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Kommentar TelekomTelekom zerschlägt die gläserne Decke

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Telekom will drei Frauen in den siebenköpfigen Vorstand aufnehmen. Das ist gut. Weniger gut ist: Geopfert werden könnte ein "Quotenmann".

V or anderthalb Jahren hat sich die Telekom als erstes DAX-Unternehmen in Deutschland überhaupt eine Quote verpasst: Bis 2015 soll ein Drittel Frauen die obersten Führungsposten besetzen. Doch jetzt geht alles vielleicht noch schneller.

Am Montagnachmittag verhandelte der Aufsichtsrat darüber, ob der bislang siebenköpfige männliche Vorstand drei Frauen aufnehmen wird. Dafür müssten zwei Männer gehen, ein Vorstandsposten ist seit Monaten vakant.

Das ist eine Revolution. Alle anderen DAX-Unternehmen sträuben sich, ihre Aufsichtsräte und Vorstände so massiv für Frauen zu öffnen. Fast immer mit dem Argument, es gebe nicht genügend kompetente Frauen. Die Telekom beweist, dass das nicht stimmt. Die vom Unternehmen beauftragten Headhunter haben geeignete Frauen gefunden.

SIMONE SCHMOLLACK ist taz-Redakteurin für Geschlechterpolitik.

Trotzdem hat das Ganze kurioserweise einen bitteren Beigeschmack. Durch die Personalrochade, so hört man, soll der Quotenerfinder der Telekom himself, Thomas Sattelberger, seinen Posten räumen. Intern ist er umstritten. Allzu rigide spränge er mit seinen MitarbeiterInnen um und überfordere sie systematisch. Sattelbergers Vertrag läuft im Mai 2012 aus. Man kann ihn also locker loswerden. Prima, der "Quotenmann" würde ja durch eine "Quotenfrau" ersetzt!

Sattelberger selbst hatte sich bereit erklärt weiterzumachen. Es wäre ja auch seltsam, dass ausgerechnet der Mann, der die Quotendebatte in Gang brachte, just dann abtreten muss, wenn seine Politik Erfolg hat.

Die Quote ist das Verdienst von Thomas Sattelberger. Er hat die Diskriminierung von Frauen mit Führungsanspruch auf die politische Agenda gesetzt und MinisterInnen dazu gezwungen, sich mit fehlenden Frauen in Führungspositionen auseinanderzusetzen.

Selbst die Wirtschaft kommt um das Thema nicht mehr herum. Und Sattelberger ist es, der die Frauenquote aus der "Frauenecke" herausholte. Immer mit dem Argument, dass Unternehmen wichtige Potenziale verschenken, wenn ihre Vorstände und Aufsichtsräte Männervereine bleiben.

Was immer bei seiner wahrscheinlichen Ablösung eine Rolle spielen mag - allein aus symbolischen Gründen sollte die Telekom den Mann behalten, der als einer der ganz wenigen seiner Geschlechtsgenossen für die gleichberechtigte Partizipation von Kolleginnen gekämpft hat.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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7 Kommentare

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  • A
    Achim

    >>Fast immer mit dem Argument, es gebe nicht genügend kompetente Frauen. Die Telekom beweist, dass das nicht stimmt.

  • TB
    Thorsten Besicke

    Diskriminierung und Ungleichbehandlung - die gezielte Benachteiligung von Männern, um Frauen in den Vorstand zu bekommen - als Gleichberechtigung zu bezeichnen, ist Übelkeit erregende orwellsche Begriffsverdrehung. Eines Tages wird sich der Wind wieder drehen und den heutigen VerfechterInnen die Scheiße zurück ins Gesicht blasen. Wie einfach es war, "geeignete" Frauen zu finden, mag man daran ablesen, dass sich eine abgewählte CDU-Politikerin darunter befindet. Ein Verdacht ist außerdem unvermeidlich: Fordern Politikerinnen die Quote auch deshalb, weil sie nach dem EU-Parlament ein weiteres soziales Netz wollen? Der politische Komplex frisst sich in die freie Wirtschaft vor.

  • N
    Normalo

    Ein paar Kleinigkeiten zu diesem Kommentar:

     

    1. Sie schreiben, die Telekom habe ihren Vorstand für Frauen "geöffnet". Dazu bedürfte es zunächst der gesicherten Erkenntnis, dass er diesen vorher verschlossen war. Es gibt etliche mögliche Gründe für das ungleiche Verhältnis zwischen den Geschlechtern in den höchsten Führungsebenen, von denen Geschlechterdiskriminierung nur einer ist.

