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Kommentar Neue ElektrofahrzeugeMehr Vielfalt auf der Straße

Kommentar von Svenja Bergt

Verkehrsminister Scheuer will neue E-Fahrzeuge zulassen. Nur das Platzproblem müsste mitgedacht werden, sonst wird das nichts.

Wer E-Tretroller zulässt, sollte sich Gedanken über die Sicherheit in Stoßzeiten machen Foto: imago/Arnulff Hettrich

W as für ein Glück, dass auch ein Minister, der normalerweise völlig freidreht, mal etwas Sinnvolles unternehmen kann. In diesem Fall handelt es sich um Verkehrsminister Andreas Scheuer. Er will mit Verordnungen ermöglichen, dass auch Elektrotretroller und elektrisch angetriebene Boards künftig hierzulande unterwegs sein dürfen. Für einen, der bislang eher mit „My car is my castle“-Mentalität auffiel, ist das schon ein ordentliches Stück alternative Mobilität.

Und die ist dringend notwendig. Denn jede Alternative zum privaten Auto ist erst einmal ein Fortschritt: Sie verbraucht weniger Ressourcen, weniger Platz, und im Idealfall bewegen sich die Fahrer:innen zumindest etwas mehr, als nur die Hand vom Schaltknüppel zum Lenkrad zu führen. Außerdem positiv: Die neuen Fahrzeuge samt Nutzenden wurden nicht auf die Gehwege verbannt, wo schon jetzt manche:r Fußgänger:in bange in Richtung Skateboards, Rollerblades und Tretroller blickt. Sie dürfen stattdessen auf Radwegen, Radspuren und sogar auf der Straße fahren. Genau: Straße, diese meterbreite Asphaltspur, für die Autofahrer:innen am liebsten das exklusive Nutzungsrecht hätten.

Und hier ist leider auch der Haken. Denn was jetzt passieren wird: Unfälle. Nötigung, wobei Menschen auf den neuen Fahrzeugen ausgehupt, zu knapp überholt oder beim Abbiegen übersehen werden. Nach den ersten Fällen wird klar sein: So geht das nicht. Und dann müssen die Fahrzeuge wieder von der Straße, oder die Nutzungshürden werden so hoch gelegt, dass niemand mehr Interesse daran hat.

Dabei wäre das Gegenteil richtig: Für Alternativen zum Auto müsste es auch mehr Platz auf den Straßen geben. Nicht: Hier die Autos, am Rand noch der Rest. Sondern: Priorität für alles, was nicht Auto ist. Wo die Straßen sowieso schon ausreichend breit sind, damit auch noch eine Pkw-Spur Platz hat, da möge halt eine sein – übergangsweise. Scheuers Reservoir an sinnvollen Vorhaben ist also hoffentlich noch nicht ganz erschöpft.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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3 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Danke für den Kommentar - und das sich die Aussage, dass Minister Scheuer etwas Sinnvolles veranstalten kann, im zweiten Teil wieder auflöst. Ich hatte schon Angst, dass die TAZ den crazy-car-Andy zu einem politischen Leistungsträger Typ III hochklassifiziert. Glück gehabt!

  • BM Scheuer übersieht geflissentlich den eigentlichen Grund für die geringe Verbreitung der E-Fahrzeuge. Den viel zu hohen Preis für die Anschaffung und die viel zu geringe Anzahl an Ladestationen, insbesondere Schnellladestationen. Vielleicht ist Scheuet das sogar Recht, damit er weiter die deutsche Autohersteller-/Benzin-/Diesellobby schützen kann?



    Die Anschaffungskosten für E-Autos sind bei uns so hoch, dass sich das nur wenige leisten können. Die E-Autos von Mercedes, Audi und BMW können sich nur Hochverdiener und Vermögende leisten.



    Gute Lösungen findet man bei unseren Freunden in Norwegen. Dort gab es unter anderem in Oslo extra Fahrspuren, kostenloses Parken und kostenloses Laden für E-Autos. Außerdem gab es für den Kauf von E-Autos erhebliche Steuervorteile und Zuschüsse. Die Akzeptanz und Anzahl der E-Autos stieg dadurch so rasant, dass Oslo diese Vorteile wieder reduziert hat.

    Aber das wäre für uns in Deutschland ja viel zu einfach?!

  • Meine Ansicht: Elektrische Tretroller und Skateboards sind reine Spassgeräte, die benutzt kein Mensch, um damit andere Verkehrsmittel zu ersetzen. Sie werden auch nicht auf Radwegen und Fahrbahnen benutzt (da sind viel zu viele Unebenheiten für die kleinen Räder), sondern auf Fußwegen, in Fußgängerzonen und überall wo halt flaniert wird und Menschen unterwegs sind. Die üblichen Ausreden wie "ideal für kurze Strecken bis zu 10 km" sind genau das: Ausreden.

    Naja, ich will das nicht verdammen, aber das ist eher "ein Vergnügen mehr" als irgendeine Art von Verkehrspolitik. Muss nicht schlimm sein, aber sonderlich nützlich ist es wahrscheinlich auch nicht.