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Kurz zusammengefasst, liegt der Schlüssel zu wahrer Veränderung in einem politischen Diskurs, der geprägt ist von Verständnis (statt Verachtung und Voreingenommenheit), sowie Abwägung und Synthese (statt Schwarz-Weiß-Denken). Wir müssen also endlich nach einer politischen Synthese suchen, mit der beide Lager leben können - sonst wird sich letztendlich nie etwas ändern, sondern die Realität wird immer hin- und herschwingen zwischen instabilen politischen Extremen, die sich gegenseitig abwechseln und einander zerbrechen. Unsere Energie brauchen wir für die Suche nach dem bestmöglichen, nachhaltig lebbaren Kompromiss und nicht für gegenseitige Diffamierung und Abgrenzung!
(Auch wenn uns unsere "Spitzenpolitiker" leider letzteren Stil tagtäglich vorleben).
Zurück zu Chile:
Im Übrigen finde ich den Kommentar von "Cristián Lehmann C" weiter oben sehr sinnvoll und positiv. Auch mir scheint es so, dass sich die Mehrheit der Wähler in Chile für Veränderung des aktuellen Systems in eine sozialere Richtung ausgesprochen hat. Und das finde ich gut. Ebenso finde ich es gut, dass sich diese Stimmen auf verschiedene "Reformer" verteilt haben. Das mag vielleicht den Prozess verlangsamen, was für viele Menschen frustrierend sein mag. Doch vielleicht führt es auch dazu, dass die Veränderungen durchdachter, kompromissorientierter sein wird... wir werden sehen.
Egal ob in Chile oder Sonstwo:
Meine Hoffnung liegt letztlich in den gemäßigten Linken und den gemäßigten Liberalen, die erkennen, dass ihre Ziele doch nicht so weit auseinander sind, wie sie lange Zeit dachten. Und ein bisschen hoffe ich auch, dass die extremeren Linken irgendwann schlau genug sind, zu erkennen, dass sie mit einer extremen (Anti-)Haltung nur die Ängste der Konservativen schüren und damit selber schuld sind, wenn Veränderungen blockiert werden.
In diesem Sinne:
Respektiert euch und habt euch lieb ;-).
Liebe Grüße,
Matthias
Lieber Valparaiso,
Lieber Toddy,
mit großem Interesse habe ich Ihre Diskussion verfolgt. Sie zeigt uns ganz klassisch die beiden Fronten "neo-liberal" vs. "links". Symptomatisch auf beiden Seiten ist die herangehensweise, die Gegenseite mit pseudo-historischen Argumentationen zu diskreditieren und der unglückliche Vergleich verschiedener politischer Systeme, wie der DDR, dem Pinochet-Regime oder dem Dritten Reich. Ich frage mich, warum der Großteil des politischen Diskurses noch immer mit einem so schlechten, destruktiven Stil geführt wird?
Wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann doch, dass Extremismus und Machtkonzentration, sowie gegenseitiges Unverständnis und Polarisierung immer zu größtem Elend geführt haben! Dabei ist jeglicher Vergleich zwischen den Zuständen eines Stasi-Gefängnisses, einer Pinochet-Folterkammer oder eines Nazi-Konzentrationslagers nicht nur völlig unangebracht sondern für eine konstruktive politische Diskussion auch ohne jede Bedeutung. Ein solcher Vergleich kann politische Argumentationen in keinster Weise stützen sondern zeugt nur von Unvermögen, etwas aus den historischen Beobachtungen zu lernen.
Ein empathischer Mensch hingegen ist schockiert vom Unrecht, völlig egal ob im KZ Dachau oder in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und muss selbiges nicht "quantifizieren". Er versucht daraus zu lernen, indem er sich bemüht, Umstände nachzuvollziehen und nachzuempfinden, die zu diesem eigentlich unvorstellbaren Unrecht geführt haben mögen - ohne seinen Fokus darauf zu legen, andere zu verurteilen.
Auf den politischen Diskurs übertragen bedeutet dies:
Linke und Konservative müssen gleichermaßen aufhören, sich dogmatisch hinter ihren Positionen zu verschanzen sondern sollten endlich versuchen zu verstehen, warum der andere so denkt, wie er denkt.
Warum verwundert es nicht das Sie in Ihrer Argumentknappheit sich,Verzeihung,Entblöden mit „linksradikal“ und natürlich der Stasikeule zu kommen. Ich sage nur DINA und Patria u Libertad, letztere haben schon in der Allende Zeit politische Morde begangen. Da wäre so etwas wie die Stasi zum Schutz der Mehrheit der Bevölkerung angebracht gewesen. Was hat Sie denn „Da“ so erschüttert? Waren es die Ampeln, die Gänge oder die Gefängniszellen oder die Vernehmungszimmer. Oder war es etwa die „Wasserzelle“. die wohl ausschließlich von den Russen (gegen Nazis) verwendet wurde und nach vorliegenden höchst glaubhaften Informationen seit Jahrzehnten als Lagerraum benutzt wurde. Bis sie ein Spinner aus dem Westen für sein (höchst profitables) Gruselkabinett liebevoll restauriert hat. Von der Stasi wurde keiner mit Elektroschocks traktiert, mit Ochsenziemern, Drahtpeitschen uä. Geschlagen, keiner wurde aufgehangen, keinem die Fingernägel rausgerissen es gab kein Waterboarding! Wenn es physische Misshandlungen gab dann liegen die ewig weit zurück und seriöse Zeugen kann man nach Aktenlage. wenn überhaupt an der Hand abzählen, Es gab auch kein aktiven Mordkommandos (wie die gestern vermeldeten Britischen oder die diversen Opfer des Gladio und Stay by hind Strukturen weit bis in die 70 er Jahre). Wenn mich etwas erschüttert dann waren die zerschmetterten Hände von Victor Jara, die hundertfachen Berichte von Mord, Folterung und Vergewaltigung, die Bilder der KZ Stadien, die Leichen in den Chilenischen Flüssen, Colonia Dignidad, dem Mord an Pablo Neruda.
@Valparaiso - Sie schreiben so viel von "linker Denke", "Ideologie" & Co. und benutzen dabei altbekannte Termine, dass ich eher den Eindruck habe, dass Sie selbst ideologisch verblendet sind.
Und Sie haben offenbar schlichtweg keine Ahnung, wenn sie schreiben, dass "linke Wirtschaftspolitik" in keinem Land der Erde je funktioniert hat. Hier ein paar Gegenbeispiele aus der "westlichen Welt":
Roosevelt New Deal, Marshal-Plan in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg, die "soziale Marktwirtschaft" der BRD. Tatsache ist dass die USA ebenso wie Europa durch "linke" Wirtschaftspolitik (die teils von konservativen Politikern gemacht wurde) nach dem 2.Weltkrieg schnell zu Wohlstand kamen. Seit 30 Jahren hingegen geht es dort trotz Wachstum immer mehr Menschen schlechter - einfach weil neoliberale Umverteilung von unten nach oben praktiziert wird.
Wenn Bachelet etwas tut, dass gewissen Gruppen in Chile und den USA nicht passt, gibts da ja das altbewährte Rezept, dass schon im Fall Allende angewandt wurde.
Chile hat eine Einkommensungleichheit, die etwa dem südamerikanischen Durchschnitt entspricht. Nicht schön, aber immerhin besser als beispielsweise im benachbarten Bolivien, seit vielen Jahren unter Evo Morales.
Andererseits hat Chile die grösste Wirtschaftsleistung pro Kopf, und auch die höchste Lebensqualität nach HDI von allen Ländern Südamerikas.
So gesehen ist Chile's Wirtschaftsmodell die schlechteste Wirtschaftsform, ausgenommen alle anderen Wirtschaftsformen, die seit Kolumbus in Südamerika ausprobiert wurden.
Irrtum, Chile hat die beste Wirtschaftsform. Linke Wirtschaftspolitik hat noch in keinem Land der Erde funktioniert. Es gibt schlicht kein Beispiel. Dennoch und unter völliger Misachtung der historischen Erfahrungen wenden Linke deren schädliche Konzepte immer wieder an und verursachen immer wieder das gleiche katastrophale Ergebnis.
Linke können es einfach nicht, weil sie nicht lernfähig sind und ideologisch so verblendet, dass selbst wenn das Land verrottet und die Arbeitlosigkeit in ungeahnte Höhen schnellt, sie keine keine Veranlassung zum Ändern des Kurses sehen.
Herr Picket missdeutet das Wahlergebnis in ärgerlicher Weise. Im Ergebnis drückt sich nicht aus, dass Bachelet nicht die Präsidentin aller Chilenen sein wird. Darum geht es nicht. Erstens hat die Rechte Allianz die Hälfte ihrer Wählerschaft verloren, gemessen an allen Wahlen seit der Rückkehr zur Demokratie. Nur 25% hat die Rechte Allianz gewählt. Das darf man nicht unbemerkt lassen. Das ist für Chile beinahe historisch zu nennen. Zweitens haben sich drei von vier Wählern für Kandidaten entschieden die für Reformen eintreten, ganz gleich, ob diese umgesetzt werden oder die Kandidaten enttäuschen. Und das ist die eigentliche Kernaussage des Wahlergebnisses: Die Chilenen wollen Veränderungen, unabhängig davon, ob die Präsidentin Bachelet heisst oder nicht. Vor vier Jahren bei den Wahlen ging es bereits um Veränderungen nach 20 Jahren Concertacion Regierung, und damals noch haben knapp über 50% der Chilenen der Rechten Allianz ihr Vertrauen ausgesprochen. Dieses Vertrauen ist in dramatischer Weise verloren gegangen. Die Proteste der letzten Jahre haben Früchte getragen. Sämtliche studentische Anführer haben die Mandate in ihren Kreisen gewonnen.
"Zur Disposition steht das eigentliche Erbe der Pinochet-Jahre: die neoliberale Ökonomie des Landes."
Die böse neoliberale Ökonomie hat bewirkt, dass Chile das wohlhabendste und entwickelste Land Süd- und Lateinamerikas ist und sich in den entsprechenden Indikatoren auf Augenhöhe mit europäischen Staaten befindet. Der TAZ mag es ein Dorn im Auge sein, dass eine nicht autoriäte Wirtschaftsform zu Wohlstand für ein Land führen kann, jedoch wird sich an der ökonomischen Ausrichtung nichts ändern. Die Linken in Chile haben etwas begriffen was Linke in diesem Land nie verstehen werden: Die Hand die einen füttert schlägt man nicht.
Dicht gefolgt von der AfD geht die SPD mit Dietmar Woidke als erste durchs Ziel. Populäre Spitzenkandidaten zahlen sich im Wahlkampf aus.
Kommentar Wahl in Chile: Die Diktatur wirkt nach
Vor der Stichwahl wird sich Chile polarisieren. Zur Disposition steht das eigentliche Erbe der Pinochet-Jahre: die neoliberale Ökonomie des Landes.
Michelle Bachelet: Sie wird nicht die „Präsidentin aller Chilenen“ werden. Bild: ap
Es wird ein Monat der scharfen Polarisierung werden, der Chile jetzt bevorsteht. Am 15. Dezember werden sich in der Stichwahl um die Präsidentschaft die Sozialistin Michelle Bachelet und die Arbeitsministerin der derzeitigen Rechtsregierung, Evelyn Matthei, gegenüberstehen. Nicht nur ihre Biografien könnten unterschiedlicher nicht sein.
Wenige Monate, nachdem Chile des 40. Jahrestages des Putsches gegen die gewählte sozialistische Regierung Salvador Allendes gedacht hat, steht das eigentliche Erbe der Pinochet-Diktatur erneut zur Wahl. Unter Pinochet war der Sozialstaat abgeschafft und eine radikale Umverteilung der Verteilungs- und Besitzverhältnisse von unten nach oben durchgesetzt worden. Chile hat sich politisch weitgehend demokratisiert – doch das Wirtschaftsmodell der Diktatur ist noch immer unangetastet. Im Ergebnis ist Chile heute eines derjenigen Länder, das trotz lang anhaltenden stabilen wirtschaftlichen Wachstums eine der größten Gerechtigkeitsscheren der Welt aufweist.
Schon 2006 war Michelle Bachelet nach einem Wahlkampf Präsidentin geworden, in dem sie versprochen hatte, diese Lücke zu schließen. Doch aus der angekündigten Reformagenda wurde während ihrer ersten Präsidentschaft – fast – nichts. Seither sind die sozialen Proteste im Land stärker geworden, die Studierendenbewegung hat im Bildungssektor Reformen angemahnt und damit viel Bewegung auch in anderen Bereichen angestoßen. Nur: Das Wahlergebnis vom Sonntag zeigt, dass Chile von einer riesigen gesellschaftlichen Mehrheit für linke Reformen weit entfernt ist.
Bachelet hat vermocht, sich trotz ihrer enttäuschenden ersten Amtszeit erneut als Hoffnungsträgerin für Reformen zu präsentieren. Gewinnt sie im Dezember die Stichwahl, wird das knapp sein. Tut sie, wofür sie gewählt wird, wird sie nicht die „Präsidentin aller Chilenen“ sein. Daran aber, wieviel sie tatsächlich verändern kann, wird zu bemessen sein, wie weit Chile auf dem Weg ist, die Diktatur wirklich hinter sich zu lassen.
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Kommentar von
Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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