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Kommentar Syriengipfel in IstanbulErdoğans Show

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Assad blockiert weiter die Verfassungsreform, der Syriengipfel bleibt erfolglos. Einzig der türkische Diktator profitiert vom Vierertreffen in Istanbul.

Viel Köpfewiegen, wenig Ergebnis: Der Syriengipfel in Istanbul Foto: ap

D as gemeinsame Abschluss-Kommuniqué des Syriengipfels von Istanbul enthielt nur altbekannte Forderungen und Bekenntnisse. Der Gipfel war nicht nur ergebnislos, er kaschierte auch nur mühsam die Spannungen zwischen den vier Beteiligten.

Putin braucht von Merkel und Macron dringend Zusagen zur finanziellen Unterstützung des Wiederaufbaus in Syrien. Die wird er aber nur bekommen, wenn endlich der vom UNO-Sicherheitsrat schon vor fast drei Jahren beschlossene und von allen kriegsbeteiligten Staaten ausdrücklich unterstützte politische Prozess zu einer Verfassungsreform und freien Wahlen in Syrien beginnt. Doch diesen Prozess blockiert die Regierung Assad hartnäckig entgegen allen ursprünglich auch gegenüber Moskau auf dem Januargipfel von Sotschi gemachten Zusagen.

Beobachter fragen sich: Will Putin den notwendigen Druck auf Damaskus zur Einhaltung der Zusagen nicht ausüben? Oder kann er es nicht (mehr) – was noch problematischer wäre –, weil die Regierung Assad in ihrem militärischen Siegestaumel der letzten zwei Jahre dem Einfluss Moskaus zunehmend entglitten ist? Doch ohne einen Wiederaufbau Syriens wird es keine Rückkehr einer nennenswerten Zahl von Flüchtlingen geben. Das ist der Druck, unter dem die EU steht, in erster Linie Merkel. Sollten infolge der drohenden Großoffensive Assads gegen die islamistischen Rebellengruppen in Idlib bis zu eine weitere Million SyrerInnen in Richtung Türkei fliehen, dann wird dieser Druck noch stärker werden.

Wie und wie viele dieser Neuflüchtlinge in die EU gelangen, kann in erster Linie Erdoğan steuern. Der türkische Diktator ist der einzige Profiteur des Vierertreffens von Istanbul. Als Gastgeber der vorgeblich um Frieden in Syrien bemühten Gipfelshow konnte er erneut von der repressiven und menschenrechtsfeindlichen Politik seines eigenen Regimes und vom Krieg seiner Streitkräfte gegen die syrischen Kurden ablenken. So wie kurz zuvor mit seiner Kritik an Riad wegen der Ermordung des Regimekritikers Khashoggi.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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7 Kommentare

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  • Ein echt gelungener Artikel.



    Kurz und knackisch auf den Punkt gebracht.

  • @RINALDO



    Sie erwarten sich also interessante Erklärungsversuche von Leuten, denen Ihrer Meinung nach die Fähigkeit zur Erklärung weltpolitischer Entwicklungen aufgrund ihres „eindimensionalen Blockdenkens“ völlig fehlt.



    Donnerwetter - das nenn ich jetzt mal eine wahrhaft furchtlose Erkenntnissorientiertheit!

  • "Putin braucht von Merkel und Macron dringend Zusagen zur finanziellen Unterstützung des Wiederaufbaus in Syrien."

    Putins Gasprom versorgt fast die gesamte Europäische Union mit Gas. Syrien, neben der Ukraine, ist der wichtigste strategische militärische Machtpunkt für Russland. Eigentlich braucht Putin Zusagen aus Europa nur um Dialog mit Europa und USA aufrecht zu erhalten und seine Ziele medial zu unterstützen.

  • Putins Dreistigkeit und Erpressung ist schon bemerkenswert: zuerst Syrien in Schutt und Asche legen und dann den Westen, unter Drohungen einer neuen Flüchtlingswelle, zum Wiederaufbau zur Kasse bitten....und Erdogan baut auf dieser Situation seine Gewaltherrschaft im Inneren und seinen Agressionskrieg gegen die linken kurdischen YPG in Syrien aus, die ihrerseits von der USA in ihrem Kampf gegen ISIS militärisch unterstützt werden.



    Interessant dazu wären die Erklärungsversuche der Putin-und Assadversteher von Teilen der sog. deutschen "Linken", die mit ihrem eindimensionalen Blockdenken die weltpolitische Entwicklung und Widersprüchlichkeit nicht erklären können.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rinaldo:

      Wohl dem, der seine klaren Feindbilder hat. Da erscheint offenbar jegliche Differenzierung überflüssig.

      Dass an einem Wiederaufbau ganz besonders jene verdienen, die fälschlicherweise Unternehmer heißen, haben Sie noch nicht gehört?



      Für 'umsonst und draußen' baut keiner auf.

      Ein Blick in die Geschichtsbücher, allerdings auf die richtigen Seiten, könnte weiterhelfen.

      Aber Obacht: belasten Sie sich nicht so sehr mit Erkenntnis. Das trübt die Demagogie.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wieso sitzt eigentlich Syrien nicht mit am Tisch?

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Die Syrer sind sich doch schon lange einig.