     

    2. Es ist den Headhunter also tatsächlich gelungen, drei (in Zahlen: 3) genehme Frauen für Vorstandsposten zu finden, die unbedingt von Frauen besetzt werden sollten. Wichtigstes Auswahlkriterium war also - mit anderen Worten - ihr Geschlecht. Wow, das ist echt Gleichberechtigung vom Feinsten, und es muss einen aber auch nicht wundern, dass die Headhunter mit diesen Vorgaben wirklich jemanden gefunden haben.

    Aber: Drei Schwalben machen noch lange keinen Frühling. Ob es solche fähigen (daran übrigens von mir kein Zweifel) und unbedingt einsatzwilligen (daran schon eher) Frauen auch in genügender Zahl für alle DAX-Unternehmen gibt, steht in den Sternen.

     

    3. Es wäre ja wohl noch schöner, wenn Vorstände wie Sattelberger aufgrund ihrer politisch korrekten Einstellung eine Art Immunität genössen. Ein Führungskader, der nicht richtig mit seinen Untergebenen umgehen kann, ist untauglich und hat in seinem Sessel nichts verloren. Da kann er noch so quotenbegeistert (oder -erfüllend) sein.

     

    4. "Frauen mit Führungsanspruch" ist das vielsagend oder nur ein Lapsus (oder Beides)? Manchmal meine ich nämlich wirklich, wenn ich die QuotenbefürworterInnen so reden höre, sie hielten "Führaungsanspruch" für eine hinreichende Legitimation, die Verantwortung für tausende von Arbeitsplätzen und Milliarden an Investitionskapital per Gesetz zugeschanzt zu bekommen.

     

    Grüße vom

    Normalo

  • K
    Kalle

    Naja, auf der einen Seite leuchtet mir die Argumentation ein:

    Warum soll jemand ausgerechnet in dem Moment gehen müssen, zu dem seine Politik anfängt, Früchte zu tragen?

     

    Aber auf der anderen Seite kann man doch genau so gut fragen: Warum soll man vom Erfinder einer Idee nicht mit Fug und Recht erwarten dürfen, dass er auch als erster bereit ist, danach zu handeln?

    Man muss nur an andere Ideen denken, dann wird sehr deutlich, dass das auch komisch ist:

    Wenn jemand in seinem Betrieb mit Erfolg die Mülltrennung eingeführt hätte, dann darf er auch nicht der erste sein, der sich zum evtl längeren Weg zum Mülleimer beschwert usw.

     

    Und zu guter Letzt:

    Die richtige politische Einstellung darf schließlich keine Garantie sein, jeden beliebigen Job behalten zu dürfen, egal wie schlecht man ihn gegebenenfalls macht.

  • SB
    Susanne Becker

    Sehr geehrte Frau Schmollack,

    hiermit möchte ich Sie darüber informieren, dass der von Ihnen gelobte Personalvorstand Sattelberger in der betrieblichen Realität dazu beigetragen hat, dass durch massive Standortkonzentrationen insbesondere Frauen bei der Telekom ihren Arbeitsplatz verloren haben. Durch eine unerträgliche, keinesfalls wertschätzende Personalpolitik erfreut sich Sattelberger innerhalb der Belegschaft auch sonst keiner großen Beliebtheit. Es wird ihm also kaum ein/e Telekom KollegIn eine Träne nachweinen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Susanne Becker

    ver.di Landesfachbereichsleiterin TK/IT ver.di Bayern

  • H
    helle

    weil frau sein bedeutet das gute an sich zu sein, gelle

  • QG
    Quer Gelesen

    Nach dem Durchlesen sämtlicher Interpretationen zu diesem Thema und auch diesem Kommentar, möchte ich noch mal auf zwei Fakten hinweisen. (weiß auch nicht, warum das gern übersehen wird)

     

    1.) Die Herren "müssen" nicht gehen, sondern gehen, da die Verträge enden. Es ist also kein "Umbau", sondern eine stinknormale Nachfolge.

    2.) Letzten Endes ist es das Ressort Personal, das die Kandidaten ausgesucht hat, sprich Sattelberger selbst. jemand, "der sich an seinen Job klammert" würde hier sicherlich anders vorgehen