Kontrolle der Medienlandschaft in Israel: Kommunikationsminister Netanjahu
Schritt für Schritt baut Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die Medienlandschaft um. Jetzt knöpft er sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor.
Netanjahu sorgt, wenn nötig, eigenhändig dafür, seine Kritiker verstummen zu lassen. Dan Margalit, einer der bekannteren Namen unter Israels Politjournalisten, kommentierte bis vor Kurzem täglich in Israel Hajom. Nun publiziert er fast nur noch auf Facebook. Der stets linientreue Margalit beging den Fehler, Netanjahus Kampf gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzugreifen.
Netanjahu will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beerdigen, noch bevor er auf Sendung geht. „Das Thema Printmedien habe ich erledigt“, zitiert die liberale Tageszeitung Ha’aretz Netanjahu, „jetzt ist es Zeit, das Fernsehen zu verändern.“
Regierungschef und Kommunikationsminister
Bereits vor zwei Jahren entschieden die Knesset-Abgeordneten für die Sanierung der alten Sendeanstalt Israeli Broadcasting Authority (IBA), die mit zu viel Personal zu teuer ist und außerdem chronisch an sinkenden Einschaltquoten leidet – eine überfällige Entscheidung. Der öffentlich-rechtliche Sender sollte in neuen Räumen, mit neuen Führungsköpfen, neuer Finanzierung und weniger Personal ein von der Regierung unabhängigeres Programm machen, das den Zuschauer nichts mehr kostet.
Eigentlich hätte es schon im letzten März losgehen sollen, aber Netanjahu, der die Reform anfangs befürwortete, verzögert die Umsetzung und würde das Projekt am liebsten komplett einstampfen. Der Regierungschef, der gleichzeitig das Amt des Kommunikationsministers besetzt, fürchtet sich vor der unabhängigen Rundfunkanstalt, oder wie Kulturministerin Miri Regev unverhüllt formulierte: „Was nützt uns dieser Sender, wenn wir ihn nicht kontrollieren können?“
Das Volk ist zufrieden mit der Aussicht, nicht mehr bezahlen zu müssen. Die Gebühren liegen mit 70 Euro jährlich zwar nicht hoch, trotzdem gibt es oft Unmut darüber, keinen angemessenen Gegenwert für das Geld zu bekommen. Die beiden privaten Sender Channel 10 und Channel 2 können längst mithalten mit den Nachrichten- und Politiksendungen des staatlichen Rundfunks, dem sie die populärsten Journalisten abwarben. Die spannendsten Streitgespräche laufen auf den kommerziellen Kanälen, und auch bei den Unterhaltungssendungen liegen die Privaten oft vorn.
Zum alten IBA-Modell zurückzukehren würde den Steuerzahler noch mehr Geld kosten, denn die Reform sollte durch den Verkauf der alten Sendehäuser in Tel Aviv und Jerusalem mitfinanziert werden, beide zentral und in sehr teuren Bezirken gelegen. Schon sind neue Büros angemietet, und einige Hundert neue Mitarbeiter stehen unter Vertrag.
Netanjahu will Israel Hajom als TV
Was Netanjahu grämt, ist, dass künftig nicht Politiker über die Ernennung des Generaldirektors und des Vorstands entscheiden würden, sondern ein neunköpfiger professioneller Aufsichtsrat. „Was ist, wenn in der neuen Körperschaft nur Leute von ‚Breaking the Silence‘ sind?“, fragte er im Verlauf eines Treffens mit IBA-Mitarbeitern. „Breaking the Silence“ ist eine Initiative von Armeereservisten, die gegen Israels Besatzung des Westjordanlandes kämpfen und für Netanjahus Kabinett Paradebeispiel für linke Regierungskritiker sind.
Was Netanjahu vorschwebt, ist eine Art Israel-Hajom-Kanal und die Spaltung des Senders Channel 2. Schon werden Gerüchte laut aus dem Umfeld des Regierungschefs, dass Milliardär Sheldon Adelson, der auch Eigentümer des Onlineportals NRG ist, Ambitionen treiben, künftig Fernsehen zu machen. Einzig der Wunsch, Adelson den Einstieg in den TV-Markt zu erleichtern, so wittern Kritiker, motiviere Netanjahu dazu, Channel 2 aufzuteilen. Derzeit wird das Programm von den beiden Konzessionsinhabern Reshet und Keshet gestaltet. Netanjahu selbst begründet, er wolle „mehr Wettbewerb“ fördern.
