Kommentar von Bernd Pickert zur Kritik an Trump in den USA: Widerspruch, Opposition und Widerstand
Es sind zwei alternative Reaktionsmuster, die nach Donald Trumps ersten zwei Tagen im Amt als US-Präsident bei all jenen zu beobachten sind, die seine massiven Frontalangriffe auf Zivilität, Demokratie, Bürgerrechte und Umwelt von ganzem Herzen ablehnen: Schnappatmung oder Lethargie. Inzwischen haben sogar die meisten kapiert, dass Trump genau das will – weil beides handlungsunfähig macht. Und trotzdem scheint es fast unmöglich, sich der destruktiven Wirkung dessen zu entziehen, was da in Washington entfacht wird.
Wahrscheinlich auch deshalb ist das Video von der Predigt der Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde direkt vor Trump so beeindruckend. Vollkommen ruhig, aber sehr klar und bestimmt, dabei voll in ihrer Rolle als Frau der Kirche, schleudert sie Trump entgegen, was er in seinem selbst geschaffenen Umfeld von Radikalen, Schleimern und Jasagern nie zu hören bekommt. Ein Akt des Widerspruchs, wie er dieser Tage seinesgleichen sucht. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, welchen Anfeindungen und echten Bedrohungen die Bischöfin ab jetzt ausgesetzt sein wird. Dissidenz allein wird allerdings nicht reichen, um die Durchsetzung von Trumps autoritärem Herrschaftsplan zu verhindern. Denn zu oft geht Dissidenz mit Ohnmacht einher. Es braucht auch Opposition und Widerstand. Klingt besserwisserisch, ist aber nicht dasselbe.
Die nach der Wahlniederlage derzeit auf nationaler Ebene macht- und führungslos in Trümmern liegende Demokratische Partei ist gefordert, alle Möglichkeiten auszunutzen, die ihr noch gegeben sind, um Trump im Kongress in den Arm zu fallen. Gleichzeitig muss sie ihre Gouverneure in den demokratisch geführten Bundesstaaten in Stellung bringen: Die können sowohl weiter Klimaschutz machen als auch Minderheiten schützen, auch wenn Trumps Regierung das nicht will. Aber das werden Kämpfe werden, auch um Bundesmittel, die Trump als Erpressungsmittel nutzen wird.
Gemeinsam mit Bürgerrechts- und Umweltorganisationen können sie im Übrigen die Gerichte anrufen, wo immer Trump mit seinen Dekreten gegen geltendes Recht verstößt. Das ist eine Mammutaufgabe mit ungewissem Ausgang angesichts eines erzkonservativ besetzten Obersten Gerichtshofs, der in den vergangenen Jahren stets zugunsten Trumps entschieden hat. Aber es nicht zu versuchen, hieße präventives Aufgeben – und das kann keine Alternative sein.
Im Fall etwa des Rechts auf Staatsbürgerschaft qua Geburt auf dem Boden der USA, das Trump streichen will, passiert das bereits genau so: 24 Bundesstaaten und mehrere nationale Bürgerrechtsorganisationen klagen gegen Trumps entsprechendes Dekret. Auch die Abschaffung der tausendfach genutzten Asyl-App wird bereits vor Gericht überprüft. Unzählige weitere Verfahren werden folgen, womöglich kann Trump so ein wenig in die Schranken verwiesen werden.
Vielleicht ist es gar nicht so, wie es den Anschein hatte, als diesmal im Unterschied zu Trumps erstem Amtsantritt als Präsident 2017 keine Massenproteste in fast allen Städten der USA zusammenfanden. Vielleicht sind die Menschen gar nicht resigniert und schicksalsergeben, geschockt und sprachlos, dass eine Mehrheit genau so eine Politik gewählt hat. Vielleicht suchen sie sich nur aus, wann, wogegen, wie und wo die Kämpfe aufgenommen werden, die es zu führen gilt. Man wird ja noch hoffen dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen