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Kommentar Renten KontingentflüchtlingeUnsäglich ungerecht

Frederik Schindler
Kommentar von Frederik Schindler

Jüdische Kontigentflüchtlinge erhalten eine schlechtere Rente als Spätaussiedler. Das soll sich ändern – gut so, aber für manche fast zu spät.

200.000 Jüdiinnen und Juden migrierten nach Deutschland Foto: Karl Mittenzwei

T ausende Juden, die zwischen 1991 und 2005 als Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind, müssen sich mit der mickrigen Grundsicherung durchschlagen. Ihre Sozialversicherungsansprüche aus den Herkunftsstaaten werden bei der Rentenberechnung in Deutschland nicht berücksichtigt.

Damit sind sie gegenüber Spätaussiedlern rentenrechtlich benachteiligt. Das ist unsäglich ungerecht. FDP, Linke und Grüne fordern jetzt eine Verbesserung der Alterssicherung. Die ist überfällig: Viele der Betroffenen stehen bereits am Ende ihres Lebens. Die Bundesregierung darf daher nicht weiter Zeit verstreichen lassen. Der Härtefonds ist ungenügend, der diskriminierende Ausschluss im Rentenrecht muss schnellstmöglich beendet werden.

Als die ersten der bis heute über 200.000 in die Bundesrepublik migrierten Juden in Deutschland ankamen, schenkten sie dem Nachfolgestaat des Nationalsozialismus großes Vertrauen. Einer der Gründe für ihre Auswanderung war der sowjetische Antisemitismus. Viele, die hierherkamen, hatten Jahrzehnte zuvor selbst, als Mitglied der Roten Armee, im Kampf gegen Nazi-Deutschland ihr Leben riskiert, die meisten haben Angehörige, die von den Deutschen ermordet wurden.

Heute machen sie mit ihren Nachkommen den Großteil der hiesigen jüdischen Gemeinden aus. Es ist beschämend, dass diese Gemeinden heute von Armut geprägt sind.

An Gedenktagen erklären Politiker aller Parteien gern, welch großes Glück es sei, dass es nach der Auslöschung der europäischen Juden wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dass die Überlebenden und ihre Kinder heute häufig in Altersarmut leben, war ihnen bislang weniger Worte wert. Um ihnen ein würdiges Leben im Alter zu ermöglichen, sollte es selbstverständlich sein, dass die Lebensleistung der jüdischen Zuwanderer bei der Rente in gleicher Weise wie die der Spätaussiedler anerkannt wird.

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Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
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4 Kommentare

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  • Außerdem kommt mehr als Hälfte der Spätaussiedler aus Kasachstan und Kirgisien. Dorthin wurden die 1941 deportiert. Und diese Länder zahlten seinen Auswanderern keine Renten. Russland, wo fast alle Kontingentflüchtlinge herkommen, schon. Man soll die beiden Bevölkerungsgruppen durch die Verdrehung der Tatsachen und das Verschweigen solcher Details bitte nicht gegeneinander ausspielen.

  • Die Situation wird immer wieder falsch dargestellt. Unter Spätaussiedlern sind es längst nicht alle, denen die Arbeitsjahre in der ehem. UdSSR angerechnet werden. Es sind lediglich deutsche Volkszugehörige im Sinne des §4 des Bundesvertriebenengesetzes, für die es gilt. Die große Mehrheit heißt auch „Spätaussiedler“, jedoch hat laut §7 des BVFG den Status „Ehegatte“ oder „Abkömmling“ und ist exakt in derselben Situation wie die jüdischen Einwanderer: die Rente muss man sich in Deutschland erarbeiten. Und die oben erwähnten Deutsche laut §4, denen die Arbeitsjahre in der UdSSR angerechnet wurden, bekommen dafür nur 60% der Rente, die in den entsprechenden Berufen einheimische Deutsche bekommen würden. Hinzu kommt, dass die Vertreter genau dieser Gruppe in der Sowjetunion als deutsche Volkszugehörige massiver Diskriminierung ausgesetzt wurden, wodurch sie ihr Leben lang karrierebehindert waren, weswegen sie oft im Niedriglohsektor arbeiten mussten. Sie wurden enteignet, deportiert, in Trudarmee (=GULAG) bis 1947 gesteckt und in der ganzen Nachkriegszeit vom Staat per Gesetz wie kein anderes Volk entrechtet (jahrelange Kommandaturaufsicht, kein Recht zu studieren und eine Reihe Berufe auszuüben, kein Recht, sich frei auf dem Territorium der SU zu niederlassen etc.). Somit waren sie fast ihr Leben lang beruflich schlechter aufgestellt als alle anderen sowjetischen Völker (Juden mit eingerechnet: sie wurden dort nicht diskriminiert, konnten Karrieren machen und sich ihre Renten in hochbezahlten angesehenen Berufen erarbeiten. Akademikeranteil betragt bei Ihnen 60 %). Deutschen, die halbwegs gute Karrieren machen konnten, wurde oft die Einreise verwehrt, denn man ging davon aus, sie könne man nicht als Vertriebene ansehen (Bei Kontingentflüchtlingen fiel diese Prüfung, wie auch viele anderen wie Sprachkenntnisse etc. weg, sogar Kommunisten und KGB-Bedienstete durften einreisen, was bei Russlanddeutschen ausgeschlossen war).

  • Allerdings würde sich dann die Frage stellen stellen, warum Flüchtlinge aus der Sowjetunion nichtjüdischen Glaubens anders behandelt werden.

    Ein Mehr an Gerechtigkeit würde nicht entstehen.

  • Um mehr Gerechtigkeit im Vergleich zwischen Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen zu erreichen, gäbe es zwei Möglichkeiten.

    Eine davon wäre es, der Spätaussiedlern weniger "fiktive" Betragszahlungen zuzubilligen, oder den unterschiedlcihen Lebensstandard in ihrer fürheren Heimat so zu berücksichtigen, wie das auch im Inland bei Menschen mit bescheidenen Einkünften und Lebensumständen geschieht.

    (Richtiger wäre evtl. der Begriff "Kontingentzuwanderer".)