Konservative Freikirchen in den USA: Gottes rechte Hand

Konservative Freikirchen heizen Wahl- und Kulturkämpfe an. Linke sind Feinde, Donald Trump ist ihr Retter. Besuch bei der Dream City Church.

Blick auf die Dream City Chruch vor der ein Plakat hängt mit dem Hinweis: 2024 mit den Porträts von Trump, Owens, Desantis

Die Anhänger der Dream City Church in Phoenix in den USA stehen hinter Donald Trump Foto: Mark Peterson/Redux/laif

PHOENIX taz | Grinsend stellt der Pastor Ash Matthesius eine Frage ans Publikum: „Was wäre, wenn der Prophet Jona ‚woke‘ gewesen wäre?“ Also mit sensiblem Gerechtigkeitsbewusstsein und „mit Skinny Jeans und Tattoos auf dem Unterarm?“ Einige Mitglieder der Gemeinde der Dream City Church schmunzeln über den Vergleich, den der junge Pastor von der breiten Bühne der Kirche aus zieht.

Als Bibelvers hat Matthesius heute eine Parabel über den biblischen Propheten Jona gewählt. Die baut er aus zu einem Exkurs über die Brandmauer zwischen dem aufrechten Christentum und allem, was weltlich und verdorben ist. Dabei wird er auch persönlich: „Da draußen mögen sie den ganzen LGBTQ-Kram erzählen und dass das alles in Ordnung ist“, wettert er. „Doch meinen Sohn werde ich mit anderen Werten erziehen.“

Dream City ist eine sogenannte Mega-Church, eine Mega­kirche, die allein im Großraum von Phoenix, im US-Bundesstaat Arizona, fünf verschiedene Ableger unterhält.

Der Hauptcampus, auf dem Ash Matthesius heute spricht, liegt an einem Berghang inmitten von Vorstadtlandschaften. Kakteen und dorniges Gebüsch wachsen um das Gelände mit seinem tempelartigen Hauptgebäude, der große Parkplatz könnte auch zu einer Shoppingmall gehören. Rund 20.000 Mitglieder besuchen regelmäßig die Gottesdienste von Dream City. An diesem Sonntag sind in der Kirche nur ein paar hundert Menschen, Platz bietet der große Saal für weit über 1.000.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Unterstützung für Donald Trump

Evangelikale Chris­t:in­nen sind eine der stärksten Kräfte in der US-amerikanischen Politik, und verfügen besonders in der Republikanischen Partei über enormen Einfluss. Trotz Donald Trumps mehrfachen Scheidungen und seinem eher taktischen Verhältnis zum Glauben zählen sie zu seinen stärksten Un­ter­stüt­ze­r:in­nen. Der kürzlich gewählte Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sowie der ehemalige Vizepräsident Mike Pence gehören beide der konservativen Gruppe von Glaubensgemeinschaften an, die das Recht auf Abtreibung und mehr Selbstbestimmung für trans Personen mehrheitlich ablehnen.

Ash Matthesius trägt selbst eng anliegende Jeans und spielt in seiner Predigt auf Netflix und eine beliebte Fastfood-Kette an. Mit seinen blondierten und akkurat gegelten Haaren wirkt der Pastor mehr wie das Mitglied einer Boyband als ein Prediger der alten Schule. Doch das, was Matthesius erzählt, passt genauso gut in vergangene Zeiten. „Nicht alle werden in den Himmel kommen“, sagt er ernst.

Für die Gemeinde werden solche Aussagen nichts Neues sein, denn die Kirche macht keinen Hehl aus ihrer Haltung. Neben Veranstaltungen mit Titeln wie „Männlichkeit maximieren“ und „Prächtige Frauen“ bietet Dream City auch Platz für Redner:innen, die sich am ­äußeren rechten Rand der politischen Landschaft bewegen. Influencer wie Charlie Kirk und Mike Lindell, die sich im verschwörungstheoretischen ­QAnon-Umfeld bewegen, sind regelmäßig auf den Bühnen der Kirche zu sehen. Mitglieder der Demokratischen Partei und „woke“ Personen werden in Pamphleten und auf Internetseiten der Kirche oftmals schlicht als „Feind“ beschrieben.

