Kommentar Scheuer und die Flugtaxis: Am Ziel vorbeigeflogen
Anstatt Drängenderes anzugehen, kümmert Scheuer sich um völlig überflüssige Flugtaxis. Der Minister sollte seine Prioritätensetzung überdenken.
E s ist eine vielversprechende Strategie im politischen Alltag: Wer die dringenden Probleme nicht angeht, sucht sich ein nebensächliches Projekt, das fortschrittlich rüberkommt und im besten Fall die Gelegenheit für schöne Fotos bietet. Hat also beispielsweise ein Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur eine eher überschaubare Motivation, sich um feinstaubmäßige Über- und breitbandmäßige Unterversorgung zu kümmern, könnte er sich durch ein paar Tech-Portale klicken.
Und was fände er da? E-Roller, ja, gut, Künstliche Intelligenz, nett, aber gibt noch keine Bilder, doch hier: Flugtaxis. Hat was mit Digitalisierung zu tun, irgendwie auch mit Verkehrswende und bringt schöne Fotos.
Dabei wäre es per se nicht weiter schlimm, dass sich CSU-Minister Andreas Scheuer die Zeit nimmt, am Montag in Ingolstadt vorbeizuschauen und das Projekt „CityAirbus“ vorzustellen. Schließlich muss man auch Minister:innen zugestehen, mal Projekte zu verfolgen, die nicht im Mainstream liegen. Selbst wenn Flugtaxis hierzulande überflüssig sind, könnten sie andernorts wertvoll sein.
Es wäre also nicht weiter schlimm, würde die Bundesregierung ansonsten weit vorne liegen, wenn es darum geht, die Probleme aus den Bereichen Verkehr und Digitalisierung zu lösen. Doch im Gegenteil: Eine konsequente Förderung von nachhaltiger Mobilität bleibt aus. Beim EU-Vorhaben etwa, die Marktmacht großer Online-Plattformen einzudämmen, bremst die Bundesregierung, und zum Thema geplante Obsoleszenz – vorgesehene Schwachstellen in Produkten –, ist es bislang bei Willensbekundungen geblieben. Aber: Flugtaxis!
Es geht dabei nicht nur um Fördermillionen, sondern um die Prioritätensetzung. Solange die Bundesregierung ihr Engagement für RadfahrerInnen auf dem Niveau „Verkehrsminister weiht Servicestation für Radwanderer in Hessen ein“ sieht und bei Digitalisierung als Erstes an elektronische Patientenakten denkt, so lange läuft etwas fundamental falsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt