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Konstantin von Notz über das AfD-Verbot„Es kann schnell zu spät sein“

Der grüne Innenpolitiker von Notz drängt auf eine rasche Prüfung des AfD-Verbots und kritisiert den Innenminister: Dobrindt gehe zu lässig mit AfD-Beamten um.

Wie lange noch? Der extrem rechte Abgeordnete Maximilian Krah, AfD, bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags, 2025 Foto: Emmanuele Contini/IMAGO
Gareth Joswig
Interview von Gareth Joswig

taz: Herr von Notz, Sie waren beim AfD-Verbot bislang eher skeptisch, hat sich daran mit der zeitweisen Hochstufung der Partei als gesichert rechtsextrem etwas geändert?

Konstantin von Notz: Ich bin nicht skeptisch beim AfD-Verbot, sondern versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass es rechtssicher aufgesetzt wird. Die Hochstufung, die ja gerade juristisch überprüft wird, ist ein zusätzliches Argument dafür, dass das Verbot nun umso ernsthafter geprüft werden muss. Die damit zusammenhängenden Fragen müssen jetzt zeitnah geklärt werden – alle Behörden des Bundes und der Länder müssen nun ihre Informationen zusammentragen, um schnell darüber zu entscheiden.

taz: Haben die Behörden mit dem Verfassungsschutzgutachten das nicht gerade getan und müsste die Konsequenz nicht der Verbotsantrag sein?

Von Notz: Haben Sie das Gutachten schon gelesen?

taz: Nein, nur die kursierenden Auszüge.

Von Notz: Ich auch nicht. Deswegen kann ich Ihnen bislang nicht sagen, was drinsteht. Ich bin im Bundestag im parlamentarischen Kontrollgremium für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig. Wir übernehmen nicht unbesehen deren Berichte. Wir haben den Anspruch, uns die behördlichen Einschätzungen mit Verstand anzugucken und zu sehen, ob sie tragen, solide und vollständig sind. Ohne das Gutachten zu kennen, kann ich nicht seriös beurteilen, ob die erfolgte Hochstufung auch Grundlage für ein Verbotsverfahren sein kann. Die Kriterien für die Hochstufung allein reichen nicht aus, für ein Verbot braucht es zusätzliche Aspekte, die zügig zusammengetragen und geprüft werden müssen.

Im Interview: Konstantin von Notz

Konstantin von Notz, 54, sitzt seit 2009 für die Grünen im Bundestag. Der Jurist ist seit März 2022 Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheim­dienste. Dieses kontrolliert die Nachrichtendienste des Bundes.

Was gibt es denn sonst noch zu bedenken?

Während die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch „nur“ Gewissheit über die Verfassungsfeindlichkeit voraussetzt, verlangt Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes für ein Parteiverbot, dass eine Partei nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Juristisch ist das eine nochmals höhere Hürde – unsere Gerichte stellen da zu Recht darauf ab, dass ein Parteiverbot natürlich ein nochmals deutlich stärkerer Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien ist und deshalb auch nochmals höhere Voraussetzungen haben muss als die Einstufung.

taz: Weite Teile der Öffentlichkeit fordern die Veröffentlichung des Gutachtens. Wie sehen Sie das?

Von Notz: Ich plädiere dafür, dass es eine Version zur Veröffentlichung vom Bundesinnenministerium gibt. Aber auch im Prozess mit der AfD wird das Gutachten der Partei voraussichtlich zur Kenntnis gegeben und unter größtmöglicher rechtsstaatlicher Transparenz darüber verhandelt. Gleichzeitig erwarte ich vom Innenministerium, dass es ein unter seiner Fachaufsicht entstandenes Gutachten über eine Partei, die im Deutschen Bundestag vertreten ist und in fast allen Parlamenten sitzt, auch begründet und wesentliche Argumente und Aspekte des Gutachtens veröffentlicht.

taz: Ist die von der AfD im Eilverfahren eingeklagte Stillhaltezusage des Verfassungsschutzes tatsächlich so ein großer Triumph, wie die AfD gerade behauptet?

Von Notz: Nein, überhaupt nicht. In einem Rechtsstaat hat die AfD selbstverständlich die Möglichkeit, sich juristisch, auch in einem Eilverfahren, zu wehren. In einem solchen Eilverfahren ist es völlig normal, dass Behörden Stillhaltezusagen abgeben, bis sich das Gericht in der Sache mit der streitigen Frage beschäftigen konnte. Das ist eine prozessuale Selbstverständlichkeit und bedeutet in keiner Weise, dass der Verfassungsschutz seine Auffassung ändert. Übrigens hat die AfD vergleichbare Eilverfahren in der Vergangenheit ausnahmslos verloren.

taz: Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen reden bei der AfD angesichts ihrer anhaltenden Radikalisierung schon lange von einer mittlerweile extrem rechten Partei. Die Belege dafür sind zahlreich bekannt. Warum braucht man dafür überhaupt die Expertise eines Verfassungsschutzes, der als Frühwarnsystem eher hinterherhinkt?

