Kommentar USA und Europa: Wir brauchen einen Traum
Trump ist noch näher an Putin gerückt. Dabei sind Werte zerbrochen, die die EU mit einer eigenen Vision zusammenhalten muss.
W enn Donald Trump am Montag in Helsinki ein eindeutiges Signal gesendet hat, dann dieses: Zwischen ihn und Wladimir Putin passt kein Blatt Papier, erst recht keine Europäische Union. Von Putin fühlt sich Trump verstanden, er spricht jene Sprache der rücksichtslosen Macht, nach der sich Trump sehnt. Angela Merkel etwa wägt ihre Worte ab. Trumps Sprache ist das nicht.
Sattelfeste Demokrat*innen wie Merkel oder Emmanuel Macron reizen Trump. Er beleidigt sie alle, bezeichnete die ganze Europäische Union zuletzt sogar als Gegner. Nur die Diktatoren dieser Welt, die bewundert er. Er ist offener Fan von Putin, er zollte Xi Jinping Respekt, als dieser seine Macht als Chinas Staatschef auf Lebenszeit verankerte. Rodrigo Duterte lobte er für dessen – wohlgemerkt tödliche – Drogenpolitik auf den Philippinen.
Europa scheint für Trump einfach nur lästig zu sein. Der Präsident der Vereinigten Staaten stellt seine Nato-Partner*innen vorrangig als Parasiten dar, die sich von dem schier grenzenlosen Erfolg der USA ernähren.
Tatsächlich sind die USA jahrzehntelang ein Vorbild für die EU gewesen, für Werte wie Menschenrechte und Gleichberechtigung, auch für Träume des „pursuit of happiness“, des Rechts auf Glück. Selbst wenn diese Werte immer auch auf zweifelhafte Weise in politische Realitäten umgesetzt wurden, so hatten sie doch die Kraft, in Form eines American Dream bis nach Europa zu strahlen. Trump zerbricht dieses fragile Konstrukt – mit der Geringschätzung des eigenen Rechtsstaats und dessen demokratischer Errungenschaften.
Der amerikanische Traum war ein Vorbild
Der amerikanische Traum war ein Traum vom Glück, das für alle erreichbar sein sollte, wenn man sich nur anstrengt. Er war ein Traum von selbstbewusster Stärke. Jede*r könne es schaffen. Und wer zu schwach ist? Martin Luther King träumte weiter. Er träumte von Bürgerrechten, die auch für Schwarze Amerikaner*innen gelten, von Freiheit.
Dieser Traum hatte die Kraft, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung anzutreiben, die Frauenbewegung, die Ökologiebewegung. Mittlerweile haben die USA aufgehört, gemeinsam zu träumen. Vielleicht hatten sie das nie, aber wir konnten sie so fantasieren. Heute sieht man aus der Ferne nur Widerspruch und Teilung. Etwas fehlt.
Von den Werten, mit denen der amerikanische Traum verbunden wird, hat sich auch die Europäische Union ernährt – Gleichheit, Gerechtigkeit, die Überzeugung, dass ein Rechtsstaat zum Wohl der Einzelnen ist und Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden. Genau, das ist keine US-amerikanische Binse, sondern Leitsatz von Rosa Luxemburg. Denn wir haben hier in Europa schon die Erfahrung gemacht, was mit Ländern passieren kann, denen der moralische Kompass verloren geht.
Trumps Idee des „America first“ ist eine, die auf gewinnbringenden Deals besteht, nicht auf Werten. Aber wir hier in Europa, wir brauchen sie, die Werte. Wir brauchen einen Traum.
Ein Versprechen von Frieden und Sicherheit
Was also ist der europäische Traum? Was ist das Versprechen, das diese Union ihren Bürger*innen geben will? Offen genug, dass sich jede*r darin wiederfinden kann? Verbunden mit politischen Eckpfeilern, die diesen Traum auch greifbar machen? Eine restriktive Zuwanderungspolitik ist kein zukunftsgewandtes Versprechen. Sie trennt, anstatt zu vereinen.
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Ein paar Versprechen macht Europa schon: von Frieden und Sicherheit etwa. Es ist dieses Versprechen, das so viele nach Europa zieht. Aus politischen Gründen, aus wirtschaftlichen, wegen Kriegen und Krisen. Aber die Menschen in Europa scheint dieses Versprechen nicht anzusprechen. Es fehlt das aktive Moment. Das, was ich als Einzelne tun kann, um dieses Versprechen auch zu leben.
Die eine Antwort auf die Frage nach dem europäischen Traum gibt es nicht. Aber eine Anregung für all die Kandidat*innen, die sich zur Europawahl im kommenden Jahr aufstellen werden: Vergesst das Träumen nicht!
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