Kommentar neue Steuerschätzung: Ein Problem für die AfD

Die Steuerschätzung zeigt, dass genug Geld für alle nötigen Ausgaben da ist. Und selbst eine Kreditaufnahme wäre zu verkraften.

Porträt Wolfgang Schäuble

Da lacht der Finanzminister. Foto: reuters

Die Steuern sprudeln. In der neuesten Steuerschätzung kam es zwar zu kleinen Korrekturen, aber das Gesamtbild bleibt erfreulich. Zum Glück. Denn so verstehen auch verängstigte Laien, dass sich Deutschland die Flüchtlinge leisten kann und kein Bundesbürger für die „Fremden“ zurückstecken muss. Die klassische Strategie aller Rechtspopulisten funktioniert nicht, die Einheimischen gegen die Zuwanderer auszuspielen.

Für AfD und Pegida ist die neueste Steuerschätzung daher eine ganz schlechte Nachricht. Denn nichts wäre für sie so hilfreich wie eine Flaute in den Staatskassen, mit der sich quasi „objektiv“ belegen ließe, dass man kein Rassist ist, sondern nur ein besorgter Bürger, der die Grundsätze der Kameralistik besonders ernst nimmt.

Trotzdem ist die Gefahr nicht gebannt, dass es noch zu gefährlichen Finanzdebatten kommt, die die Rechtspopulisten stärken. Denn die Steuerschätzung beruht auf der Annahme, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um 1,8 Prozent wächst. Das kann man sehr optimistisch nennen.

Zudem sprudeln die Steuern zwar – aber allein werden sie trotzdem nicht ausreichen, um sämtliche Kosten für die Flüchtlinge zu decken. Der Staat muss ein paar Kredite aufnehmen. Dies wäre zwar kein Problem, weil Deutschland nur 0,6 Prozent Zinsen für zehnjährige Darlehen zahlt, aber Finanzminister Schäuble hat seine „schwarze Null“ zur obersten Staatsräson erhoben.

Bund, Länder und Kommunen müssen im nächsten Jahr mit weniger Steuereinnahmen auskommen als geplant, können in den Folgejahren aber wieder auf Zusatz-Milliarden hoffen. Nach der aktuellen Steuerschätzung fällt das Aufkommen 2016 um 5,2 Milliarden Euro niedriger aus als vorhergesagt. Finanzminister Schäuble erwartet dennoch, auch 2016 ohne neue Schulden auskommen zu können. (dpa)

Seit Jahren wird der Eindruck erweckt, als wäre Deutschland existenziell gefährdet, wenn es seinen Haushalt überzieht. Das ist zwar Unsinn, aber die Angst vor Schulden sitzt tief. Gefährlich tief. Wenn der Staat also Kredite aufnimmt, müsste es möglichst geräuschlos stattfinden. Doch irgendein Hinterbänkler in der Union wird sich garantiert als oberster Etatwächter profilieren wollen – und die Chancen stehen bestens, dass der Störenfried Horst Seehofer heißt. Die AfD wird es freuen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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