Von Notz: Das BfV-Gutachten kann nur ein Aspekt sein. Wir müssen nun auch aus parlamentarischer Perspektive gucken, ob es andere Aspekte gibt, die vom Nachrichtendienst nicht berücksichtigt worden sind. Ebenso ist der sehr unterschiedliche Umgang der Landesämter für Verfassungsschutz mit der AfD erklärungsbedürftig: Warum stuft er eigentlich die Gesamtpartei als rechtsextrem ein, aber einzelne Landesverbände noch nicht? Das ist mindestens komisch. Völlig unabhängig davon sind ein erfolgreiches Parteiverbot und die erfolgreiche Hochstufung, wie gesagt, zwei unterschiedliche Paar Schuhe.

taz: Bei aller Zurückhaltung beim Parteiverbot: Ist es nicht besser, wenn ein Verbotsverfahren scheitert, als wenn die Demokratie scheitert?

Von Notz: Das kann man nicht so gegeneinander stellen: Wenn das Verfahren scheitert, kann es mindestens ebenso gut sein, dass die Demokratie scheitert. Aber natürlich gibt es beim Parteienverbot einen großen Zeitdruck. Man kann nicht ewig damit warten, die Frage nach dem Verbot muss jetzt geklärt werden. Aber auch, wenn es eine hochpolitische Frage ist: Die Entscheidung wird von der unabhängigen Justiz gefällt, dem zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, und zwar nach juristischen Kriterien. Wer man sich nicht ausreichend mit der juristischen Fragestellung auseinandersetzt, tut man der AfD einen Gefallen und läuft blindlings in ein Verfahren, das man nicht versteht. Damit geht man ein großes Risiko ein. Wenn das Verfahren scheitert, wird die AfD daraus ableiten, dass sie nicht verfassungswidrig oder gar „verfassungsrechtlich geprüft“ sei. Das hätte auch Implikationen – und zwar keine guten.

taz: Sie sagen, die Zeit drängt. Bis wann sollte diese Entscheidung stehen?

Von Notz: Die Sicherheitsbehörden, das Bundesinnenministerium und die Landesbehörden sind in der Verantwortung, in den nächsten Wochen zügig ihre Informationen zusammenzutragen und dann zu bewerten, damit die drei antragsberechtigten Verfassungsorgane – Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung – eine substantiierte Entscheidung treffen können. Das muss auch unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung mit der Hochstufung geschehen. Wir können nicht sagen: Wir warten erstmal jahrelang die Urteile ab und gucken dann. Man sieht ja in anderen Ländern: Es kann schnell zu spät sein. Wir müssen nun zügig und sorgfältig handeln.

taz: Also hat ihr Fraktionskollege Till Steffen, der einen neuen Verbotsantrag angekündigt hat, ihre Unterstützung?

Von Notz: Meine Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann hat öffentlich doch längst gesagt, dass wir an einem Antrag arbeiten. Wir haben ein großes Interesse daran, das mit den anderen demokratischen Fraktionen zusammen zu machen – und auch gemeinsam mit den Ländern und der Bundesregierung.

taz: Halten Sie die Streichung der Parteienförderung für sinnvoll, auch wenn die juristischen Hürden fast genauso hoch sind?

Von Notz: Ich persönlich finde es schwer erträglich, dass mit öffentlichen Mitteln eine gesichert extremistische Partei finanziert wird. Eine Partei, die eigentlich im Sinne unserer liberalen Demokratie arbeiten sollte, aber laut Verfassungsschutzes in die gegenteilige Richtung unterwegs ist. Daher ist es richtig, alle Sanktionsmöglichkeiten zu prüfen. Richtig ist aber auch: De facto sind die juristischen Hürden dieselben.

taz: Merz und weite Teile der CDU, aber auch Klingbeil und große Teile der SPD säen mit Blick auf das AfD-Verbot eher Zweifel und verweisen auf die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen.

Von Notz: Die beiden Optionen sind keine Alternativen: Wir brauchen einen Multiansatz in der Auseinandersetzung mit der AfD. Man muss sich auch inhaltlich weiter hart auseinandersetzen und klar benennen, wohin diese Partei will: Sie will eine autoritäre Gesellschaft, ist anti-liberal, anti-vielfältig und antidemokratisch. Ihre Alliierten sind Putin und andere Autokraten. Daneben braucht es die zügige Prüfung des Parteiverbots. Ebenso braucht es Schutz für jene Strukturen, die unsere Demokratie schützen und für sie arbeiten. Menschen, die sich im Ehrenamt für unsere Demokratie engagieren, müssen gestärkt und besser gegen Anfeindungen und Bedrohungen geschützt werden. Wir treten deswegen weiter vehement für ein Demokratiefördergesetz ein.

taz: Welche Konsequenzen hat die Neubewertung der AfD für den Bundestag?

