Kommentar zur Abiturangleichung: Richtiges Ziel, falscher Weg
Es muss etwas gegen die Abitur-Ungerechtigkeit in den Bundesländern getan werden. Aber der Versuch, die Prüfungen zu vereinheitlichen, ist falsch.
K eine Frage – das Ziel der 16 KultusministerInnen, das Abitur besser vergleichbar zu machen, kann man nur begrüßen. Seit Jahren zeigen die Abischnitte im föderalen Bildungsland Deutschland: Wer in Thüringen zur Schule geht, hat bessere Chancen auf eine gute Abschlussnote als jemand in Schleswig-Holstein.
Eine Ungerechtigkeit mit weitreichenden Folgen. Denn die Hälfte der Studiengänge an deutschen Hochschulen ist zulassungsbeschränkt. Sprich: Wer Medizin oder Jura studieren will, muss sich an einer Note messen lassen, die wenig aussagt über seine Leistung. Jeder weiß, dass eine Spitzennote in Bayern schwerer zu erreichen ist als in Thüringen. Bei der Studienplatzvergabe spielt das hingegen keine Rolle. Das ist unfair.
Es gibt zwei Wege, auf diesen Befund zu reagieren – die KultusministerInnen haben sich leider für den falschen entschieden. Anstatt die Hochschulzulassung gerechter zu gestalten, etwa durch die Ablösung des NC zugunsten von Aufnahmeprüfungen, versuchen sie ein Ding der Unmöglichkeit: die Abiturprüfungen zu vereinheitlichen.
Das ist nicht allein deshalb utopisch, weil es den Ländern selbst freisteht, wie viele der Prüfungen des bundesweiten Aufgabenpools sie für ihre SchülerInnen aussuchen. Auch deshalb, weil etwa Berliner SchülerInnen Mathe umgehen können, während es woanders eine Pflichtprüfung ist.
Das Problem geht aber noch viel tiefer: Heute zählen in allen Bundesländern zum Abischnitt nicht nur die Noten der finalen Prüfung. Einen Großteil der Note machen die Fächer aus, die man in den letzten beiden Schuljahren belegt. Nur: Wie viele Leistungen einfließen, welche Pflicht sind und welche frei wählbar, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Sollten die Abinoten tatsächlich vergleichbar werden, müssten die KultusministerInnen das föderale Schulsystem antasten. Da das niemand will, bleibt nur die naheliegende Lösung: die Reform der Studienplatzvergabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung