Kommentar neue EU-Abgastests: Diesel bleibt dreckig und gefährlich
PKW dürfen gesetzliche Limits für gesundheitsschädliche Abgase künftig um 110 Prozent überschreiten. Das grenzt an Körperverletzung.
S kandale können heilsam sein: Im Idealfall zwingen sie die Politik zu überfälligen Reformen. Im Diesel-Abgasskandal hat das bislang nicht geklappt.
Der VW-Betrug hat gezeigt, dass Abgasmessungen im Labor leicht austricksbar sind. Trotzdem sorgt Deutschland dafür, dass die jetzt von der EU geplanten Tests auf der Straße ausgehebelt werden. Die Große Koalition erklärt sich zwar damit einverstanden, diese schwer manipulierbaren Prüfungen einzuführen. Aber die Bundesregierung hat durchgesetzt, dass die Autos dann die Grenzwerte für die gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxide um 110 Prozent überschreiten dürfen.
Angeblich könnten die Hersteller schärfere Regeln nicht einhalten. Busse und Lastwagen jedoch stoßen trotz ihres größeren Gewichts weniger Stickoxide als die meisten Diesel-Pkws aus. Die Hersteller müssten die dort angewendete Abgasreinigungstechnik nur konsequent auch in Pkws einbauen. Doch das ist ihnen zu teuer.
Völlig absurd ist das Argument, die aktuellen Grenzwerte seien für die alten Tests mit ihren zwangsläufig unrealistisch niedrigen Ergebnissen berechnet worden. Dabei steht in der maßgeblichen EU-Verordnung klar, dass die Limits „bei normalen Nutzungsbedingungen“ einzuhalten sind.
Alles andere grenzt an Körperverletzung. An 60 Prozent der deutschen Messstationen nahe Straßen ist die Luft mit mehr Stickstoffdioxid belastet als erlaubt – vor allem aus Fahrzeugen. Asthmatiker und Allergiker leiden deshalb an Bronchitissymptomen. Außerdem tragen die Abgase zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.
Auch die Begründung: „Wir müssen Arbeitsplätze der deutschen Industrie schützen“, zieht nicht. Die USA wollen ihre Grenzwerte gegenüber deutschen Herstellern wie VW sehr wohl durchsetzen. Wenn die hiesigen Autobauer weiter so dreckige Diesel-Pkws produzieren, werden sie Marktanteile verlieren – und Jobs.
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