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Konflikt in Hamburg-AltonaMigranten präventiv durchsucht

Polizisten hätten migrantische Jugendliche wochenlang kontrolliert, sagt der Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Rassismus, sagen Anwohner.

Polizisten stehen Freitagnacht Jugendlichen auf der Hamburger Holstenstraße gegenüber. Bild: Lena Kaiser

Der Vorsitzende der Hamburger Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch, hat bestätigt, dass in Hamburg-Altona im „weitaus überwiegenden Teil der Fälle“ junge Migranten „präventiv“ durchsucht worden seien. Die Anwohner des Stadtteils, in dem es am Wochenende zu Ausschreitungen zwischen Jugendlichen und Polizei gekommen war, hatten geklagt, dass Polizisten gezielt Kinder und Jugendliche schikaniert hätten, „die ihrem Aussehen und teilweise ihrer Religion nach nicht als deutsch genug aussehend wahrgenommen werden“. Der Anwalt Carsten Gericke sagte, dass „selektive Personenkontrollen, die auf Kriterien wie der Hautfarbe beruhen, verfassungs- und menschenrechtswidrig“ seien.

Kirsch hatte bereits am Montag in einer Pressemitteilung ein „auf die Migranten abgestimmtes Maßnahmenbündel“ in Altona gefordert. Die Polizei habe dort ein „zunehmendes Problem mit männlichen Personen mit Migrationshintergrund“ identifiziert und in den vergangenen acht Wochen verstärkt Überprüfungen vorgenommen. „Es wurde nachgeschaut, was die in den Taschen haben“, sagte Kirsch der taz.

Laut Polizeirecht dürfen die Beamten jedoch nur im konkreten Fall kontrollieren – in einer Gefahrensituation. Kirsch sagt, in Altona sei diese Gefahr von einem „Pöbeln“ der Jugendlichen ausgegangen. Den Vorwurf, die Polizei sei rassistisch, wies er „entschieden zurück“.

Der Sprecher der Hamburger Innenbehörde, Frank Reschreiter, kommentierte die Mitteilung der Gewerkschaft nicht. Er sagte, dass die Diskriminierungsvorwürfe der Anwohner derzeit zwar „Gegenstand der Aufarbeitung“ seien, er jedoch keine konkreten Fälle kenne. Insgesamt lägen derzeit sieben Anzeigen gegen Polizeibeamte vor. Fünfmal gehe es dabei um Beleidigungen, in zwei Fällen um Körperverletzung.

Auch Hamburgs Polizeisprecher Holger Vehren schwieg zur Frage nach gezielten Personenkontrollen. Er sagte, man habe sich auf eine Gruppe von rund 40 Leuten konzentriert – ob dies Ausländer oder Deutsche gewesen seien, könne er jedoch nicht sagen.

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16 Kommentare

 / 
  • KM
    Kara Mustafa

    Der getroffene Hund bellt

  • Wer ist eigenntlich zur Zeit Innensenator in Hamburg? Ronald Schill?

  • A
    Altonaerin

    Würde gerne mal was über die Demo gestern lesen.

  • N
    NWT´ler
  • FS
    Frau St Pauli

    Als im Brennpunkt StPauli wohnend, könnte ich Tätereschreibungen abgeben, dieauf 80% der Täter zu treffen. Auch wenn ich nicht dabei bin.Alter, Frisur, Haarfarbe, Alter und sogar Körpergrösse...Aber mich fragt ja Keiner!

  • Nicht nur rassistisch. Auch noch eine Alterdiskriminierung. Warum keine Rentner oder Kleinkinder? Nur junge Menschen zwischen 15 und 30.

     

    Und sexistisch ist es ebenfalls. Scheinbar werden nur Männer überprüft. Wie kommt's? Wieso wird nicht die Rentnerin aus Berdorfe so gefilzt wie die jungen Männer aus Altona?

    • @Verkehrsfritze:

      Ja stimmt Sie haben Recht! Die Polizei sollte natürlich Kleinkinder und alte Menschen überprüfen!

       

      Es ist egal ob südländisch aussehende Jugendliche auf die Täterbeschreibung zutreffen.

       

      Es ist überdies sehr rassitisch überhaupt Straftaten wie Raub etc. nachzugehen.

       

      • @cue :

        Ganz genau! Es ist ein Unding, daß die Polizei aus statistischen Gründen gewisse Merkmale heranzieht und damit ihren Erfolg steigert. Unglaublich, daß in Altona wohl derzeit mehr Polizisten unterwegs sind als in Cranz.

