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Studie zu Einstellungen in der PolizeiKonsequente Kontrolle statt Kosmetik

Kommentar von Robert Matthies

Die Polizei agiert nicht im luftleeren Raum: Die Hamburger Studie über ihre politischen Einstellungen macht klar, wie kontrollbedürftig sie ist.

Viele blicken mit Vorurteilen auf andere Menschen: Polizisten beobachten eine Menge Foto: Jonas Walzberg/dpa

D ie Hamburger Studie über demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen in der Polizei zeigt, was kritische Kri­mi­no­lo­g:in­nen seit Jahrzehnten betonen: Die Polizei ist kein neutraler Akteur, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Vorurteile.

Dass 23,8 Prozent der befragten Po­li­zis­t:in­nen sich politisch rechts einordnen, 45 Prozent von ihnen Asyl­be­wer­be­r:in­nen abwerten und 26 Prozent Ressentiments gegen Sin­ti*z­ze und Rom*­nja und Langzeitarbeitslose hegen, zeigt eben nicht nur individuelle Einstellungen. Es zeigt eine Institution, die von strukturellem Rassismus und Klassismus durchzogen ist.

Diese Zahlen sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer Gesellschaft, die Migration und Armut als Bedrohung wahrnimmt – Narrative, die die Polizei im Einsatzalltag reproduziert. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind gravierend. Wenn Schutzpolizist:innen, die im Außendienst mit marginalisierten Gruppen interagieren, Vorurteile zeigen, drohen Diskriminierung und Gewalt zu eskalieren.

Hinweis auf Anfälligkeit für Populismus

Racial Profiling, übermäßige Kontrollen und Misstrauen werden zur Selbstverständlichkeit – mit fatalen Folgen für das Vertrauen in den Staat, insbesondere bei Minderheiten. Die Studie deutet zudem auf eine populistische Anfälligkeit hin, die demokratische Werte untergräbt. Eine Polizei, die Politik skeptisch sieht und Autoritarismus toleriert, gefährdet die Grundrechte, die sie schützen soll.

Die pauschale Zurückweisung der Ergebnisse durch Gewerkschaften wie die DPolG, die eine geringe Teilnahmequote monieren, ist deshalb völlig verfehlt. Selbst wenn die Studie nicht alle erreicht, zeigt sie Tendenzen, die sich in tatsächlichen Disziplinarverfahren – wie gegen 15 Beamte wegen rassistischer Chats – wiederfinden.

Das Problem pauschal zu leugnen, statt darin eine Aufforderung zur Reflexion und zur Reform der Polizei zu sehen, setzt eine Kultur der Verdrängung fort. Die Vermutung, dass rechtsradikale Beamte die Befragung gemieden haben, lässt befürchten, dass die Realität tatsächlich noch viel schlimmer sein könnte.

Gegen diese erschreckenden Tendenzen helfen keine kosmetischen Reformen. Es braucht eine konsequente gesellschaftliche Kontrolle und Kritik polizeilicher Macht: transparente Monitoringmechanismen, verpflichtende Anti-Rassismus-Trainings und eine Diversifizierung des Personals.

Aber die Polizei agiert nicht im luftleeren Raum. Deshalb müssen auch die sozialen Wurzeln angegangen werden – Bildung, Medien und Politik müssen aufhören, Minderheiten zu Sündenböcken zu machen. Nur so kann die Polizei zur Hüterin der Demokratie werden statt zu ihrer Bedrohung.

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Redakteur taz nord
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14 Kommentare

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  • Ja, man fragt sich schon, was treibt junge Menschen an, in den Polizeidienst zu gehen. Ist es, eine Waffe am Gürtel zu tragen, mit Blaulicht über rote Ampeln zu fahren, Menschen zu kontrollieren oder die eher schlechte Bezahlung ?



    Vielleicht auch keine Aussicht in der freien Wirtschaft, mangels guter Schulausbildung, einen Job zubekommen.



    Bisher, muss ich sagen, hatte ich immer recht positive, hilfsbereite Kontakte mit Einsatzkräften der Polizei.

  • Wenn ein Viertel der Bevölkerung aus rechten, überwiegend männlichen Arschlöchern besteht, wäre es komisch, wenn es ausgerechnet in einer männerbündischen Organisation wie der Polizei anders sein sollte. Und ist es nicht so, dass die am Ende des Beitrags erwähnten "Medien" davon leben, dass sie emotionalisierende Themen und "Einordnungen" verkaufen, die das jeweilige Weltbild der Leser stützen, statt es zu verändern? Sie bleiben also Teil des Problems. Das gilt v.a. für Online-Medien und ihr permanentes Heischen nach Aufmerksamkeit.



    Der gutgemeinte Appell im letzten Absatz ließe sich zusammenfassen zu "Polizisten, lest mehr taz". Was mir darin zum Ausdruck zu kommen scheint ist aber nicht so sehr eine mögliche Strategie zum Abbau von Rassismus, Misogynie und Verachtung sozial Unterlegener, sondern eher: Ratlosigkeit.

  • immerhin sind bei der polizei offenbar weniger rechte als in gewerkschaften, da gibts die rechts eingestellten seit jahren regelmäßig bei 25%.

  • Im Grunde funktioniert die Polizei wie sie soll.



    Ziel der Polizei ist Unterdrückung von fortschrittlich-demokratischen mündigen Bürgern, und der Schutz und Mehrung der Priviligien der reichen alten weißen Männer und Kapitalisten.

