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Kommentar Verdi und der Kita-StreikKlägliches Ende

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Der Streik im Erziehungs- und Sozialdienst wird im Frust der Beschäftigten münden. Die Gewerkschaftsspitze ist dabei, eine große Chance zu vertun.

Hat keinen Bock mehr auf Kita-Streik: Verdi-Chef Frank Bsirske Foto: dpa

M ag die Wut über die Unnachgiebigkeit der kommunalen Arbeitgeber noch so groß sein: Der Streik im Erziehungs- und Sozialdienst ist beendet. Daran wird auch die Mitgliederbefragung von Verdi nichts mehr ändern. Weil die Gewerkschaftsspitze um Frank Bsirske es so will. Die tiefe Enttäuschung der Beschäftigten, die wochenlang aufopferungsvoll für die Aufwertung ihrer Berufe gekämpft haben, nimmt sie dabei billigend in Kauf.

Am liebsten hätten Bsirske und Co. schon jetzt den Arbeitskampf offiziell beendet. Ihr Fahrplan stand: Am Mittwoch sollte die Streikdelegiertenkonferenz den Schlichterspruch abnicken, für Freitag stand die Beschlussfassung der Bundestarifkommission über den Tarifabschluss auf dem Programm. Eine Mitgliederbefragung mitten in den Schulferien war hingegen nicht geplant gewesen. Jetzt gibt es sie doch, aber nur aus einem einzigen Grund: um der eindeutigen Stimmung unter den mehr als 300 Vertreterinnen und Vertreter aus den Streikbetrieben nicht nachgeben zu müssen.

Was auf der Streikdelegiertenkonferenz stattgefunden hat, ist eine kleine Revolution: Die Basis ist ihrer Führung nicht gefolgt. Der Kita-Streik hat den Beschäftigten im Erziehungs- und Sozialdienst das Selbstbewusstsein gegeben, sich nicht mit Brosamen abspeisen zu lassen. Sie haben sich von Bsirske nicht etwas als Erfolg verkaufen lassen, was keiner ist.

Doch nützen wird ihnen das nichts. Die Verdi-Führung wird alles unternehmen, um nicht wieder streiken zu müssen. Sie ist dabei, eine große Chance zu verpassen. Denn wie beim kläglich beendeten großen ÖTV-Streik 1992 wird die Enttäuschung riesengroß sein. Hoffentlich hat die Verdi-Spitze wenigstens beim Poststreik einen längeren Atem. Sie ist es ihren Mitgliedern schuldig.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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10 Kommentare

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  • Wenn es nicht so traurig für die Beschäftigten wäre, könnte man zynisch sagen: "NO BUSINESS LIKE SHOW BUSINESS"

     

    Die Mehrheit der Verantwortlichen in den Gewerkschaften haben sich doch mehr oder weniger "häuslich" eingerichtet.

     

    Und wenn dann einmal eine Gewerkschaft, seine Sache wirklich ernst nimmt, wie unlängst die GDL, folgt eine MEDIALE KAMPAGNE gegen die Gewerkschaft und Personen, dass dies schon an Volksverhetzung grenzt.

     

    Wo die Reise hingehen soll, weiß man eigentlich spätestens seit die SPD Frau Nahles, kleinen Gewerkschaften, mit einem TARIFEINHEITSGESETZ, das streiken unmöglich machen soll? Die großen Gewerkschaften klatschen auch noch Beifall?

  • Dies wird sich sehr, sehr bitter fuer ver.di raechen. Die Arbeitgeber haben von Anfang an, auf diese Karte gesetzt: Ver.di ist eine angeschlagene, geschrumpfte, schwache Gewerkschaft, die man nur richtig gut unter Druck setzen muss. Das hat - leider - funktioniert.

     

    Aber Bsirske geht dieses Mal nicht nur mit einem blauen Auge aus dem Ring, sondern ihm droht auch das Ende. Dieses Ding hier hat er zulasten seiner Basis gemacht und die wird ihm nicht verzeihen.

     

    In Hamburg hat Rot-Gruen schlimme Zustaende fuer die naechsten 10 Jahre festgeschrieben - bei miesen Loehnen wird das den Gewerkschaftsfrust stark anheizen. Und in solchen ultrateuren Staedten wie Muenchen oder Frankfurt sind ErzieherInnen schon heute eine Art Unterschicht im Gehaltsgefuege geworden.