„Erst zielt er auf Channel 2, dann wird er Channel 10 plattmachen“, schimpft Avi Weiss, Nachrichtenchef von Channel 2. „Wenn ihm Wettbewerb so wichtig ist, warum zerstört er dann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?“ All das Gerede von Pluralismus und Programmvielfalt ziele nur darauf ab, seine wahren Motive zu verschleiern, nämlich noch mehr Kontrolle über die Medien zu gewinnen.
Affäre Dajan
Sollte das Prinzip „Teile und herrsche“ funktionieren, müsste Netanjahu künftig nicht mehr selbst zur Feder greifen, wenn ihn Kritik von links trifft. Aktuell ist Ilana Dajan, Anchorwoman und legendäre Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins „Uvda“ von Channel 2, Netanjahus linke Erzfeindin. Ohne großartig neue Rechercheerkenntnisse listete Dajan Anfang November einmal mehr die Sünden seiner Ehefrau Sara Netanjahu auf und bastelte mit musikalischer Untermalung einen dramatischen Fernsehbericht.
Frau Netanjahu ist bekannt für ihr aufbrausendes Temperament, ihre Kontrollgelüste, ihre Gier und ist beliebtes Opfer der Boulevardpresse. Ob Dajan einzig der Wunsch zur Information motivierte, ist fraglich. Sara Netanjahu ist immer gut für hohe Einschaltquoten.
„Der Staat versagt, deshalb müssen wir Bürger für diese Menschen sorgen“, sagt Cédric Herrou. Der Landwirt aus Frankreich wurde als Schleuser angeklagt, weil er Flüchtlinge aus Italien in seinem Lieferwagen mitnahm. Auch Andere aus seinem Dorf packen an. Die Geschichte einer kleinen Insel in einem der rechtesten Flecken des Landes lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. November 2016. Außerdem: Trump-Biograf David Cay Johnston über das verkorkste Seelenleben des nächsten US-Präsidenten. Und: Was die Intimfrisuren der Copacabana mit Adolf Hitler zu tun haben. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Tatsache ist, dass Dajan in ihrem Bericht die Mitarbeiter aus dem engsten Umfeld der Netanjahus das Bild einer obsessiven und viel zu mächtigen First Lady malen ließ, die geheimen Sitzungen mit dem Mossad-Chef beiwohnt und Regierungsbeamte für private Rechtsstreitigkeiten mobilisiert.
Medien nur „teilweise frei“
Ehemann Benjamin tobte. „Es wäre interessant, zu sehen, ob Ilana Dajan, die sich selbst als Ritterin der freien Meinungsäußerung porträtiert, unsere Reaktion unzensiert veröffentlichen wird“, schrieb Netanjahu und provozierte genau das. Sechs Minuten lang las Dajan in ihrer Sendung die Mitteilung Netanjahus, der ihre „professionelle Integrität“ anzweifelt, sie als „extrem links“ beschimpft und gleichzeitig einen Rundumschlag gegen weitere Feinde aus der schreibenden Zunft unternimmt.
Die liberale Tageszeitung Ha’aretz, die für Dajan erklärtermaßen „Quelle des Trostes und geistiger Vernunft“ ist, empfindet Netanjahus als ein „extrem“ linkes Blatt. Tatsächlich genießt die Ha’aretz mit ihrer englischen Ausgabe, die auch online zu lesen ist, weltweit großes Ansehen. Seit 2006 ist die Dumont Mediengruppe beteiligt und hält derzeit einen Anteil von 20 Prozent. In einer früheren Mitteilung erinnerte der Regierungschef daran, dass die „Dumont Schauberg Mediengruppe während des Zweiten Weltkrieges Nazipropaganda verbreitete“.
Zum ersten Mal kategorisierte das Freedom House, eine US-amerikanische Gruppe, die den Zustand der Demokratien weltweit prüft, Israels Journalismus als nur noch „teilweise frei“. Als Grund der Herabstufung nannte die Gruppe auch die Tageszeitung Israel Hajom und die Tatsache, dass der Regierungschef gleichzeitig als Kommunikationsminister fungiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ministerpräsident in Thüringen gewählt
Mario Voigt schafft es im ersten Versuch
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“