Kongress gegen Agrarindustrie: Zoff zwischen Biobauern und Veganern

Beim „Wir haben es satt“-Kongress werden tiefe Gräben in der alternativen Agrarbewegung deutlich. Es geht um die Frage: Dürfen Landwirte Tiere halten?

Hier demonstrieren sie noch gemeinsam gegen die Agrarindustrie: Biobauern, Tierschützer, Vegetarier und Veganer Bild: imago/epd

BERLIN taz | Vegane Aktivisten gehen zunehmend auf Distanz zur Bewegung für eine alternative Landwirtschaft. Das zeigte sich beim ersten „Wir haben es satt“-Kongress, den die Organisatoren der Demonstrationen gegen die Agrarindustrie unter dem selben Motto am Wochenende in Berlin veranstaltet haben. Nach Angaben der Veranstalter besuchten mehr als 400 Teilnehmer den Kongress.

„Wir sind nicht eine Bewegung. Ich fühle mich von euch im Stich gelassen, wenn es um Tierrechte geht“, sagte Erasmus Müller von der veganen Organisation Animal Rights Watch (Ariwa) unter anderem in Richtung des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). „In dieser Hinsicht sind wir keine Bewegung mehr.“ Für seinen emotionalen Beitrag bei einer Podiumsdiskussion über Tiere in einer bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft erntete er viel Applaus im Publikum.

Konstantinos Tsilimekis, wissenschaftlicher Leiter der veganen Albert-Schweitzer-Stiftung, wollte auf Frage der taz zwar nicht davon sprechen, dass die Bewegung Tierrechtler im Stich lasse. Aber diese müsse sich sehr wohl stärker für Tierrechte einsetzen. Die Albert-Schweitzer-Stiftung schloss sich in den vergangenen Jahren dem Aufruf zu den „Wir haben es satt“-Demonstrationen anlässlich der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin an.

Vor Müllers Redebeitrag hatte Reinhild Benning, Agrarreferentin des BUND, auf dem Podium gesagt: „Es ist möglich, Tiere ethisch vertretbar zu halten.“ Weltweit ernährten sich Milliarden Kleinbauern von Tieren. Je nach Klima und Boden zum Beispiel könne es sinnvoll sein, von Tieren zu leben. Die Entwicklungsländer bräuchten „Ernährungssouveränität“, also das Recht, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Nahrung erzeugten. Und sie mahnte: „Man muss gucken: Wo steht der Feind?“ In der bäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft oder in der Massentierhaltung der Agrarindustrie?

Später rief Benning dazu auf, gemeinsam etwa gegen Morde an Landlosen-Aktivisten in Brasilien zu kämpfen, statt interne Differenzen in der Bewegung „auszuwalzen“.

Hendrik Haase, der den industriekritischen „Wurstsack“-Blog betreibt, sagte, er „finde es schade, dass wir uns selbst zerfleischen“. Er kritisierte, dass manche Veganer „sehr verletzende Briefe“ schrieben, teils mit Mord drohten und „Brandsätze auf Bauernhöfe schmeißen“.

Menschenrechte für Tiere

Vegane Gruppen wie Ariwa oder Peta lehnen jegliche tierischen Produkte und Tierhaltung ab. Sogar tierfreundlichere Haltungssysteme wie in der Biolandwirtschaft verurteilen sie als Ausbeutung von Mitgeschöpfen. Dahinter steht der Gedanke, Tiere hätten genauso viel Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit wie Menschen.

Ariwa-Aktivist Müller erklärte in der Diskussion, dass zum Beispiel auch Bioschweine litten, wenn sie geschlachtet werden. Tsilimekis konterte Bennings Argument zu den Landlosen in Brasilien mit den Worten: „Es geht um Menschenrechte und Tierrechte. Ethik ist unteilbar.“ Veganer, die etwa Ställe in Brand stecken, seien „schwarze Schafe“.

Ähnliche Diskussionen werden in der alternativen Agrar- und Ernährungsbewegung schon lange geführt. Neu ist aber, dass vegane Aktivisten Verbände wie den BUND offensiv und in aller Öffentlichkeit angreifen. Hintergrund dürfte sein, dass Veganismus in den vergangenen Jahren Anhänger gewonnen hat.

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