piwik no script img

Kommentar Union und Grün-Rot-RotDas grüne Gespenst

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die CDU-Chefin feuert gegen die Grünen, weil die in Bremen lieber mit Rot-Rot regieren wollen – ein mögliches Intro für eine Grüne-Socken-Kampagne.

In einem Dilemma: Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa

D er Niedergang der SPD verstellt derzeit gnädig den Blick auf die Krise der Union. Auch deren Wahlergebnisse sind mies, die Aussichten auf die Wahl im Herbst in Sachsen sind ernüchternd. Die Frage, wer eigentlich das Sagen in der Partei hat, ist fast so unklar wie in der Post-Nahles-Sozialdemokratie. Kramp-Karrenbauer? Brinkhaus? Laschet? Nicht nur die SPD bleibt eher aus Not in der Regierung – das gilt auch für die Union.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist in einem Dilemma. Sie soll Merkels Nachfolgerin sein, während Merkel weiterhin über allem thront. Das ist mehr als nur ein machttaktischer Konstruktionsfehler. Denn Kramp-Karrenbauer hat eine schwer erfüllbare doppelte Mission. Sie soll Merkels liberales Erbe bewahren, aber auch die Konservativen bedienen. Darin fokussiert sich ein ungelöster Richtungsstreit. Bleibt die Union liberale Merkel-Partei, die jederzeit mit den Grünen regieren würde? Oder sendet sie verstärkt Signale nach rechts, holzt mal gegen Linksliberale und konkurriert klammheimlich mit der AfD? Dieser Konflikt findet sich spiegelbildlich auch in der SPD.

Es verwundert nicht, dass Kramp-Karrenbauer in dieser Lage gegen die Grünen feuert, weil die in Bremen lieber mit SPD und Linkspartei regieren wollen. Gegen links geht in der Union ja immer. Im Saarland hat Kramp-Karrenbauer 2017 geschickt die Vorbehalte gegen die Linkspartei und Lafontaine für ihren Wahlsieg genutzt. Wer Grün wählt, bekommt Dunkelrot – das mag das Intro für eine Art Grüne-Socken-Kampagne sein, mit der die Union künftig eigene Unklarheiten überspielt.

Strategisch günstige Mitte

Das wird aus drei Gründen eher nicht gelingen. Die Linkspartei regiert solide mit Bodo Ramelow in Thüringen und mit Klaus Lederer in Berlin und ist als Schreckgespenst nur noch bedingt tauglich. Und: Eine Extremismuskampagne funktioniert eher gegen eine moderat linke Partei wie die SPD, der irgendwie Nähe zur Linkspartei angeklebt werden kann.

Die Linkspartei regiert solide mit Bodo Ramelow in Thüringen und mit Klaus Lederer in Berlin und ist als Schreckgespenst nur noch bedingt tauglich

Im System nach den Volksparteien zeichnet sich eine neue Architektur ab: rechts Union und FDP, links SPD und Linkspartei, in der Mitte die Grünen. Die Mitte ist für Koalitionen der strategisch günstigste Ort. Dort existieren die meisten Schnittmengen. An einer Mitte-Partei perlen Extremismuskampagnen ab. Die Verdachtsrhetorik kann sogar nach hinten losgehen. Warum ist die Union eigentlich so scharf darauf, mit unsicheren Kantonisten wie den Grünen zu regieren?

Schließlich lautet das Signal, das die grüne Führung sendet: Sie würde im Bund eigentlich lieber mit der Union regieren. Und nur, wenn es nicht anders geht, mit SPD und Linkspartei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Bisher gab es immer noch wesentlich mehr Grokos als Schwarz-Grün, ich finde die Zuordnung zur Mitte unfair, in der Mitte verreckt gerade die SPD. Wir erleben eine Polarisierung der Gesellschaft, da steht Mitte eher für Beliebigkeit. Vielleicht stimmt diese Einordnung des Autors ja in Baden-Württemberg oder Hessen, aber keineswegs für ganz Deutschland.

  • Wo bitte ist die SPD links von den Grünen, nur weil man es wiederholt wird es nicht wahr.

  • Wieso widersprechen die Infos? Ich hörte bisher nur von rot-rot-grün und nix mit schwarz?



    Nachdem die Union so vieles verschlafen und verbockt hat würde es mich wundern, wenn die Grünen tatsächlich mit denen zusammenarbeiten wollen - die Blockadehaltung der Wirtschafts-Sympatisanten ist doch vorhersehbar bei den dringend notwendigen schnellen Veränderungen!

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Na ja - die CDU und vor allem Frau Kramp-Karrenbauer mutieren so langsam zu „Angstbeißern“. Das ist verständlich, wenn man‘s allein nicht hinkriegt, einem die Koalitionspartner ausgehen und als sogenannte Mitte-/Rechtspartei von Rechtsaußen überholt wird (von neo-liberal-grün-außen übrigens auch). Und das AKK die Hosen voll hat hängt sicher auch damit zusammen, dass nur die Hälfte der CDU-Mitglieder in ihr die kompetente Parteichefin sehen - die andere Hälfte eben nicht! Und als potente Führungskraft hat sich AKK bisher auch nicht gezeigt.

  • "..rechts Union und FDP, links SPD und Linkspartei, in der Mitte die Grünen."

    Haben wir da nicht wen vergessen? Ob man das Gespenst nun an die Wand mahlen will oder nicht - Es muss heißen:



    rechts CXU, FDP & AfD.

    • @Michael Garibaldi:

      Da wächst zusammen, was zusammen gehört.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ich denke, Angelas Koalitionskabarettistin (oft verächtlich verkürzt als AKK bezeichnet) kriegt das schon hin.



    Die Zahl der unterschiedlichen Toiletten sei bereits um ein Drittel gesunken. Olaf Scholz soll gesagt haben: 'das macht mich als schwarze Null besonders glücklich'.



    Das wird schon, sagte Angela Merkel, als sie mal ein paar hundert Meter abtauchte, um die Situation für einen europäischen Flugzeugträger zu sondieren, 'Sollte ich wirklich nochmal auftauchen', so sagte sie, 'werdet ihr merken, daß jeder Anfang auch ein Ende hat'.