Kommentar Schweizer Grundeinkommen: Vor dem finanziellen Absturz geschützt
Beim Volksentscheid in der Schweiz wurde das bedingungslose Grundeinkommen abgelehnt. Das nicht zu wollen, muss man sich leisten können.
N ach der Abstimmung in der Schweiz über das bedingungslose Grundeinkommen scheinen die BefürworterInnen auf ganzer Linie verloren zu haben. Aber so einfach ist das nicht.
Die Diskussion über ein existenzsicherndes Grundeinkommen hat es damit aus der politischen Exotennische in die Mitte der Gesellschaft geschafft. Das gibt auch AnhängerInnen des Grundeinkommens in Deutschland Rückenwind. Nach einer Emnid-Umfrage lehnt mit 53 Prozent eine knappe Mehrheit der BundesbürgerInnen ein Grundeinkommen ab. 40 Prozent sind dafür.
Immer mehr Menschen gefällt der Gedanke, vor dem totalen finanziellen Absturz geschützt zu sein. Wem das Geld ausgeht, den erwarten seit der Einführung von Hartz IV nicht nur bittere Armut, sondern auch Demütigung und Gängelung.
Bislang haben von den Parteien nur die Piraten die Forderung nach dem Grundeinkommen im Programm – was ihren einstigen Höhenflug beflügelt hat. Hoffentlich gewinnen auch innerhalb der Grünen und der Linkspartei die BefürworterInnen bald Mehrheiten für das Modell.
Zwar haben die GegnerInnen in manchem durchaus recht: Das bedingungslose Grundeinkommens trägt nicht dazu bei, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Seine Einführung ist mit Gefahren verbunden. So könnten Kinder erziehende oder Angehörige pflegende Frauen ins Häusliche gedrängt oder als marginalisierte Gruppe noch mehr von Gesellschaft und Politik sich selbst überlassen werden.
Aber: Solche Folgen liegen nicht in der Natur der Sache, sondern können mit flankierenden Programmen verhindert werden.
Sinn macht das Grundeinkommen nur, wenn es existenzsichernd ist, also Menschen deutlich über die Armutsgrenze hebt. Es wäre ein Netz, das Menschen ohne Vermögen und am Ende der Lohnskala auffängt, Ängste nimmt und so Freiräume bei der Lebensgestaltung eröffnet. Das nicht zu wollen, muss man sich leisten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau