Kommentar Terroranschlag Neuseeland: Der Hass ist gut vernetzt
Rassistische Ideologien haben Konjunktur und machen sich auch hier breit in der „Mitte der Gesellschaft“. Die Politik ebnet den Weg.
Z wei Frauen halten sich im Arm, trauern gemeinsam. „Das ist euer Zuhause. Ihr hättet hier sicher sein sollen“, steht darunter. Dieses Bild macht derzeit die Runde im Netz. Und es ist so traurig und so wahr, dass man schreien möchte.
50 Menschen sind im neuseeländischen Christchurch bei einer rassistischen Hasstat getötet worden. Ermordet aus einem einzigen Grund: weil sie Muslime waren. Es war, so liest man, der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte Neuseelands. Eine entsetzliche Tat – die aber nicht aus dem Nichts kam. Und die sich wiederholen kann, nicht nur in Neuseeland. Denn die menschenverachtende Ideologie dahinter hat international Konjunktur.
Sie wächst hier mitten in unserer Gesellschaft ebenso wie anderswo auf der Welt. Diese Menschen vernetzen sich, und ihr Hass und ihr Gedankengut machen sich auch in dieser sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ breit. Neuseeland ist weit weg, aber rassistische Gewalt wird auch in Deutschland ausgeübt. Angriffe auf Moscheen gibt es hier bisher zum Glück bei Weitem nicht in dem Ausmaß, wie es jetzt in Christchurch geschehen ist. Doch die Angst davor ist auch hierzulande da, und das leider nicht unbegründet.
Der australische Attentäter Brenton Tarrant nannte sein rassistisches Manifest „Der große Austausch“. Die irre Gedankenwelt dahinter kennt man von Rechtsextremen wie Rechtspopulisten hierzulande; in ihrer Stimmungsmache gegen den UN-Migrationspakt war auch in der AfD vom „Bevölkerungsaustausch“ die Rede. Es gibt zu viele Menschen, die dieses Gedankengut teilen, und allzu leicht wird ihm auch politisch der Weg bereitet.
Ja, dazu trägt auch die Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik von Teilen der deutschen Bundesregierung bei. Umso verstörender ist es, was CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zu dieser Bluttat zu sagen hat. Die Frau, die mal Bundeskanzlerin werden will, schafft es, ihre Beileidsbekundung mit dem Wort „Egal“ zu beginnen und das Wort „Rassismus“ ebenso zu meiden wie die Menschen, die gezielt angegriffen wurden: Muslime. „Keine Erklärung“ gebe es. Das ist dermaßen falsch, denn die Erklärung lautet: Rassismus.
Unsere Solidarität muss denen gehören, die von Rassismus betroffen sind. „They are us“, hat Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern gesagt. Das sollte auch in Deutschland gelten. Diese Ideologie des Hasses ist eine reale Bedrohung für unsere Kolleg*innen, Freund*innen, Nachbar*innen und viele weitere Mitglieder unserer Gesellschaft. Hier ist ihr Zuhause. Es ist unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie sicher sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen