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Kommission gegen DiskriminierungÜberraschend schnell im Konfrontationsmodus

Die Berliner Enquete-Kommission gegen Antisemitismus und Rassismus hat ihre Arbeit aufgenommen. Die Stimmung in dem Gremium ist durchaus gereizt.

„Werden einiges zu verhandeln haben“: Blick ins Berliner Abgeordnetenhaus Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Sandra Kostner hält das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) offensichtlich für Teufelszeug. „Wenn wir anfangen, die Gesellschaft zu stark durch die Diskriminierungsbrille zu betrachten, gefährden wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, ist Kostner mit Blick auf das LADG überzeugt. Bestimmte Diskriminierungen sollte man doch besser „dem Privaten überlassen“.

Die Historikerin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd war am Freitag auf Einladung der CDU zu Gast in der neuen Berliner Enquete-Kommission gegen Antisemitismus und Rassismus im Abgeordnetenhaus. Ihr Vortrag zeigte dabei auf, wohin die Reise in dem jüngst vom Landesparlament eingesetzten und von fast allen Seiten begrüßten Gremium durchaus auch gehen könnte – nämlich Richtung Krawall.

Zur Erinnerung: Es war die damals oppositionelle Berliner CDU, die vor ihrem Sieg bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 immer und immer wieder gefordert, das gut drei Jahre zuvor unter Rot-Rot-Grün beschlossene LADG wieder abzuschaffen. Die Ver­tre­te­r:in­nen der Union hatten während der Kommissionssitzung dann auch nichts auszusetzen an den Ausführungen ihres Gastes, die von SPD, Grünen und Linken dafür umso mehr. „Die CDU macht hier einen auf AfD“, sagte eine Abgeordnete am Rand zu taz.

Projekt aus dem Koalitionsvertrag

Bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD angekündigt, hat es fast zwei Jahre gedauert, bis das Gremium nun endlich mal an den Start ging. Die von SPD-Fraktionschef Raed Saleh geleitete Kommission hat insgesamt 24 Mitglieder, Par­la­men­ta­rie­r:in­nen ebenso wie externe Sachverständige, entsandt von fast allen Fraktionen. Nur die zwei Mitglieder, die die AfD stellen wollte, fielen bei der Wahl im Abgeordnetenhaus Ende Februar durch.

Nach einer konstituierenden Sitzung vor zwei Wochen, in der sich die Teil­neh­me­r:in­nen faktisch nur kurz vorstellten und allseits betont wurde, wie wichtig das Gremium sei, ging es am Freitag erstmals um Inhalte und eben auch schnell in den Konfrontationsmodus. „Das ist sehr viel Bauchempirie, was Sie hier präsentieren“, entgegnete etwa der von der SPD in die Kommission berufene Experte Cihan Sinanoğlu vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung der Historikerin aus dem Schwäbischen.

Konkret beschäftigte sich die Kommission mit den rechtlichen Grundlagen für den Kampf gegen Diskriminierungen aller Art: Antidiskriminierungsrichtlinien, Antirassismuskonvention, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und eben das Berliner LADG. Neben Sandra Kostner kamen sechs weitere Gäste zu Wort, darunter der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman.

Das Problem: Ein klarer Fokus war nur schwer zu erkennen. So forderte Klein unter anderem, dass der „Aufruf zur Vernichtung anderer Staaten“ ein Straftatbestand wird, Ataman referierte über das AGG, Soraia Da Costa Batista von der Gesellschaft für Freiheitsrechte über das LADG und Kostner über ihre Meinung zur Antidiskriminierungspolitik im Allgemeinen.

Ein Kessel Buntes

Es ging um Antisemitismus, die Diskriminierung von Migrant:innen, Muslim:innen, Schwarzen, trans Personen, Menschen mit Behinderungen, um „bildungsferne Familien“ ebenso wie um die Corona-Pandemie. Das Verwabernde liegt dabei in der Natur der Sache, konkret: im Arbeitsauftrag der Kommission, der bereits im Gesamtnamen zum Ausdruck kommt.

Ihre Aufgabe soll es sein, bis zum Ende der Legislatur im kommenden Jahr „Empfehlungen“ zu erarbeiten, „wie der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form der Diskriminierung begegnet werden kann“. Kri­ti­ke­r:in­nen sprechen von einem überfrachteten Kessel Buntes, bei dem das nach dem 7. Oktober 2023 besonders virulente Thema Antisemitismus letztlich nur noch eines unter vielen sei.

Für genügend Zündstoff könnte trotzdem gesorgt sein. Im Einsetzungsbeschluss wird den „Maßnahmenträgern zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form der Diskriminierung“ schließlich in Aussicht gestellt, dass die Kommission deren „Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz“ überprüfen soll.

Schon im zweiten Teil der Anhörung am Freitag, der sich mit den Antidiskriminierungs- und Teilhabestrukturen in den Senatsverwaltungen und folglich auch den aktuellen Haushaltskürzungen befasste, war die Stimmung zwischen den Ver­tre­te­r:in­nen der CDU auf der einen und den von SPD, Grünen und Linken bisweilen giftig.

„Wie ich persönlich zum Neutralitätsgesetz stehe, steht hier überhaupt nicht zur Debatte“, pampte beispielsweise der für diesen Tagesordnungspunkt eingeladene Jugend-Staatssekretär Falko Liecke (CDU) den von den Grünen als Experten nominierten Chef der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Derviş Hızarcı, auf eine entsprechende Nachfrage an. Integrations-Staatssekretär Max Landero (SPD) hatte es schon zuvor so zusammengefasst: „Wir werden hier einiges zu verhandeln haben.“

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2 Kommentare

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  • Statt neue Straftatbestände zu schaffen, sollte sich Herr Klein vielleicht mal darum bemühen, bereits bestehende Straftatbestände und Rechte/ Gesetze umzusetzen. Wie zum Beispiel das Recht auf territoriale Integrität und Souveränität, welche es im internationalen Recht tatsächlich gibt, beides wird z.B. gerade in Syrien verletzt. Oder das Recht auf Selbstbestimmung. Das Verbot von Segregation und Apartheid. Das Verbot der zwangsweisen Vertreibung und Deportation (gibts auch im dt. Strafrecht, warum wohl). Das Verbot Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Kollektive Bestrafung. Das Verbot einer Besatzungsmacht die eigene Bevölkerung im besetzten Gebiet anzusiedeln. Völkerrechtswidrige Besatzungen und Annexionen. Pflicht zur Ausführung internationaler Haftbefehle. etc.



    Als jemand der gerade erst eine Konferenz in Jerusalem absagte, weil dort etliche Vertreter von rechtsradikalen, neo-faschistischen und auch antisemitischen europäischen Parteien eingeladen wurden, sollte man meinen er überdenkt mal sein undifferenziertes Vorgehen. Jüdisches Leben schützt man nicht, indem man unkritisch eine rechte Regierung unterstützt, die eine gefährliche Allianz mit europäischen Rechten eingeht.

  • Erstaunlich wenig zum Inhalt dessen, was da gesagt wurde. Wer hat wem was warum genau vorgeworfen?