Kommunalwahlen in Tschechien: Babiš’ Wohnmobil hat nicht gereicht

Bei den Kommunalwahlen fährt das Bündnis des Ministerpräsidenten viele Niederlagen ein. Auch Babiš bleibt hinter seinen Zielen zurück.

Zwei Frauen kippen einen Behälter voller Stimmzettel auf einen Tisch

Alles muss auf den Tisch: Wahlhelfer in Hradec Kralove beginnen mit der Auszählung Foto: David Tanecek/CTK/imago

PRAG taz | Als am Samstagnachmittag die ersten Hochrechnungen erschienen, war aus allen Ecken des politischen Spektrums in Tschechien vor allem eines zu hören: Erleichterung. Innenminister Vít Rakušan, Vorsitzender der Bürgermeisterpartei STAN, der selbst erst vor Kurzem den Sprung aus der Kommunalpolitik auf die Regierungsbank geschafft hatte, fasste die Atmosphäre am Wahlabend zusammen: „Die Katastrophe ist nicht eingetreten“, atmete er in aller Öffentlichkeit auf.

Vor allem die fünf Parteien der Regierungskoalition hatten befürchtet, die Krisen des vergangenen Jahres, von Corona über den Ukraine-Krieg und steigenden Energiepreisen bis hin zu eigenen Korruptionsaffären und einem eher ratlos anmutenden Kabinett, könnten sich bei diesen Wahlen rächen.

Die Opposition, die in Form des Ein-Mann-Politunternehmens ANO (Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš) und der Direkten Demokratie, kurz SPD (Tomio Okamura) mehr oder weniger aus Populisten besteht, hatte sich im Vorfeld der Kommunalwahlen Mühe gegeben, diese zu einer Art Volksabstimmung über die Regierung von Ministerpräsident Petr Fiala hochzujazzen.

Dessen konservativer Bürgerpartei ODS gelang es trotz aller Unkenrufe, sich Prag zurückzuerobern: Zusammen mit ihren Koalitionspartnern auf Regierungsebene, der progressiven TOP 09 und den Christdemokraten, stehen sie in der Hauptstadt mit einer einfachen Mehrheit gut im Kurs und wollen mit Hilfe der Piraten und der Bürgermeisterpartei regieren. „Für Prag ist solch eine Koalition die einzige mögliche Lösung. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit mit Regierung und Parlament, deshalb wären wir froh, wenn die Koalition sich am Grundriss der Regierung orientieren würde“, erklärte Bohuslav Svoboda. Der 78-Jährige hatte schon zwischen 2010 und 2013 das Amt des Prager Oberbürgermeisters inne und vertritt seine Partei auch im Parlament.

Auch die rechte SPD feiert Erfolge

Eine Kooperation mit der ANO, die zweitstärkste Kraft der Hauptstadt wurde, hat Svoboda als „extrem unwahrscheinlich“ bezeichnet. Die Bewegung von Ex-Ministerpräsident Babiš, der sich derzeit vor dem Prager Stadtgericht wegen Betrugsvorwürfen verantworten muss, feiert sich derweil selbst als landesweiten Wahlsieger. In den Regionen hat die ANO in 8 von 12 Kreisstädten eine Mehrheit erobert.

Im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2018 hat ANO allerdings leicht an Stimmen verloren. Und das obwohl Babiš seit Jahresbeginn in seinem Wohnmobil die Republik bereist und unter dem Slogan „Unter Babiš war es besser“ hybriden Wahlkampf betreibt. Nicht nur mit Blick auf die Kommunal-, sondern auch auf die Präsidentschaftswahlen im Januar 2023.

Einen Triumph feiert auch Tomio Okamura, Chef der Partei der direkten Demokratie (SPD), die vor allem auf Protestwähler zielte. Zum ersten Mal wird die SPD ihre Vertreter in allen Kreisstädten des Landes haben.

„Eigentlich haben alle gewonnen“, kommentierte das Nachrichtenportal Seznam.cz. den Wahlausgang. Zum einen, weil es hätte schlimmer ausgehen können. Zum anderen, weil es sich gezeigt hat, dass in vielen Städten und Gemeinden kommunale Themen doch entscheidender waren als die Ängste, die von den Oppositionsparteien geschürt worden waren.

Denn die eigentlichen Wahlsieger sind die kleinen unabhängigen KandidatInnen und Listen, die in den meisten Städten und Gemeinden Kommunalpolitik machen. Im nordböhmischen Liberec (Reichenberg) dürfte eine unabhängig geführte Koalition ins Rathaus einziehen. Im südmährischen Örtchen Pohořelice wiederum hat der ehemalige Elitepolizist Robert Šlachta einen überraschenden Wahlerfolg hingelegt.

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