Im Kulturkampf, der in den USA wütet, verfügen Evangelikale mit ihren großen Gemeinden und Organisationen über ein immenses Mobilisierungspotential. Gruppen wie Moms for Liberty, die sich dafür einsetzen, dass Themen wie Rassismus, Sklaverei und Homosexualität aus den Schulen verbannt werden, sind eng an die Glaubensgemeinschaften gebunden. In der Anti-Abtreibungs-Bewegung stellen Evangelikale die weitaus größte und finanzstärkste Kraft.

Geldsammeln in Plastikeimern

Ihren Mitgliedern bietet Dream City dabei weitaus mehr als regelmäßige Gottesdienste und Betkreise. Allein der Hauptcampus der Kirche verfügt über eine Kinderbetreuung, ein Café sowie ein eigenes College, an dem im Wortlaut der Website „die nächste Generation im Sinne von Christus“ geschult wird.

Wer möchte, kann die ganze Woche bei Dream City verbringen, Angebote gibt es für jede Generation. Gottesdienste werden von einer 13-köpfigen Band begleitet, ein Kamerakran hält das Geschehen für Gläubige fest, die das Ganze per Stream von anderswo verfolgen möchten. Unterbrochen werden die Predigten der verschiedenen Pastoren von Multimedia-Präsentationen, in denen aufwendig produzierte Clips für Veranstaltungen der Kirche werben oder Zu­schaue­r:in­nen angehalten werden, an die Kirche zu spenden. Während Freiwillige und Angestellte von Dream City mit Plastikeimern durch die Reihen gehen, um Geld zu sammeln, bittet ein Pastor die Anwesenden, ihre Geldumschläge in die Höhe zu halten „oder Ihre Handys, wenn Sie mobil über unsere App spenden“.

Auch Lynn Roberson gehört zur Gemeinde von Dream City und kommt fast jeden Sonntag zum Gottesdienst in Phoenix. Bei einem Gespräch auf dem Vorhof der Kirche, der mit großen Solaranlagen ausgestattet ist, erzählt die adrette Pensionärin, was sie so besonders an der Kirche findet. „Ich helfe zum Beispiel beim Dream Center, da helfen wir Menschen, die versuchen, ihre Drogensucht zu bekämpfen.“

Lynne Troup, Evangelikale und Anhängerin von Donald Trump

„Ich finde es nicht korrekt, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben vom Gesetz geschützt werden“

Für Roberson sind politisches Engagement und Glaube eng miteinander verbunden. Arizona gilt als politisch umkämpft, die Präsidentschaftswahl zwischen Joe Biden und Donald Trump wurde maßgeblich durch Bidens knappen Sieg bei der hiesigen Wählerschaft entschieden. Viele Anhänger der Republikanischen Partei in Arizona glaubten den Resultaten nicht, der von Republikanern dominierte Senat des Staates ordnete eine Neuauszählung an in Maricopa County, dem Distrikt, zu dem Phoenix gehört. Auch Lynn Roberson gehörte zu den Freiwilligen, die damals die Stimmzettel nachzählten. Obwohl die von republikanischen Aktivisten geführte und mit der Nachzählung beauftragte Firma keine Unregelmäßigkeiten nachweisen konnte, ist sich Roberson bis heute sicher: „Da war irgendwas komisch.“

Wie ein Soldat im Kampf

„Ich möchte mein Land zurückhaben“, antwortet Roberson auf die Frage, welche politischen Ziele sie mit ihrem Aktivismus verfolgt. „Früher haben wir unsere Türen nicht abgeschlossen, jetzt ist es überall viel gefährlicher.“ Tatsächlich geht die Kriminalitätsrate in den USA seit Jahren zurück, doch für Roberson sind es vor allem Neuankömmlinge, die das Land unsicher machen. Von Phoenix sind es nur ein paar Stunden Autofahrt zur Grenze mit Mexiko.