     

    Manchmal sehen die Eltern schon ihre Erzieherin in der Eckkneipe am Abend wieder. Zweit- und Drittjobs gehoeren vielerorts schon zu den sozialen Berufen. Aber viele werden auch was anderes suchen, wenn es denn geht.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Menschenkinder! Was sollen denn die Hinweise auf Dienstwagen, Business-Class, Gehalt und teure Anzüge?

     

    Entscheidend ist die Politik, die Verdi und Bsirske machen. Und NUR die! Wenn die im Sinne der Arbeitnehmer ist, soll er sich zwei kubanische Zigarren Marke: unbezahlbar anzünden, eine in den Mund und eine in den A.... stecken und gleichzeitig rauchen.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Bsirkse verfolgt seine PERSÖNLICHE egoistische Ziele. Und wie er sich verhällt ist sehr wichtig.

  • Wer waren nochmal die beiden Schlichter? Ein ehemaliger Oberbürgermeister und ein ehemaliger Ministerpräsident - also quasi Vertreter der Arbeitgeberseite. Das war doch sicherlich der Gewerkschaft schon vorher klar, dass da nichts rauskommt was im Interesse der Streikenden ist. Aber dank des neuen "Tarifeinheitsgesetzes" braucht Verdi auch nicht zu befürchten, dass jetzt die Betrogenen eine neue Gewerkschaft gründen.

  • Unterm Strich haben Verdi und die anderen DGB-Gewerkschaften seit über 15 Jahren jede neoliberale Schweinerei nach ein bisschen zur Schau vorgetragenem Verbalgeplänkel brav abgenickt und auch die Streiks taten weder jemandem wirklich weh, noch brachten sie wirkliche Erfolge.

    Auch sonstiges Engagement, von den Schlecker-Frauen bis zu den Opelanern verlief stets im Sande.

  • mein Got, mein Vater ein alter DKämpfer wird sich wohl im Grabe umdrehen, wenn er dies Nieten noch hätte sehen könnte, so ein schlaper Haufen, Dienstwagen c 20.000€ Gehalt , naja platine CC , first Class auf allen Wegen,Aber keine Eier in der Hose!

  • Bsirske: fliegt erste klasse, trägt teueren massgeschneiderte Anzüge, verdient ein dickes Monatsgehalt, was die meisten VER.DI mitglieder wenn überhaupt, nur in 12 Monaten veridenen. Und auf dem verlassen die sich?

     

    Dann haben die nicht verstanden mit wem die zu tun haben.

     

    Bsirkse interessiert sich nur für Bsirske. Punkt.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Sehen wir das GUTE IM SCHLECHTEN und nehmen uns - sinnbildlich - ein Beispiel daran: die Basis ist ihrer schwachen Führung, die keine Eier hat, nicht gefolgt. Ein schwacher Trost. Aber ein Trost ... immerhin. Einer, der von Reife bzw. Reifung zeugt.

     

    Was zeigt uns dieser Vorgang: wirkliche Veränderung kann nur von unten nach oben wachsen, so wie eine Pflanze aus der Erde über die Wurzel heraus wächst, um Stile, Blätter und Blüten zu bilden.

     

    Über Verdi und Bsirske wird der Wind der Geschichte hinwegwehen. Je eher, desto besser. Der Ausgang des Postsstreiks wird daran nichts ändern.

  • in den altn Zeiten, wollte sie Gewerkschaft 5%, der AG woltlte 3 %, man traf sich in der Mitte und die Welt war in Ordnung, heute will Verdi Politik machen, setzt die Forderungen so hoch dass ein Scheitern voraussehbar ist, dann beschliesst man einen Streik der so schlampig geführt wird, dass kaum jemand begreift, worum es geht, ob der Streik 1 -10-100 Tage ist, verpufft vollkommen, gelangweilte Streikende, Null infos fürPublikum oder Verbraucher, so kann man Intressen nicht vermitteln, jetzt scheitert ein Streik nach dem anderen, weitere Streiks vermitteln der Umwelt nur noch mehr Unverständnis, Schmidt Georg 42 Jahre IG Metall und Vertrauensmann !