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Kommentar Reform des SexualstrafrechtsSelbstbestimmung ja, Rassismus nein

Katrin Gottschalk
Kommentar von Katrin Gottschalk

„Nach Köln“ wird das Sexualstrafrecht verschärft – das ist gut. Doch darf es nicht dazu führen, dass nicht weiße Täter eher verurteilt werden.

Erweitertes Sexualstrafrecht, ein Meilenstein in der Selbstbestimmung von Frauen Foto: imago/IPON

D er rechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, zufolge soll ein „Nein heißt nein“ nun Teil der Reform des Sexualstrafrechts werden. Ein Meilenstein in der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen.

Auch das sogenannte Begrapschen soll wie geplant zum Straftatbestand werden. Eine Form von Übergriff, die bis zur Silvesternacht in Köln kaum Beachtung fand. Diese Wahrnehmung hat sich mittlerweile völlig geändert.

Am Wochenende wurden zwei junge Frauen beim Berliner Karneval der Kulturen von zehn jungen Männern eingekreist, bedrängt, angefasst und beklaut. Berichte von T-Online bis „Tagesschau“ folgten.

So begrüßenswert die Berichterstattung über sexualisierte Gewalt auch ist, so sehr hat sie doch ein gewisses Geschmäckle. Die Polizei spricht von zwei Tätern „türkischer Herkunft“. Über die anderen sei noch nichts bekannt. Unter dem Text zum Vorfall bei Spiegel Online steht, dass die Kommentarfunktion abgestellt wurde, da „zu diesem Thema so viele unangemessene, beleidigende oder justiziable Forumsbeiträge“ gepostet würden.

Asylrecht und sichere Herkunftsländer

Es ist zumeist rassistischer Hass, der sich in Kommentaren über derartige Übergriffe Raum schafft. Auch die ersten Konsequenzen der Silvesternacht in Köln betrafen nicht die Opfer, sondern die vermeintlichen Täter: Es folgten eine Asylrechtsverschärfung und die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer.

Jetzt wird „nach Köln“ die eigentlich logische Gesetzesänderung angepackt: die Reform des Sexualstrafrechts. Wichtig wird danach die Anwendung durch Polizist_innen in der Beweisaufnahme und Gerichte in der Urteilsfindung sein.

Es darf nicht nur dazu führen, dass nun weißen Frauen als Opfer eher geglaubt und nicht weiße Täter eher verurteilt werden. Gerade liegt der Fokus der Berichterstattung vor allem auf diesen Fällen.

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Katrin Gottschalk
Vize-Chefredakteurin
Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit April 2016. Vorher Chefredakteurin des Missy Magazine. Aufgewachsen in Dresden. Schreibt über Kultur, Feminismus und Ostdeutschland. In der Chefredaktion verantwortlich für die digitalen Projekte der taz. Jahrgang 1985.
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13 Kommentare

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  • @JANUS

     

    Sie und das rechte Spektrum tun sich offenbar schwer damit, in einem Land zu leben, wo (zumindest heute) ethnische, kulturelle und religiöse Zugehörigkeit in der Rechtsprechung unberücksichtigt bleiben.

     

    Ist es Ihnen nicht genehm, dass alle Menschen vor dem Recht gleich sind?

  • "Es darf nicht nur dazu führen, dass nun weißen Frauen als Opfer eher geglaubt und nicht weiße Täter eher verurteilt werden. "

     

    Das erste Köln-Verfahren endete mit einem teilweisen Freispruch. Die "vermeintlichen" Täter hatten die geraubten Handys, die betroffene Frau erkannte sie aber nicht sicher wieder. Hätte die betroffene Frau die Täter erkannt, wären diese wahrscheinlich verurteilt worden, weil - wegen der Handys - vernünftige Zweifel nicht bestanden hätten.

     

    Das ist doch so völlig in Ordnung. Vieles funktioniert in D nicht. Zumindest der hier in Rede stehende Bereich der Strafrechtspflege gehört nicht dazu.

