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Kommentar US-Botschaft in IsraelTrump braucht Kontra

Kommentar von Susanne Knaul

Mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem belohnt Trump die israelischen Nationalisten. Dass die EU nicht dagegenhält, ist ein Armutszeugnis.

In der Straße, die zur künftigen US-Botschaft führt, hängen bereits die Flaggen Foto: dpa

D er Likud, Israels konservatives Parteienbündnis, wusste stets, wie er sich die Einwanderer zunutze machen kann. Während die linke Arbeitspartei, die sich in den ersten 30 Jahren nach Staatsgründung sicher an der Macht glaubte und die Neuankömmlinge aus Nordafrika, aus dem Jemen, dem Irak und Syrien mit Herablassung behandelte, erkannte der damalige Likud-Chef Menachem Begin rechtzeitig das Potenzial der neuen Wählermassen.

Die demografischen Veränderungen im Land, kombiniert mit Begins Strategie, die Misrachim, also Juden, die aus muslimischen Ländern nach Israel kamen, mit offenen Armen zu empfangen, sicherte dem gebürtigen Polen den Dank der Unterdrückten – und den Wahlsieg. Davon profitiert auch Benjamin „Bibi“ Netanjahu, denn bis heute wählen die Misrachim eher national, während die zahlenmäßig in die Minderheit geratenen Aschkenasen aus Europa ihrer Arbeitspartei nicht mehr an die Macht verhelfen können.

Viel unmittelbarer ergriff der frühere Likud-Bauminister Ariel Scharon die Chance, das besetzte Westjordanland mit den neuen Immigranten aus Russland und der Ukraine zu besiedeln. Viele hatten anfangs gar keine Ahnung davon, dass sie künftig im besetzten Palästinen­serland leben würden, und fanden es später auch gar nicht mehr so schlimm.

Russisch ist in den israelischen Siedlungen eine weit verbreitete Sprache, auch Französisch hört man dort in letzter Zeit öfter, und die aus den USA eingewanderten Juden gelten bei den Palästinensern oft als besonders radikal. Wie in Hebron, wo nur ein paar Hundert Israelis, schwer bewaffnet und bewacht, mitten in der arabischen Stadt leben.

Blutvergießen – Kapitel 2

Die geschickte Bevölkerungspolitik von Israels Nationalisten soll nun belohnt werden. US-Präsident Trump macht Nägel mit Köpfen, schließlich habe „jeder souveräne Staat das Recht, selbst über den Sitz seiner Hauptstadt zu entscheiden“. Nach Trump’scher Manier wischt er mal eben den Konfliktpunkt Jerusalem vom Tisch, und man fragt sich, was er als Nächstes plant.

Wird er mit seinem „Jahrhundertdeal“ für den Nahen Osten, den er seit Monaten ankündigt, noch weitere so nonchalante Lösungen parat halten – für Probleme, die die beiden Völker seit 70 Jahren beschäftigen? Schon im Dezember, als Trump Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärte, starben fast 20 Palästinenser bei Demonstrationen für ihre Stadt. Der Umzug der Botschaft läutet das zweite Kapitel des Blutvergießens ein.

Wer die Palästinenser mit ihren internationalen Anstrengungen bei der Stange und von Gewalt abhalten will, muss Trump Kontra bieten. Dass es der EU nicht gelingt, ihre Mitgliedstaaten dazu zu verpflichten, mit ihren Botschaften in Tel Aviv zu bleiben, ist ein Armutszeugnis.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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9 Kommentare

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  • Die Sache mit dem „Armutszeugnis“ sehe ich ganz ähnlich. Ich fürchte nur, es erheblich ist leichter, eine konservativ-autoritäre Politik für konservativ-autoritäre Bürger zu machen, als eine progressiv-linksliberale Politik für progressiv-linksliberale Bürger.

     

    Zum einen, weil es mehr konservativ-autoritäre Wähler gibt als andere. Persönlicher Mut und die Fähigkeit, Chancen und Risiken halbwegs sicher zu unterscheiden, waren nie käufliche Massenwaren. Zum Anderen deswegen, weil Politik mit Macht zu tun hat und die Gelegenheit, Macht auszuüben, fast ausschließlich von ganz bestimmte Menschen wahrgenommen wird. Von Menschen, die einen starken Hang zur Autorität und zum Bewahren all der Lösungen haben, die ihre Macht zu sichern scheinen.

     

    (Ideelle) Armut und (materieller bzw. nummerischer) Reichtum gehören auch und gerade in der Politik untrennbar zusammen, fürchte ich. Und wenn es, wie im Falle Israels, sehr gute Gründe gibt, sich solidarisch zu erweisen, fühlt sich konservativ-autoritäre Politik plötzlich erstaunlich progressiv-linksliberal an für manche Menschen. Weil‘s nämlich grade so schön passt und die Regierung ja das Volk vertritt, das sie gewählt hat. Wenn auch womöglich ohne sich gewisser manipulativer Strategien und der Tragweite ihrer Wahl wirklich bewusst zu sein.

     

    Davon mal abgesehen ist Trups Entscheidung vermutlich weniger einem konservativ-autöritären Politikverständnis geschuldet, als vielmehr einem ausgeprägten Schmalspur-Intellekt, einem gewissen Bauchgrummeln und einer erfolgreichen Lobbyarbeit autoritär- konservativer Machtmenschen. Der Präsident betrachtet Politik als Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitten. Seine „Berater“ wissen das offenbar zu nutzen. Sie erinnern ihn wohl bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran, dass es in der Wirtschaft keine Rücksichtnahme gibt. Da setzt der Stärkere sich durch. Erbarmungslos. Oder er wird aus dem Markt gedrängt. Und aus dem Markt drängen lassen will sich Trump ja auf keinen Fall.

  • Die Kommentatorin übersieht, dass nicht nur die US-Botschaft, sondern auch weitere Botschaften (u.a. Guatemala, Paraguay) ihren Sitz nach Jerusalem verlegen.

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @Nicky Arnstein:

      Die Erwähnung dieser zwei Zwergstaaten ist wirklich lustig und traurig zugelich: Israel hat über viele Jahre (1970-90) die faschistischen Diktaturen in Guatemala und Parguay (die zudem noch alte Nazis versteckten) mit Militätberatern und Waffen gegen die indigene und linke Bevölkerung unterstützt. Die UNO spricht von Völkermord an den Indigenen in Guatemala. Klar, dass die sich jetzt erkenntlich zeigen für diese Hilfe und rennen nun zur Anbiederung dem Faschisten Trump hinterher. Schlechtere Geburtshelfer hätte sich Israel für seine illegale Hauptsstadt Jerusalem wahrlich nicht suchen können.

      Wenn Sie, Frau Arnstsein, Anhängerin der rechtsradikalen Regierung Netanyahus sind, liegen Sie allerdings mit der Erwähnung dieser zwei Zwergstaaten goldrichtig.

  • Als ob die EU und insbesondere Deutschland je etwas anderes als der zu gehorchende Pudel der USA gewesen wären.

  • Trump hat Vorbilder!

    Schon die DDR hat sich nicht um den internationalen Status von Berlin geschert und es widerrechtlich zur Hauptstadt der DDR gemacht.

  • Man sollte bei aller berechtigter Argumentation dennoch zur Kenntnis nehmen, dass auch in Europa die Wähler zunehmend nationalistisch denn linksliberal wählen.

     

    Niemand wird riskieren hier weiter den rechten Parteien Auftrieb zu geben wenn man sich zu diesem Thema politisch verschleißt. Aus Sicht der Wähler die auf dem Weg zur AfD sind oder im euopäischen Osten leben gibt es schlicht wichtigere Themen.

    • @Tom Farmer:

      Nicht nur für diese Wähler.

  • Konflikte müssen irgendwann gelöst werden.

     

    Dass die arabische Welt den jetzigen konflikthaften Zustand nicht beseitigen möchte, ohne Israel zu vernichten, ist doch die eigentliche Sauerei und der entscheidende Hemmschuh. Die Palästinänser werden bei den arabischen Nachbarn in ihrem Flüchtlingsstatus seit 60 Jahren als Faustfand gehalten, statt sie zu integrieren, wie dies in Istael schrittweise passiert.

     

    Die Methode Trump ist zwar nicht sehr diplomatisch oder demokratisch, aber möglicherweise bringt sie mehr, als alle Halbherzigkeiten zuvor.

  • Endlich haben wir die Achse des GUTEN:

    USA - Israel - Saudi-Arabien