    Unter diesem Blickwinkel funktioniert die Polizei perfekt.

    • @Dr Regina:

      Ups, die Polizei muss geltendes Recht umsetzen, nicht mehr und nicht weniger. Zudem sind Polizisten, während Ausübung ihres Dienstes, weisungsgebunden.

    • @Dr Regina:

      Nur stimmt das nicht.

      Ist nicht das Selbstbild der Polizei.

      Zudem wollen nicht mal die meisten Rechten die Privilegien der reichen Kapitalisten schützen.

      Außer sie sind reiche Kapitalisten.

      Unterhalten Sie sich einfach mal mit einem AfD-Wähler.

      Das erweitert den Horizont.

  • "Dass 23,8 Prozent der befragten Po­li­zis­t:in­nen sich politisch rechts einordnen, 45 Prozent von ihnen Asyl­be­wer­be­r:in­nen abwerten und 26 Prozent Ressentiments gegen Sin­ti*z­ze und Rom*­nja und Langzeitarbeitslose hegen, zeigt eben nicht nur individuelle Einstellungen."

    Überraschend, dass 28,3% in Hamburg eher rechts gewählt haben und damit mehr als in der Polizei... und 45% Ressentiments... das glaube ich, könnte ja auch nicht nur ein Problem der "Rechten" sein... und...

    "Die Vermutung, dass rechtsradikale Beamte die Befragung gemieden haben, lässt befürchten, dass die Realität tatsächlich noch viel schlimmer sein könnte."

    Durch was ist die Vermutung gestützt? Ich Spiegel das einfach mal zurück mit meiner "Vermutung"->'Linksradikale Beamte mieden die Befragung, oder gingen hin um das Ergebnis zu verschlechtern.'

    Ist genau so einfach mal von mir behauptet worden. ;)

    Sicher gibt es ein Problem bei der Polizei, aber einfach draufhauen führt dazu, dass zu freiwilligen Umfragen bei der Polizei immer weniger gehen und das Bild immer verzerrter wird.

  • Wenn Böhmermann letzten Freitag recht hatte, dann agiert auch die Bundespolizei politisch mit manipulierten Kontrollen von afghanischen Bundeswehr-Arbeitern ggn. die offizielle Flüchtlingspolitik und mit rassistischen Motiven. Da ist dann immer eine verstärkte Kontrolle der Behörde angesagt, würde ich meinen ...

  • Schaut man sich die jeweils dargestellten Quoten an, so dürfte dies mit den Quoten in der Gesamtbevölkerung korrelieren. Wenn das der Fall ist, worin sollte dann das Problem liegen.

    Vorurteile sind menschlich. Ein systemimanentes Problem ergibt sich doch erst, wenn aus der subjektiven Einstellung ein objektives Fehlverhalten folgt. Hierzu sagt zumindest der Artikel nichts aus und vergeht sich durch Verallgemeinerungen und Annahmen, die ihrerseits vermutlich auf Vorurteilen des Autoren beruhen.

    Insoweit ist die Studie tatsächlich nicht geeignet, irgendwelche Konsequenzen umzusetzen. Die Kritik der Polizeigewerkschaft ist daher berechtigt.

  • Wieder einmal konstruiert die taz das Feindbild vom latent rechten Polizisten – diesmal mit Verweis auf eine Studie, deren Ergebnisse im Artikel stark verzerrt dargestellt werden. Aus „Anschlussfähigkeit an populistische Aussagen“ wird mal eben „Empfänglichkeit für rechte und verschwörungsideologische Haltungen“. Dass die Studie selbst ausdrücklich differenziert – etwa nach Arbeitsbelastung, Partizipation oder strukturellen Ursachen – interessiert die taz offenbar nicht. Hauptsache, die Empörungsmaschinerie läuft.

    Besonders peinlich: Hamburgs Polizei schneidet im bundesweiten Vergleich eher unterdurchschnittlich auffällig ab, was problematische Einstellungen angeht – aber das passt nicht zur Dramaturgie. Also wird lieber weggelassen.

    So funktioniert Haltungsjournalismus: Man nimmt eine seriöse Studie, biegt sie passend zurecht und nutzt sie zur Bestätigung des eigenen Weltbilds. Statt Ursachenforschung zu betreiben, wird diffamiert. Wer sich ernsthaft für eine bessere Polizei interessiert, sollte differenzieren – nicht stigmatisieren.

  • Da hilft nur eins: Linke müssen endlich die Sicherheitsbehörden als berufliche Perspektive für sich entdecken. Dann kann man die Organisationen von innen heraus ändern, so wie es schon bei vielen anderen Behörden gelungen ist.

    • @Chris McZott:

      Treffend geschrieben.



      Danke

    • @Chris McZott:

      Erstaunlich, dass der wichtigste, nächstliegende und effizienteste Punkt nicht angesprochen wird.

  • ... aus Brandenburg habe ich die Zahl, dass, geschätzt, 70% der dortigen Uniformierten eine AfD-Affinität haben.



    Und was passiert, wenn man aussieht und tätowiert/gepierct ist, wie der Forensiker Mark Benecke, und in der Ersten Klasse der Bahn sitzt, hat er mehrfach trefflich beschrieben.



    (Offenkundig kennen ihn noch immer nicht alle Polizist/innen: er unterrichtet nämlich auch an Polizeischulen...)



    Es gibt noch viel zu tun! Solange man aber reflexhaft die schützende (Politiker-)Hand drüberhält und immer nur von "Einzelfällen" schwadroniert, wird sich erstmal nix ändern.