Von Notz: Hier im Haus gibt es schon lange eine hohe Skepsis gegenüber der AfD. Die wurde durch die Hochstufung natürlich bestätigt. Bei der AfD handelt es sich, auch nach meiner Wertung, um eine rechtsextreme Partei. Was das für sicherheitsrelevante Ausschüsse und Zugang zu Dokumenten bedeutet, wird im Ältestenrat besprochen. Im Parlamentarischen Kontrollgremium gibt es aus gutem Grund eine zusätzliche Hürde durch die Wahl aus der Mitte des Deutschen Bundestags. Man muss eine Mehrheit auf sich vereinen – das ist nicht so ohne, wie wir nicht erst seit Friedrich Merz erstem Kanzlerwahlgang wissen. Das hat seine Berechtigung: Es geht in einigen Ausschüssen um sehr sensible Informationen.

taz: Aber wer sagt das jetzt dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, der noch vor der Hochstufung noch für eine Normalisierung der AfD im Bundestag warb?

Von Notz: Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit des Hauses durch die Hochstufung für das Thema sensibilisiert ist. Ich persönlich sehe das sehr kritisch – gerade in Zeiten, in der von außen Angriffe auf unsere Demokratie stattfinden, sehe ich ein stark erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Aber ich will da nicht vorweggreifen – es sind demokratische Entscheidungen.

taz: Sprechen wir über die Folgen der Hochstufung für AfD-Mitglieder: Viele in der Partei atmeten zuletzt erleichtert auf, als Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es werden keine pauschalen Konsequenzen für Beamte mit AfD-Parteibuch geben. Wie sehen Sie das?

Von Notz: Ich finde das, was man aus dem Beamtenbund und auch vom frisch gebackenen Innenminister Dobrindt mit einer völligen Nonchalance hört, ein bisschen zu lässig – es geht um Staatsbedienstete, die Mitglied einer offen rechtsextremistischen Partei sind. Natürlich braucht es für disziplinarrechtliche Maßnahmen noch zusätzliche Punkte. Aber es stellen sich doch eine Vielzahl von Fragen und ich verlange, dass die verantwortlichen Stellen der Kommunen, des Landes und des Bundes diese Fragen unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten sehr ernsthaft prüfen – und nicht nur mit den Schultern zucken.

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2 Kommentare

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  • Wenn ein grüner Innenpolitiker wie Konstantin von Notz ein AfD-Verbot fordert, ohne das zugrunde liegende Verfassungsschutzgutachten gelesen zu haben, wirft das Fragen auf. Wie kann man eine so weitreichende Entscheidung treffen, ohne alle Fakten zu kennen?

    Die AfD wurde vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Doch ein Parteiverbot erfordert mehr als nur eine solche Einstufung. Es bedarf konkreter Beweise, dass die Partei aktiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will. Solche Beweise müssen sorgfältig geprüft und rechtlich fundiert sein.

    Ein vorschnelles Verbot könnte als Versuch gewertet werden, politische Konkurrenz auszuschalten, anstatt sich inhaltlich mit ihr auseinanderzusetzen. In einer Demokratie sollten Meinungen, auch wenn sie unbequem sind, durch Debatten und Wahlen entschieden werden, nicht durch Verbote.

    Statt über ein Verbot zu diskutieren, sollten wir uns darauf konzentrieren, die Anliegen der Bürger ernst zu nehmen und politische Lösungen anzubieten, die überzeugen. Denn nur so kann das Vertrauen in die Demokratie gestärkt werden.

  • Fragt sich, wer da die größere Gefahr für demokratische Mitbestimmung ist?



    Die AfD, die eine deutliche weniger offene, auf nationalliberalen Werten aufgebaute Gesellschaft will



    oder



    der Herr von Notz, der die elitäre Parteienoligarchie um eine Konkurrenzpartei kürzen will?



    Bei ihrer nationalliberalen Grundausrichtung tun sich die Parteien der sogenannten demokratischen Mitte ja nicht viel: Sie wollen immer nur das Beste für die Nation, setzen dabei auf die Marktwirtschaft und Interessen des Kapitals, und sie sind bereit, ihre Version von Deutschland und Welt gegen andere, notfalls mit Staats- und Waffengewalt, zu verteidigen. Die Grünen haben einer CDU/CSU geführten Regierung den Weg bereitet. CDU/CSU, SPD und Grüne sind die Parteien, die die AfD durch Übernahme deren Migrationspolitik halbieren wollten. Deren Umfragewerte gehen seit der Wahl nach oben.



    Meine Stimme bekommen weder AfD noch die sogenannte Mitte.