  • „Nach Köln wird das Sexualstrafrecht verschärft – das ist gut“ – nö, das ist schlecht, weil keine „Schutzlücke“, sondern Polizeiversagen.

     

    Herrjesses.

  • Und wie soll diese Anpassung ein zweites Köln verhindern? Das Problem bestand am aufrecht erhalten der öffentlichen Ordnung und nicht darin, dass solches Verhalten nicht unter Strafe steht!

     

    Ergo ist gar nichts erreicht.

  • "Es darf nicht nur dazu führen, dass nun weißen Frauen als Opfer eher geglaubt und nicht weiße Täter eher verurteilt werden."

     

    Die Glaubwürdigkeit von Täter, Opfer und Zeugen wird vor Gericht - und nur dort - von Richtern und Schöffen mit Auswirkungen auf das Urteil beurteilt. Wer hier anderes als eine Unabhängigkeit von Geschlecht und Herkunft vermutet, der muss sich selbst fragen, warum er dieses denkt.

    • @TazTiz:

      Die Antwort wurde doch schon gegeben. Aufgrund der langen Tatenlosigkeit der Politik und der sehr eindeutigen Kommentare unter den Berichten.

      • @LeSti:

        Und was genau haben Kommentare unter Artikel und die politische Stimmung mit den angegebenen Schöffen und Richtern zu tun?

        Genau.

        Gibt es eigentlich überhaupt Anhaltspunkte, dass ein Mensch aufgrund von Indizien ausschließlich aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe hierzulande verurteilt geworden wären? Wenn ja, dann bitte Fakten und bitte DAS dann öffentlich anprangern. Wenn nein, was sollen dann diese permanenten untergeschobenen Rassismusvorwürfe die bei solchen Aussagen IMMER mitschwingen? Sie untergraben damit das Neutralitätsprinzip der Gerichte.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Es gibt einen Unterschied zwischen Rassismus und einer naheliegenden Vermutung. Das Einkreisen und Belästigen durch Gruppen ist nunmal aus dem Nahen Osten bekannt. Es gab z.B. auf dem Tahrir Platz diverse solcher Übergriffe die in vielen Teilen sogar noch deutlich weiter gegangen sind.

     

    International tätige Frauenrechtsorganisationen werden Ihnen grade heraus sagen das es im Nahen Osten und in Afrika nicht gut um die Rechte von Frauen steht. Da gibt es nichts schön zu reden und es gibt auch keinen Grund so zu tun als würde sich eine entsprechende Einstellung beim Grenzübertritt in Luft auflösen.

     

    Die Gemeinsamkeit ist nicht das Syrer oder Türke sein sondern die Sozialisierung in Ländern und Umfeldern in denen Frauen Menschen zweiter Klasse sind.

     

    Was viele Feministinnin hier abliefern ist einfach jämmerlich. Der Gedanke die große Mehrheit der unschuldigen Flüchtlinge schützen zu wollen ist naheliegend aber nicht durch Zensur, Wegsehen oder plumpe Lügen.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      "Das Einkreisen und Belästigen durch Gruppen ist nunmal aus dem Nahen Osten bekannt."

       

      Naja, und das Minderheiten Vergasen ist nunmal aus Deutschland bekannt. Angefangen hat´s mit Hetzpropaganda: "Die Juden sind unser Unglück" etc.

  • Vielleicht sollte gelten, dass unschuldige Männer nicht verurteilt werden - egal welcher Nationalität, Rasse oder Herkunft?!

    Es gibt nicht nur Ausländer oder ausländisch aussehende Männer, die nicht vorschnell verurteilt werden dürfen. Es gibt auch andere Männer, denen ggf. weniger geglaubt werden dürfte. Sexismus gegen Männer ist nicht nur dann ein Problem, wenn er sich rassistisch manifestiert.

    Mit der Reform muss daher unbedingt eine Verbesserung der Beweiserfassung und eine konsequente Verfolgung von Falschanzeigen erfolgen. Dagegen kann doch niemand sein - es sei denn es geht darum Täter oder Täterinnen zu schützen.

    • @Velofisch:

      Dagegen ist auch keiner und Sie verdrehen da etwas. Bisher ist Grapschen quasi nicht strafbar, nur evtl. und bei Vorliegen weiterer Umstände kann es eine Beleidigung sein. Jetzt wird Grapschen an sich (hoffentlich) strafbar. An der Frage der Beweisbarkeit und dem Problem dass Aussage gegen Aussage steht, bei in dubio pro reo, ändert das noch gar nichts..

      • @LeSti:

        Natürlich ist die Frage der Beweisbarkeit auch eine Frage der Gesetzgebung.

         

        Zunächst mal: Grapschen dürfte noch schlechter nachzuweisen sein als andere bislang unter "sexuelle Nötigung" laufenden Tatprofile, insbesondere die Vergewaltigung. Es gibt in aller Regel keine kriminaltechnisch zuzuordnenden Spuren, und dass außer dem Opfer jemand als Zeuge in Betracht kommt, würde erfordern, dass der just in dem Moment genau da hin geschaut ("geglotzt") hat, wo die Hand des Täters zugange war - keine gute Ausgangslage für ein Belastungszeugnis.

         

        Absehbares Ergebnis ist, dass die Verschärfung des Strafrechts insgesamt zu noch geringeren Verurteilungsquoten führt. Das wiederum wird die politischen Angriffe auf "in dubio pro reo" im Sexualstrafrecht und möglicherweise auch die gesellschaftliche Vorverurteilung von Beschuldigten verschärfen. All das gilt es zu bedenken, bevor man mit neuen Straftatbeständen um sich schießt.

         

        Das soll nicht heißen, dass es irgendwie unerwünscht wäre, eine gesetzliche Grundlage für die Bestrafung von Grapschern zu schaffen. Aber dann muss eben im Gegenzug auch der Schutz vor unberechtigten Vorwürfen verstärkt werden. "in dubio pro reo" darf sich nicht auf ein rein rechtliches "nochmal davongekommen" beschränken. Auch der Gesetzgeber muss den Unschuldigen im Auge behalten

      • @LeSti:

        Sorry, aber das ist glattweg eine falsche Aussage. Natürlich ist Grapschen bislang auch schon strafbar gewesen. Allerdings nicht als Straftat sondern als Ordnungswidrigkeit und allgemein als sexueller Übergriff (der auch bereits Strafbar ist). Es sind hier auch genug Urteile gesprochen worden und eine Wirksamkeit der Rechtslage zu bestätigen.

        Das ist hier auch nicht das Problem. Das besteht immer noch in der geringen Anzeigenquote der Opfer und der fehlenden Solidarität (ein generelles Problem hierzulande).

        Aber wozu sich mit tatsächlichen Problemen aufhalten, wenn man doch Bildzeitungsartikelforderungen abarbeiten kann.. und Männer als nächstes wie in Amerika die Aufforderung erhalten, nicht mehr alleine mit Frauen in einem Fahrstuhl zu fahren?

        Und sollte eine der Damen nun mit dem Verhalten der Polizisten bei solchen Fällen kommen... ja, ist ein Problem und wird mit dem neuen Gesetz KEIN STÜCK BESSER!

        Vielleicht sollte man sich ja auch mal damit beschäftigen, warum unsere Gesellschaft immer mehr auseinanderfällt und warum ein Großteil der Gesellschaft mittlerweile Angst voreinander hat.

        Aber das wären ja relevante Themen, da beschäftigen wir uns lieber weiter mit dem Umschreiben von Kinderbüchern und Strafen bei sexuellen Übergriffen, die längst strafbar sind.

        Btw.: Wie sieht das eigentlich aus? Ist das mal wieder reine Diskriminierung oder haben wir es diesmal wenigstens mal geschlechtsneutral geschrieben, damit es die lustigen grapschenden Damen an Fasnacht auch mal betrifft?