Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: SPD im Abstiegskampf
Das ganz große Desaster ist den Sozialdemokraten im Ruhrgebiet erspart geblieben. Von der Krise der SPD profitieren CDU und Grüne.
D as ganz große symbolisch Desaster ist der SPD erspart geblieben. Dortmund wird, wie seit 1946, weiter von einem Sozialdemokraten regiert, auch wenn der Vorsprung nur äußerst knapp war. Der Verlust von Dortmund wäre die Überschrift gewesen für die Erosion der SPD im Ruhrgebiet. Das ist längst nicht mehr in sozialdemokratischer Hand. Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig und lokal unterschiedlich. Doch ein Muster ist erkennbar: Der SPD gelingt es in ihren ehemaligen Hochburgen, in denen das einst enge, oft verfilzte soziale Geflecht von Partei, Gewerkschaften, AWO und Stadtverwaltungen ausgefranst ist, nur mühsam sich zu erneuern.
Essen, Mülheim und Oberhausen werden von CDU-Oberbürgermeistern regiert. Bitter ist für die SPD vor allem Mülheim. Dort schickte sie Monika Griefahn ins Rennen, die als Ex-Greenpeace-Frau über ökologische Kompetenz verfügt. Obwohl die Grünen in Mülheim, anders als in Dortmund, nicht offiziell den CDU-Kandidaten unterstützen, reichte es nicht. Damit ist ein Versuch, sich von oben zu reformieren, weiblicher und grüner zu wirken, gescheitert.
Die Krise der SPD hat die Kommunen erreicht. Das ist eine ziemlich beunruhigende Nachricht für die Bürgermeister-Partei. Denn bislang galt: Egal wie enttäuschend Wahlen im Land oder im Bund für die SPD verliefen – die Bastionen in Klein-, Mittel- und Großstädten hielten. Als Akteur an der Basis, die Tausende von Stadträten und Kreistagsmitgliedern stellt, als Kraft, die das graue Alltagsgeschäft der Demokratie betreibt, ist die SPD unersetzbar. Das stimmt auch nach dem bescheidenen Resultat der Kommunalwahl in NRW noch. Doch auch dieses Fundament wird rissig. Darüber täuschen auch die SPD-Erfolge in Gelsenkirchen, Hamm und Leverkusen nicht hinweg.
Die andere Seite des langsamen Verfalls der Sozialdemokratie ist der Erfolg von Grünen und CDU, die nicht nur in Köln längst selbstverständlich zusammenarbeiten. Die Grünen haben in Bonn, Aachen und Wuppertal erstmals die Oberbürgermeisterjob erobert. Das zeigt unübersehbar, dass die Ökoliberalen, die vor drei Jahren bei der Landtagswahl noch ein Desaster erlebten, in den Städten zu Konkurrenten von SPD und CDU werden.
Man sollte die nationale Bedeutung von Kommunalwahlen nicht überschätzen. Und doch springt eine Botschaft ins Auge: Union und Grüne gewinnen – und die Repräsentanten von altem und neuem Bürgertum harmonieren vielerorts reibungslos. Die Grünen galten in NRW lange als eher links – auch das ist keine Hürde mehr für schwarz-grüne Zusammenarbeit. Die SPD managt währenddessen ratlos ihren Abstieg. Es bedarf keines besonderen Scharfsinns, darin einen Vorschein dessen zu erkennen, was 2021 bei der Bundestagswahl passieren kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz