Kontrollen an der Grenze zu Dänemark: Ein bisschen weniger
Die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze verstoßen gegen das Schengener Abkommen. Nun will Dänemark die Kontrollen versuchsweise lockern.
![Polizisten kontrollieren am deutsch-dänischen Grenzübergang in Richtung Norden fahrende Fahrzeuge. Polizisten kontrollieren am deutsch-dänischen Grenzübergang in Richtung Norden fahrende Fahrzeuge.](https://taz.de/picture/6261457/14/N2-4spalt-1.jpeg)
Ab dem 12. Mai soll das strenge Grenzregime aber etwas gelockert werden, teilte das dänische Justizministerium im April mit. Profitieren werden Pendler*innen und Urlauber*innen. Aber die Kontrollpunkte blieben besetzt, und die Polizei werde im Hinterland der Grenzen verstärkt prüfen, kündigt die dänische Regierung an.
„Einen Etappensieg“ nennt Stefan Seidler, Angehöriger der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein und Bundestagsabgeordneter der Minderheitenpartei SSW, die Pläne der Regierung in Kopenhagen. „Wir vom SSW haben uns seit Jahren auf allen politischen Ebenen dafür eingesetzt, dass die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze abgeschafft oder zumindest für die Grenzpendlerinnen und Grenzpendler erträglich gestaltet werden.
Ich freue mich, dass unsere Arbeit Früchte trägt“, schreibt der Politiker auf Twitter. Trotz der Freude darüber „bleibt abzuwarten, wie die neuen Pläne in der Praxis ausgestaltet werden“.
Mehr Kontrollen im Hinterland
Laut einer Pressemitteilung des Ministeriums will die Polizei die Kontrollen an der Grenze nach Schweden ganz aussetzen und an der deutsch-dänischen Staatenlinie weniger Einreisende direkt an den Übergängen kontrollieren. Die so frei werdenden Kräfte sollen dafür mehr im Hinterland unterwegs sein, heißt es im Nordschleswiger, der Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark.
Die Polizei könnte demnach also auch weit hinter der Grenze Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen stoppen und auf der Grundlage „professioneller polizeilicher Einschätzungen“ Pässe und Kofferräume kontrollieren. Genauere Kriterien für die polizeilichen Einschätzungen wurden nicht genannt.
Der sozialdemokratische dänische Justizminister Peter Hummelgard begründet die Verlängerung der Kontrollen dieses Mal mit dem Krieg in der Ukraine: Es gelte, „den Bedrohungen zu begegnen, denen Dänemark ausgesetzt ist“. An den Grenzübergängen sollen für die „smarte“ Überwachung auch Drohnen und Nummernschildscanner eingesetzt werden.
Die neuen Regeln erleichtern den Alltag der Menschen, die mit regionalen Autokennzeichen täglich zwischen Orten wie Flensburg und Apenrade pendeln. Denn sie werden vermutlich kaum mehr angehalten werden. „Endlich fällt eine Barriere weg. Das ist so wichtig für das Grenzland und das Leben miteinander“, sagt Ruth Candussi, Parteisekretärin der Schleswigschen Partei (SP), der Vertretung der deutschen Minderheit in Dänemark. Das Ziel sei aber weiterhin, dass die Kontrollen gänzlich abgeschafft werden, betont sie.
Normalität ist nicht in Sicht
Keinen Grund zum Jubeln sieht der Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne). Ja, die dänische Regierung habe sich zwar bewegt, aber „klar ist auch, dass die Kontrollen nun wieder für weitere sechs Monate verlängert werden“, sagt er auf taz-Anfrage.
Andresen hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Autorinnen der dänischen Regierung vorwarfen, sie würden nach dem „Gießkannenprinzip“ Gründe für die Kontrollen vorbringen. Die federführend an dem Gutachten beteiligte Völkerrechtlerin der Europa-Universität Flensburg, Anna Katharina Mangold, kritisierte, es gehe offenbar nach dem Motto: „Einen Grund unter den vielen werden Kommission und andere Mitgliedstaaten schon akzeptieren.“ Es entstehe der Eindruck, die genannten Gefahren seien lediglich vorgeschoben.
Das Gutachten und die Proteste zahlreicher anderer Stellen hätten geholfen, Druck auf die dänische Regierung aufzubauen, glaubt Andresen: „Selbst die dänische Polizei hatte zuletzt Zweifel an der Wirksamkeit der Kontrollen geäußert und ein Umlenken der dänischen Regierung gefordert.“
Dennoch steht nicht einmal fest, dass die jetzigen Erleichterungen dauerhaft bleiben. Die Regierung will das Verfahren zunächst für sechs Monate, bis Mitte November, testen. Von einer Rückkehr zum eigentlichen Normalfall der offenen Grenzen ist keine Rede.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören