Kommunalwahl in Schleswig-Holstein: Wahlkampf in Zeitungsoptik
Eine Wählergemeinschaft in Schleswig-Holstein druckt eine Zeitung, die das Layout der Kieler Nachrichten kopiert. Der Streit der Beteiligten ist alt.
Sie sei gespickt mit „lokalpolitischen Inhalten und Themen, die in Schwentinental zu wenig oder anders hätten bearbeitet werden können“. Das sagt Dennis Mihlan, Vorstandsmitglied der Wählergemeinschaft und laut Impressum einer von zwei „Chefredakteuren“ der Wahlzeitung.
Die Kieler Nachrichten (KN) sind davon gar nicht begeistert: „Layout, die Schriften und nahezu alle anderen optischen Bestandteile der KN“ seien kopiert worden, steht in einem aktuellen Artikel. „Lediglich an versteckter Stelle findet sich kleingedruckt der Hinweis auf die wahren Urheber“, heißt es weiter. Die Redaktion habe nichts von der Imitation gewusst und verurteile sie auf Schärfste.
„Solche Fälschungen können das Vertrauen in die Kieler Nachrichten als unabhängige und überparteiliche Tageszeitung erheblich untergraben und gefährden“, schreibt KN-Chefredakteurin Stefanie Gollasch der taz. „Ob wir gegen diesen aus unserer Sicht rechtswidrigen Eingriff in unsere geschützten Rechtspositionen juristische Schritte ergreifen, prüfen wir.“
Leser*innen reagieren empört
Dass es sich um eine gefälschte Ausgabe handelt, sei „Schwachsinn“, sagt Mihlan. Man habe sich „an den Look angelehnt“, aber: „Es steht nicht KN drauf, sondern Schwentinentaler Nachrichten.“ Auf der ersten der zwölf Seiten steht zudem „Wahlzeitung Gemeinsam vor Ort“. Mit dem Design habe man erreichen wollen, dass die Leute die Zeitung anschauen – und nicht wie andere Flyer direkt wegwerfen. Die Aktion sei rechtlich sowie moralisch komplett legitim, findet Mihlan. „Das ist halt kreativer Wahlkampf.“
Die Kritik der KN: Die Zeitung erwecke bei vielen den Eindruck: „Sieh an, die Kieler Nachrichten geben jetzt eine Sonderausgabe nur für uns heraus!“ Tatsächlich, so schreibt es Gollasch, sei der „offenbar beabsichtigte Effekt der ‚Wahlwerbung der Kieler Nachrichten‘“ eingetreten – viele Leser*innen seien empört. Es habe zahlreiche „zum Teil wütende und fassungslose Reaktionen“ gegeben. Das zeige, dass die Kennzeichnung auf der ersten Seite nicht reiche, um die Urheberschaft zu klären.
Mihlan erzählt, dass er bereits vor fünf Jahren – damals als Mitglied der Grünen – eine Wahlkampfzeitung im Stile des Stadtmagazins veröffentlicht habe. Kritik habe es damals von der Stadt Schwentinental, dem Verlag und politischen Gegnern gegeben. Weil die Rückmeldungen ansonsten „durchweg grandios“ gewesen seien, habe er sich im aktuellen Wahlkampf gedacht: Warum nicht noch einmal?
Dieses Mal wollte sich die Zeitung „in Form und Aufmachung“ an den Kieler Nachrichten orientieren. So steht es in einer Mitteilung, die neben der Wahlzeitung selbst auf der Internetseite der Wählergemeinschaft zu finden ist.
Stefanie Gollasch, Kieler Nachrichten
Ein Grund für die Auswahl: Die Auseinandersetzung der Beteiligten mit der Zeitung läuft schon lange. Vor rund fünf Jahren haben Andreas Müller, der ebenfalls zur Wählergemeinschaft gehört und „Chefredakteur“ der Wahlzeitung ist, und Mihlan unter gefälschten Namen mehrere Leserbriefe an die KN verschickt; diese wurden teilweise veröffentlicht. So berichten es die KN.
Müller und Mihlan sind zu dem Zeitpunkt der Leserbriefe-Aktion Mitglied bei den Grünen und sitzen für diese im Kreistag Plön und in der Stadtvertretung Schwentinental. Für die Briefe ernten sie laut KN Kritik, auch aus den eigenen Reihen. Sie geben ihre Ämter ab, behalten jedoch ihre Mandate. Gemeinsam mit anderen Personen verlassen sie später die Grünen-Fraktion und treten schließlich auch aus der Partei aus – die Geburtsstunde der Wählergemeinschaft „Gemeinsam vor Ort“.
Diese wirft den KN Parteilichkeit vor, will laut der Mitteilung sogar Beschwerde beim Presserat einreichen. Auch eine von einer Gruppe um einen Grünen geschaltete Werbeanzeige in den KN kritisiert „Gemeinsam vor Ort“. In der Anzeige wird davon abgeraten „Gemeinsam vor Ort“ zu wählen, weil das bedeute, auch dem „Leserbrieffälscher“ Andreas Müller seine Stimme zu geben.
Aus der Veröffentlichung der Anzeige, den Vorwurf der Parteilichkeit abzuleiten, sei absurd, sagt Gollasch. Jede Partei oder Gruppierung könne Anzeigen schalten. Die Beschwerde beim Presserat warte man „gelassen ab“.
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