      • @cue :

        Ganz genau! Es ist ein Unding, daß sich die Polizei auf Statistiken beruft und gewisse Erscheinungsmerkmale heranzieht, um mit höherem Erfolg zu arbeiten. In Cranz sind auch grad keine 100 Polizisten unterwegs. Wie kommt's?

  • J
    Johnny

    Ist ja schrecklich: da häufen sich die Anzeigen wegen Raub und Körperverletzung und die Täter werden stets als Jugendliche und junge Erwachsene Südländer beschrieben -- und was tut die Polizei?

    Ganz rassistisch kontrolliert sie Menschen, auf die die Täterbeschreibung passt, und nicht etwa afrikanische Frauen über 70, die ja auch ab und an mal in der Nähe sind.

  • K
    Kimme

    Kritik ist sicherlich berechtigt, aber der Adressat ist der Falsche, wie so häufig. Wie so oft sollte der Blick mal in die eigenen Reihen gehen anstatt ständig einen Außenstehenden als Schuldigen zu suchen.

    Ganz klar sind für solche Taschendurchsuchungen kriminelle Jugendbanden und Drogendealer der Auslöser und damit verantwortlich. Die Polizei reagiert halt nur auf Beschwerden aus der Nachbarschaft und auf Grund von Anzeigen durch Opfer. Aus Jux und Dollerei machen die bestimmt nicht so eine für sie stressige und anstrengende Aktion wie Taschendurchsuchung und Ausweiskontrolle. Wenn man sich die, innerhalb der Gemeinschaft sicherlich bekannten, Täter mal zur Brust genommen und eingebremst hätte, wäre es garnicht soweit gekommen. Dass jugendliche weniger auf behördliche Autoritäten als vielmehr auf Väter und Onkel hören ist kein Geheimnis. Jetzt

  • A
    Angenervter

    ... und wieder mal ist Sommerlochzeit ..

  • A
    Anwohner

    In den letzten Tagen war die Gegend um die Kreuzung Max-Brauer-Allee /

    Holstenstraße vielfach im Fokus der Medien.

    Seit vergangenen Sonntag haben sich Anwohner_innen aus dem Viertel

    zusammengeschlossen. Sie wehren sich gegen die Zunahme

    verdachtsunabhängiger und willkürlicher Kontrollen durch die Polizei und

    die gewalttätigen Angriffe von Polizeibeamten auf Jugendliche aus der

    Nachbarschaft. Aber auch auf die reißerische und teilweise rassistisch

    geprägte Medienberichterstattung macht im Viertel viele Menschen wütend.

     

    Am kommenden Samstag, dem 20.07.2013 wird es eine Demonstration geben

    unter dem Motto:

  • B
    Brennessel

    Empörung!!!

    Da werden einfach unschuldige Jugendliche von den Rassisten in Uniform belästigt und das auch noch grundlos?!?

     

    Schade dass ich keinen Migrationshintergrund habe, dann hätte ich die Polizisten die mich ständig kontrolliert haben, weil ich Anfang bis Mitte 20, mänlich, Kapuzenpullover, zugekifft, war, auch immer als scheiXXX Rassisten beschimpfen können.

    Wacht endlich auf, wenn du anders bist als der Rest, hält dich die Gesellschaft und deren Vertreter (die Polizei) grundsätzlich für verdächtig.

    Wieso solch ein Quatsch es immer wieder Wert ist , dass die TAZ drüber schreibt? ...keiner weiß es

    • @Brennessel:

      Ich finde es gut, dass sich die betroffenen Anwohner organisieren und die Polizei dadurch beim Kampf gegen Gewaltkriminalität unterstützen. Sicher wäre dies auch die Gelegenheit, aus der Opferrolle herauszuwachsen und sich darüber zu beschweren, dass gegen Gewalttäter jeder Herkunft leider noch viel zu wenig unternommen wird. Auch die Politik sollte vor Ort sein, um den Bürgerprotest der Verbrechensopfer anzunehmen. Die Polizei sollte die Chance nutzen und ebenfalls vor Ort sein, um bspw. Anzeigen Betroffener aufzunehmen bzw. Zeugen zu sammeln, damit Gewalt- bzw. Intensivtäter strafrechtlich verfolgt werden können. Es muß klar werden: Wer wegschaut, macht mit.

    • H
      horst
      @Brennessel:

      äh, aber wenn du zugekifft warst haben die polizisten doch gesetzeskonform gehandelt, oder?

      hm, oder ist jetzt das gesetz schuld?