist schlecht an rohmilch vom kleinbauer, der sein vieh gut hält, sprich weidegang? warum kaufen verbraucher bei der agroindustrie? die sollte man boykottieren, nicht die milch.

      • @Daniela Vyas:

        Weidemilch ist sicherlich die Babynahrung einer anderen, für den Menschen nicht gedachten Spezies, die etwas weniger Leid erzeugt, dennoch werden auch hier die Kühe zwangsbesamt (=vergewaltigt), nach einem Drittel ihrer Lebenszeit, die aus Dauerschwangerschaft ab Pubertät besteht, wegen nachlassender Profitabilität als Undank zum Mord im Schlachthof verfrachtet und die Kälber als Abfallprodukt der Dauerschwangerschaft oft für weniger als den Preis einer Schachtel Zigaretten, an die Mäster verramscht. Schon mal die Kälber in den Kälbersilos gesehen und Kalb und Mutter nacheinander rufen hören, weil sie am ersten Tag voneinander getrennt wurden?

  • Wundert mich nicht, dass die afd dort auftreten möchte. Schließlich geht's da um Rindviecher.

  • „Wir meinten, den Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, da kritische Frage zu stellen“, zum Beispiel zu „dem Klimalüge-Gerede“

    Sprach's, stiess mit seinen Kumpels an und fühlte sich bauernschlau.



    Was lernen wir? Die Opposition zum stockkonservativen Bauernverband steht auch stramm rechts. War früher schon so. In S-H hatte zu meiner Jugendzeit die NPD ihre Hochburgen auf dem Land. Und es gab dort lustige Jugendverbände wie die Wiking Jugend.



    Hoffe aufrichtige BDMler hauen auf den Tisch!

  • Hoffen wir mal, dass es ein Versehen war und nicht den Geist der Mitglieder widerspiegelt.



    Es ist erfreulich, dass der Vorsitzende der AbL ausgetreten ist.



    Wir sind ja nicht Jahr im Jahr ins Wendland gekommen um die dortigen Bauern gegen Atommüll zu unterstützen und jetzt werden Nazis hoffiert.



    Das schadet dem für mich positiven Bild des Landstriches.



    Man oder Frau kann Jemanden auch wieder ausladen...

  • Langsam aber sicher wird das hübsche deutsche Ländle von den Feinden der Demokratie und Freiheit unterwandert und zersetzt.



    Einfach nur noch widerwärtig!

  • Leider zeichnet sich auch in Deutschland immer mehr ab, dass es deutliche Mehrheiten in der Mitte-Rechts und Rechts gibt. Die Menschen in Deutschland scheinen das zu wollen. Abschottung und möglichst auf Kosten der Anderen den billigen Wohlstand erhalten.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Naja, nur die Allerwenigsten sind Heilige. Vor die Wahl gestellt, entweder alle bitterarm zu machen oder auf Kosten von anderen den eigenen Wohlstand zu erhalten, werden ganz erstaunlich viele für die zweite Option stimmen.

      Leider muss man auch sagen, dass rationales Eintreten für die eigenen Interessen gerade in einer Demokratie eigentlich völlig vernünftig ist, manche allein das aber schon für rechts halten. Wenn man das so macht, wird man sich nicht wundern dürfen, wenn auf der "eigenen" Seite kaum noch jemand übrig bleibt. Die Linke bekommt das ja gerade an den Wahlergebnissen sehr nachdrücklich vorgeführt.

      • @Mustardman:

        Bitterarm? Das gibt es in D, leider viel zu viel. Doch ein wenig zurückstecken, das macht noch lange nicht bitterarm. Es muss nicht sein, drei mal im Jahr zum Suff nach Malle zu fliegen, es muss nicht sein, einen extrem überteuerten SUV-Spritfresser zu fahren, es muss auch nicht sein, sich JEDEN Tag die Wampe mit billigem Industriefleisch vollzustoipfen. Ja, es ist völlig richtig und legitim für die eigenen Interessen einzutreten - doch die sind nicht das Maß aller Dinge. Das Motto - von Platon formuliert: "Alles in Maßen!" sollte viel mehr Beachtung finden. Die Rechten und andere Extremisten wollen das freilich nicht sehen.