„Die Grenzen sind offen, wir haben keine Ahnung, wer zu uns rüberkommt.“ Barack Obamas Wahl zum Präsidenten im Jahr 2008 habe sie richtig politisiert, sagt Roberson, während um sie herum die Vorbereitungen für den nächsten Gottesdienst beginnen. Donald Trump wird sie im kommenden Jahr mit Sicherheit unterstützen, erklärt sie lächelnd. „Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft, und ich fühle mich auch wie ein Soldat in diesem Kampf.“

Laut dem Pew Research Center, einem Institut für Meinungsforschung in den USA, identifizieren sich rund 67 Prozent aller Menschen in Arizona als Christ:innen, rund ein Viertel von ihnen als Evangelikale. Auch Lynne Troup gehört dazu und ist in Phoenix ebenfalls politisch aktiv. Nach der gescheiterten Neuauszählung zur letzten Präsidentschaftswahl hat sich Troup zuletzt für Kari Lake engagiert, eine Republikanerin, die Ende vergangenen Jahres im Rennen um den Gouverneursposten knapp gegen ihre demokratische Kontrahentin gescheitert ist.

Die ehemalige Nachrichtensprecherin Lake wird als potenzielle Nachfolgerin von Donald Trump gehandelt und behauptet bis heute, die Gouverneurswahl gewonnen zu haben. Auch Lynne Troup ist überzeugt, dass manipuliert wurde. „Lake hat gewonnen“, sagt sie im Gespräch mit der taz. Im kommenden Jahr wird Kari Lake wieder für die Republikanische Partei antreten, diesmal für einen Senatssitz.

Die Freiheit die sie meinen

Für Troup gibt es kein wichtigeres Thema als das Abtreibungsverbot. „Das ist für mich der Lackmustest, wenn es darum geht, mich für einen Kandidaten zu entscheiden“, sagt sie. Troup begrüßt die jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die das Recht auf Abtreibung kippten und privaten Firmen das Recht zusicherten, ihre Dienstleistungen nicht für Menschen verfügbar zu machen, wenn sie nicht mit deren sexueller Orientierung einverstanden sind. Wie viele Konservative in den USA betont Troup die Idee der Freiheit, wenn sie über ihre politischen Ideale spricht. Allerdings ist ihre Vorstellung davon, wem diese Freiheit gebührt, stark begrenzt.

„Unser Land wurde auf den Idealen der Religionsfreiheit gegründet“, sagt sie. Darauf angesprochen, ob diese Freiheiten auch für religiöse Minderheiten oder LGBTQI Personen gelten sollte, winkt sie ab. „Ich finde es nicht korrekt, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben vom Gesetz geschützt werden“, sagt sie. „Homosexualität ist eine Entscheidung, die Leute werden bestimmt nicht so geboren.“ Ihre eigene Religionsgemeinschaft hingegen sieht sie etlichen Gefahren ausgesetzt. „Ich glaube, dass der judäo-christliche Glaube immer wieder angegriffen wird, auch hier in den USA.“

Ein paar Tage nach dem Gespräch mit Lynn Robeson wird der Evangelikale Mike Johnson zum neuen Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt. Per SMS schreibt Robeson: „Mike Johnson sagt, er steht für Glauben, Familie und Freiheit. Ob er diese Werte auch als Sprecher vertreten wird, wird sich zeigen.“

In der Dream City Church kommt der Gottesdienst langsam zum Ende. Die großen Bühnenlichter werden gedimmt, und ein paar der Mu­si­ke­r:in­nen betreten die Bühne, um ein abschließendes Pop-Lied anzustimmen. Pastor Ash Matthesius ruft die Anwesenden auf, zu seichten Klavierklängen ihre Hände zu heben und Gott zu danken. Nochmal feuert er die Kongregation an, um für Dream City zu spenden. „Das ist hier eine Kirche voller Liebe“, ruft er.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.