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Kommentar manipulierte AbgastestsPrüft endlich auf der Straße!

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Weil Abgasausstoß und Treibstoffverbrauch im Labor gemessen werden, konnte VW manipulieren. Wir brauchen endlich neue Zulassungstests.

Abgastest müssen nicht im Labor stattfinden Foto: dpa

D er Skandal um manipulierte Abgastests von VW-Diesel-Autos in den USA bedeutet für die Europäische Union vor allem eins: Auch sie muss ihr Zulassungssystem reformieren – und zwar dringend.

Denn wie die USA verlangt die EU von den Herstellern, den Abgasausstoß und den Treibstoffverbrauch im Labor zu messen. Doch diese Tests kann die Autosoftware leicht erkennen, weil sich das Fahrzeug nicht bewegt. Sie kann den Motor so steuern, wie sie das bei normalen Fahrten nie tun würde.

Das Auto stößt dann weniger gesundheits- und klimaschädliche Gase aus als erlaubt. Außerhalb des Testlabors reagiert der Motor aber viel „spritziger“ und bläst mehr Abgase in die Luft. Wenn diese Manipulationen in Nordamerika stattfinden, wird es sie auch hier geben – wie es Umweltschützer ja schon seit Jahren behaupten.

Solche Tricks sind Betrug: An den Menschen, die wegen Stickoxidgrenzwertüberschreitungen in den Städten Bronchienprobleme bekommen. An der Umwelt, denn die Abgase tragen zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei. Und an den Autokäufern, da die Tests zu geschönten Angaben über den Kraftstoffverbrauch führen.

Dabei sind die Labortests auch ohne illegale Manipulationen vorteilhaft für die Industrie. Sie sehen viel niedrigere Beschleunigungen als im richtigen Leben vor, nie fahren die Autos schneller als 120 Stundenkilometer, Verbraucher wie Radio und Klimaanlage sind immer aus.

Die Lösung sind Tests mit mobilen Messgeräten auf der Straße. Die Software der Autos kann sie nicht erkennen und manipulieren. Und sie sind automatisch realistischer als die Messungen im Labor. Deshalb hätte die EU Tests auf der Straße schon vor Jahren vorschreiben müssen. Nun plant die Europäische Kommission endlich eine Reform, aber sie wird von der (deutschen) Autolobby verzögert und verwässert. Das nutzt einer mächtigen Industrie – schadet aber Gesundheit und Umwelt.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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11 Kommentare

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  • Beim TÜV wird doch sowieso regelmäßig Abgas gemessen. An jeder Karre. Unter Realbedingungen. Also völlig umsonst, die Aufregung, Herr Maurin.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Auf 2 Rollen stehen und kurz Gas geben sind Realbedingungen?

      Vielleicht wenn man im Auto auf einem Kinderkarussell sitzt...

  • Ich dachte immer, das sei eine Verschwörungstheorie der Umweltschutzverbände, weil eine so dreiste Form der Manipulation doch völlig abwegig ist.

  • Geht's noch? Vom Papst verlangt ja auch keiner einen Wahrheitstest unter Alltagsbedingungen.

    • @tätig ist:

      Was ist das denn für ein dämlicher Vergleich?

  • …..irgendwie „richtig cool“, WIEDER EDER festzustellen, dass jede gesetzliche Regelung für die Katz ist, wenn in der Chefetage die Verwahrlosung im Kopf und die von Moral und Ethik dazu führt, Mittel und - hier WIEDERHOLT mit ERHEBLICHER krimineller Energie - Wege zu finden, die gesetzlichen

    Regelungen ad absurdum zu führen.

    Insbesondere, dass man - offensichtlich - eher bereit war finanzielle Mittel für diese ERHEBLICHE kriminelle Energie zur Verfügung zu haben/ zu stellen, als dass man diese Mittel mit dem Ziel in die Entwicklung steckt, den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, um damit - auch - seine Zugehörigkeit zur vorgegebenen Gesellschaftsordnung deutlich zu bezeugen.

     

    Wir dürfen an der weiteren Entwicklung teilhaben, die bei dem anstehenden Bilanz- und Aktieneinbruch wieder „Umstrukturierungen“ zur Folge haben, die in ihren verheerenden -wirtschaft-lichen Folgen -, WIEDER nicht die - verwahrlosten - Entscheider (Verursacher) treffen.

    Es ist zum kot…..!!

  • "Nun plant die Europäische Kommission endlich eine Reform, aber sie wird von der (deutschen) Autolobby verzögert und verwässert. Das nutzt einer mächtigen Industrie – schadet aber Gesundheit und Umwelt."

     

    Der Automobilkomplex schadet der Gesellschaft. Es wird krampfhaft versucht, eine Technologie des 20. Jahrhunderts hochzuhalten. Wenn die Absatzmärkte in den BRICS-Staaten wegbrechen, geht das große Geheule los. Dann macht Mutti Merkel einfach Steuergelder locker und schon ist wieder eine aufgeblähte "too big to fail"-Firma gerettet.

  • Daß die Prüfzyklen manipuliert werden, ist ein offenes Geheimnis. Bei Sportwagen ist eine Bypass-Klappe im/am Auspufftopf sogar legal. Sie bleibt im Sound-Prüfzyklus mutmaßlich geschlossen. Oder mit anderen Worten, die Manipulation geschehen mit Wissen und langjähriger Duldung aller Verantwortlichen.

     

    Ich habe auch keine Zuversicht darin, daß die Prüfzyklen auf der Straße nicht erkannt werden. Notfalls werden dann Tachostand (Neuwagentest) und GPS-Koordinaten (stand Viertelstunde auf TÜV-Parkplatz) ausgewertet.

    • @Bodo Eggert:

      Dieses Problem gibt es genauso bei Motorrädern, nur dass die noch weitaus zahlreicher sind als Sportwagen.

       

      Aus einem Werbetext für Harley-Zubehörteile "Made in Germany":

      "Eines der häufigsten Ärgernisse an aktuellen Original Harley-Modellen ist der inzwischen doch recht "mäßig" klingende Auspuffsound. Bei Modellen ab Baujahr 2007 mit Auspuffkrümmersteuerung (Klappensystem), sorgt dieser kleine, wasserdicht gekapselte Bypass-Stecker dafür, daß Ihre Harley wieder "standesgemäß" klingt" - darunter der scheinheilige Hinweis "Keine Strassenzulassung".

       

      Woran liegt es eigentlich, dass denen, für die ohrenbetäubender Lärm ein Spassfaktor ist, nicht endlich einmal der "standesgemäße Auspuffsound" runtergedreht wird?

      • @Marzipan:

        Hier, abseits von idyllischen Motorradstrecken gibt es unter den Motorrädern relativ gesehen so viele Lärmgeräte, wie unter den PKW. Nur die leisen Motorräder (meines) bemerkt keiner, und Sportwagen werden eher bewundert.

  • Es ist eine gut gemeinte Forderung, doch bei genauer Betrachtung wird da nur der Teufel beim Beelzebub verklagt. Denn solange die meisten Volksvertreter zu recht darauf hoffen dürfen, daß bei ausreichender Gefälligkeit nach dem Ausscheiden aus der Politik ein lukrativer Posten in einem Konzern bereit steht, wird jede Gesetzesänderung nur so erfolgen, daß sie garantiert wirkungslos bleibt.