Konflikt in Bosnien und Herzegowina: Serbenführer Dodik verstößt gegen Friedensabkommen
Der Präsident des Teilstaats Republika Srpska, Milorad Dodik, droht mit einer Spaltung des gesamten Staates. Derweil werden EUFOR-Truppen verstärkt.

Damit zeigte Dodik überdeutlich, dass er die internationalen Positionen, vor allem die der Europäische Union und der USA, nicht mehr anerkennt. Er kündigte sogar an, das Büro des Hohen Repräsentanten zu einer kriminellen Organisation erklären zu wollen.
Die Beschlüsse des Parlamentes der serbischen Entität geben vor, dass es sich bei dieser um einen unabhängigen Staat handele. Damit verstößt Dodik nach internationalem Recht gegen das Friedensabkommen von Dayton 1995, das dem Land als Verfassung dient.
Die Lage in Bosnien und Herzegowina bleibt also festgefahren und gefährlich. Die Staatsanwaltschaft des Gesamtstaates hatte am Mittwoch eine Vorladung Milorad Dodiks angeordnet, da ein Gericht in Sarajevo Dodik zu einer einjährigen Haftstrafe und zu einem sechsjährigen Verbot politischer Betätigung verurteilt hatte.
Grund für dieses Urteil ist die von Dodik betriebene Strategie, nach der Urteile des Verfassungsgerichts in Bosnien und Herzegowina und Entscheidungen des UN-Repräsentanten Christian Schmidt in seinem Herrschaftsgebiet für ungültig erklärt werden.
Doch diese Verurteilung bleibt bedeutungslos. In der Nacht zu Freitag ist Dodik dann noch einen Schritt weiter gegangen. Jetzt müsste eigentlich die SIPA, die gesamtstaatliche Polizei von Bosnien und Herzegowina, Dodik verhaften. Dies kann sie jedoch nur tun, wenn sie dafür bewaffnete Konflikte mit der Polizei und der Leibgarde Dodiks einginge.
EUFOR bleibt vorsichtig
Auch die internationalen Truppen der EU-Mission EUFOR bleiben vorsichtig, obwohl auch sie das Recht hätten, gegen Dodik vorzugehen. Zwar sind die ungarischen EUFOR-Truppen aus Banja Luka abgezogen worden, die angekündigt hatten, im Zweifel sogar für Dodik einzugreifen, doch bisher scheuen die gerade einmal 1.500 Mann starken EUFOR-Truppen den Konflikt. Eine „temporäre Aufstockung“ der Truppen wurde allerdings bereits Anfang März angekündigt.
Milorad Dodik seinerseits forderte derweil sogar von Russland, im UN-Welt-Sicherheitsrat gegen die EU-Friedenstruppe EUFOR aufzutreten.
Noch gibt es gibt zwar keine Zeichen dafür, dass die europäischen Truppen gegen Dodik aktiv werden würden. Die Zuspitzung der Lage hat aber bereits das westliche Militärbündnis Nato auf den Plan gerufen. Generalsekretär Mark Rutte hatte sich bei seinem Sarajevo-Besuch am Dienstag besorgt über die Entwicklung im Land geäußert. Auch die USA haben sich bisher für den Erhalt des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina ausgesprochen und nicht, wie von Dodik erhofft, den serbischen Nationalisten um Dodik Rückendeckung gegeben.
Die anderen Volksgruppen im Land, die Bosniaken und Kroaten, halten sich bislang zurück. Das bosniakische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, Denis Bećirović, besuchte Ankara und hofft auf Unterstützung aus der Türkei. Die Zivilgesellschaft Sarajevos hofft auf Europa.
Immerhin scheinen große Teile der serbisch-bosnischen Bevölkerung im Gegensatz zu den Erwartungen ihrer nationalistischen Führung nicht bereit zu sein, Dodik bedingungslos zu folgen. Sogar viele serbische Mitglieder der gesamtstaatlichen Polizei Sipa zogen es vor, auf ihrem Arbeitsplatz zu bleiben und Dodik die kalte Schulter zu zeigen. Die serbischen Oppositionsparteien wie die SDS (Serbische Demokratische Partei) opponieren heftig gegen Dodik. Aber sie sind machtlos. Und Dodik lässt die Muskeln spielen: die am Donnerstag erlassenen Gesetze machen Oppositionelle zu Staatsfeinden, die jederzeit verhaftet werden
Noch ist nicht klar, wie alles ausgehen könnte. Am 15. März wird in Serbien eine riesige Demonstration gegen Staatschef Aleksandar Vučić und damit gegen seinen Freund Dodik stattfinden. Die serbische Entität Bosniens ist pleite, ohne serbische Unterstützung geht nichts mehr.
Dodik wollte in Banja Luka zwar Fakten schaffen und die Stimmung zu seinen Gunsten ändern. Aber es sind Zweifel angebracht, ob er sich durchsetzen kann, wenn die Internationale Gemeinschaft und die EU schärfere Maßnahmen einleiteten. Vor allem müssten die EUFOR-Truppen an dem strategisch wichtigen und bisher neutralen Ort Brcko verstärkt werden. Dort könnte die serbische Entität in zwei Teile geschnitten werden.
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