Kommentar Unabhängigkeitstag Polen: Arm in Arm mit Antidemokraten
Regierung und Rechtsradikale feiern gemeinsam den 100. Unabhängigkeitstag Polens. Das ist eine Katastrophe für die polnische Demokratie.
D ass Rechtsradikale durch Polens Städte marschieren, antisemitische und rassistische Parolen grölen, europäische Fahnen oder eine Judenpuppe verbrennen – daran haben sich längst alle gewöhnt. Doch dass die polnische Regierung Arm in Arm mit Rechtsradikalen durch Warschau marschiert und auch noch alle Polen auffordert, sich dieser Demonstration anzuschließen, das ist eine Katastrophe für die polnische Demokratie.
Eine Viertelmillion Menschen folgte am Sonntag dem Aufruf der Rechtsradikalen und der Regierung. Im Meer der weißroten Nationalfahnen waren mehr als deutlich auch die grünen Fahnen der Falanga zu sehen, der Kampforganisation des faschistischen Nationalradikalen Lager (ONR). Anders als vor dem Zweiten Weltkrieg, als diese demokratiefeindliche Partei verboten wurde, kann sie heute völlig legal wirken und ist nun sogar zum Partner der polnischen Regierung aufgestiegen.
Auch die Fahnen der faschistischen Forza Nuova aus Italien wehten über den Demonstranten, die mit ihrem Marsch den 100. Jahrestag der Wiedergeburt Polens nach 123 Jahren Teilung durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland feiern wollten.
Nicht zu sehen waren hingegen die blauen EU-Fahnen, bis auf die wenigen, die begleitet von höhnischen „Weg mit der Europäischen Union“-Rufen verbrannt wurden. Die Demonstranten hätten genauso gut schreien können „Weg mit der liberalen Demokratie!“ Denn das steht als Ziel im ONR-Programm.
Genau das – die Zerstörung der sogenannten III. Republik, die 1989 nach langjährigen Kämpfen des Arbeiterführers Lech Walesa und seiner Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarnosc entstanden war – streben auch Polens Nationalpopulisten an, die seit 2015 die Regierung stellen. Sollten sie im nächsten Jahr die Parlamentswahlen gewinnen und eine neue Verfassung verabschieden, wäre das das Ende der polnischen Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil