Kommentar Schottland: Kampf der Gladiatoren
Es scheint nicht mehr weit bis zur schottischen Unabhängigkeit. UK-Gutfinder Alistair Darling unterlag im vorentscheidenden Fernsehduell.
D iese Runde ging klar an Alex Salmond. Der schottische Premierminister gewann die zweite und letzte Fernsehdebatte um Schottlands Unabhängigkeit gegen den früheren britischen Labour-Schatzkanzler Alistair Darling am Montagabend in Glasgow. Das fanden 71 Prozent bei einer Blitzumfrage.
Die Debatte war diesmal aggressiver, und auch das Publikum weit bei weitem nicht so zahm wie beim ersten TV-Duell. Darling, der für Schottlands Verbleib im Vereinigten Königreich eintritt, wirkte bisweilen irritiert. Salmond drückte die richtigen Knöpfe: Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, die Abschaffung der Atom-U-Boote in Faslane und vor allem der Nationale Gesundheitsdienst NHS, der in England privatisiert werden soll. Der NHS ist für Briten eine Art Religion. Aber ist Salmond wirklich so naiv zu glauben, dass ausgerechnet Schottland dem Druck des globalen Kapitals auf weitere Deregulierung entkommen kann?
Salmond beklagte, dass Schottland von den Tories regiert werde, die in Schottland niemand gewählt habe. Aber ohne Margaret Thatcher gäbe es keinen Premierminister Salmond. Die frühere Tory-Premierministerin war in Schottland so verhasst, dass Salmonds Scottish National Party (SNP) erheblichen Zulauf erhielt.
Und ohne Salmond gäbe es kein Referendum. Er ist der einzige schottische Politiker mit Charisma, er hat die SNP zur absoluten Mehrheit geführt. Doch was ist sein „Sieg“ beim Fernseh-Duell wert? Der „Kampf der Gladiatoren“ war zwar unterhaltsam, doch der Einfluss auf das Wahlverhalten ist gering.
Umfragen nach der Debatte haben ergeben, dass die Befürworter der Unabhängigkeit vielleicht ein Prozent gutgemacht haben, doch sie liegen nach wie vor zurück. Die Debatte am Montag hat aber zumindest dem SNP-Fußvolk Auftrieb gegeben, nochmal alle Register zu ziehen. Bis zum 18. September bleibt nicht viel Zeit.
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