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Kommentar RWE und der KlimawandelJede Kündigung wäre ein Statement

Bernd Müllender
Kommentar von Bernd Müllender

Der Hambacher Forst steht symbolisch für die Verheizung des Klimas. Wirkungsvoller als Protest wäre es, RWE bei ihren Umsätzen zu treffen.

Kommen von ihrem Baum nicht freiwillig runter: Umweltaktivisten im Hambacher Forst Foto: dpa

H elmut Kohl hat, wie er es schönsprecherisch formulierte, mit seiner CDU bei einer Landtagswahl einmal „eine Niederlage errungen.“ Ähnlich ergeht es derzeit den Braunkohle-Taliban von RWE und der willfährigen Regierung von Armin Laschet (CDU) in NRW. Auch sie werden mit dem Fall des letzten Baumhauses im Hambacher Forst, vielleicht schon am Wochenende, eine glorreiche Niederlage errungen haben. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung wird der geräumte deutsche Wald zum PR-Desaster und RWE zunehmend zum Mordor, zum Reich des Bösen, des frühen 21. Jahrhunderts.

Der vielfältige Widerstand im rheinischen Revier macht zugleich endlich wieder Mut auf die Zukunft; die engagierten BewohnerInnen der Baumhäuser, die Blockadebeihilfen, die breite Solidarität. Oder jene 40-köpfige Gruppe junger Leute, die sich vergangenen Sonntagabend mitten im Forst einem Räumpanzer in den Weg setzte und mit wunderbar albernen Lieder die Polizeibeamten verhöhnten, bis der Panzer unter den Rückwärtsgang einlegte.

Je weiter die Waldräumung fortschreitet und mit jedem neuen, oft schönen, manchmal sogar anrührenden Bild schütteln mehr Menschen jenseits der Öko-Szene den Kopf. Formaljuristisch mag der derzeitige Irrsinn rechtens sein, doch wer soll noch verstehen, warum ausgerechnet jetzt ein Wald geopfert wird? Der Hambacher Forst ist ein Symbol geworden für ein kaltes Geschäftsziel: die Heimat verheizen und das Klima wissentlich weiter ruinieren.

Die Stimmung kippt. Das ist erfreulich. Wirkungsvoller als symbolisch gepflanzte Bäumchen beim Waldspaziergang mit Oma, Kind und Kegel sind allerdings schlichte Taten daheim am PC, mit ein paar Klicks nur. Denn es gibt tatsächlich noch Menschen, die aus fauler Gewohnheit Strom beziehen von den RWE-Naturhenkern und ihren strategischen Partnern e.on, Innogy oder all den örtlichen Stadtwerken.

Doch Vorsicht: RWE selbst mischt im grünen Strommarkt mit. Öko kann nur öko sein, wenn RWE seine Braunkohle-Griffel nicht im Spiel hat. Das gilt auch für all die örtlichen Stadtwerke mit ihren hinterlistigen Grünstromangeboten. Gerade die lokalen Energielieferanten sind, vor allem im Rheinland, alle inniglich verbandelt mit RWE.

Jede Kündigung ist zumindest ein Statement. Da kriegt man sie, bei ihren Umsätzen, bei ihrer arroganten Machtposition. Wer hier weiter Strom bezieht, mästet die Waldbrenner und hat den wunderschönen Hambacher Wald mit auf dem Gewissen.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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25 Kommentare

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  • Greenpeace Energy, Naturstrom (me), Schönau. Sind jetzt die, die ich kenne…

    Stehen alle für echten Ökostrom und Investitionen in neue Erneuerbare Energie-Erzeugung.

    Die private E-Mail über Posteo.de – für EINEN Euro im Monat betreibt fraumann den E-Mail-Account werbefrei, verschlüsselt, verschlüsselbar, anonym (ohen persönliche Daten preisgeben zu müssen) und mit echtem Ökostrom von Greenpeace Energy.

    Sollte alles machbar sein, wenn ein Mensch wirklich etwas gegen die großen Stromanbieter tun möchte.



    Die verstehen nur "Geld" (weg).

  • Ja, ganz schlimm. Nicht zu raten. Heizt übrigens kaum, brennt nur. Das ist ein böser Witz, meine ich, um Bemühungen in Sinn eigenes verantwortliches Verhaltens lächerlich zu machen. Wir brauchen beide, einzel, kollectiv, politisch.

  • Nein, es geht nicht zwangläufig so. Grüne Stromversorger kaufen nicht bloss Strom auf dem Markt. Sie stellen es erneubar her (oft kooperativ) oder kaufen begrenzte Mengen bei grünen Hersteller, die sie aussuchen. Die Abhängigkeit von Verteilungsinfrastrukturen, die eventuell Innogy oder gleichen gehören, ist etwas anderes. Der Austritt beim Sromkauf ist aber schon was. Gegen Netzabhängigkeit wäre nur selbsterzeugung, einzeln oder örtschaflich. Investitionen in dieser Richtung sind mir zu teuer. RWE Innogy kann auch als Internetversorger bestraft werden. Da die Firma im Auftrag vom Land RLP glasfaserfibelanschluss kostenlos in den Dörfern verlegt (was in sich icht schlecht ist), entsteht einen Druck, sie auch als Internetversorger zu nehmen. Der Vertrag zwischen dem Land und Innogy sollte man genauer betrachten.

  • Aber vermummen muss ich mich nicht auch noch bei der Abgabe meines Billig-“Statements“, oder?

    Wisst ihr was, Leute? Bevor ihr hier auf Basis einer „Erfahrung“ (oder sollte ich besser sagen: einer Import-Ideologie), die Ihr euch als 12-Jährige im Kino angeeignet habt, seltsame Vorschläge unterbreitet, solltet ihr die Leute vielleicht erst einmal dazu bringen, massenhaft nicht nur taz zu lesen, sondern auch eine Partei zu wählen, die RWE nichts schenkt. Und zwar nicht nur verbal und von der Oppositionsbank aus, sondern auch ganz real und dann, wenn sie endlich Teil der angeblichen Macht ist. Aber so eine Partei, fürchte ich, steht gar nicht auf der Wahlliste. „Endlich wieder Mut auf die Zukunft“ macht mir das leider nicht.

    Apropos: Dass „die Stimmung kippt“, sehe ich längst noch nicht. Und selbst wenn – theoretisch sind die meisten Leute auch gegen Tierquälerei. Gut möglich also, dass ihr den gelernten Untertanen heillos überschätzt, wenn ihr glaubt, ihr (Schreiberlinge) könntet „sie“ (die Ober-Arschlöcher von RWE) tatsächlich „krieg[en]“ bei „ihren Umsätzen, bei ihrer arroganten Machtposition“ mit Hilfe irgendwelcher Massen. Die werden euch was husten. Die lesen taz, amüsieren sich und machen dann doch weiter wie bisher.

  • Guter Ansatz, aber noch nicht ausreichend. Dann liefert halt ein anderer Händler der RWE Strom (Elektronen haben kein handelsmarke).



    Verbrauch vermeiden ist das was jede einzelne tun kann.



    Weniger spülen, waschen, Baden, kochen.



    Anstatt den plastikmüll zu entsorgen besser zum Heizen benutzten (so wird dieser keine meerestiere töten).



    Es gibt hier so viele Möglichkeiten, ohne grösseren Aufwand.

    • @Demokrat:

      Bester Ansatz, wenn man der Natir im allgemeinen helfen will!

      Aber hier gehts direkt um RWE, und da kann man schon einiges bewirken, wenn man kündigt.

      Wie kann man zu hause Platik zum Heizen nutzen? Was braucht man denn da für Geräte?

    • @Demokrat:

      Wenn man zu einem der unabhängigen Ökostromanbieter wechselt, entzieht man RWE und Co. auf jeden Fall Einnahmen und investiert zugleich in den Ausbau erneuerbarer Energien ohne braunen Pferdefuß. Elektronen haben keine Handelsmarke, das stimmt. Aber man kann als Verbraucher mitbeeinflussen, welche Anbieter wie große Strommengen einspeisen und bezahlt bekommen.

      • @Andreas V.:

        Google ist auch mal als gute Idee gestartet. Und dann waren die Nutzer so begeistert davon, dass Google sich zur Krake ausgewachsen hat. Einfach deswegen, weil die richtig großen Mistkerle nicht nein sagen konnten, als die Herrschaft über das Unternehmen unschuldig des Weges gekommen ist und dabei zum Greifen nahe war.

        Übrigens: Als ich 19 war, wollte eine Studienkollegin, die ich sehr mochte, mich davon überzeugen, dass ich die Welt retten werde, wenn ich beim Abwaschen meine Frühstückstasse das Waschbecken zustöpsele. Ich habs ernsthaft versucht. Hat leider nicht geklappt.

    • @Demokrat:

      "Anstatt den plastikmüll zu entsorgen besser zum Heizen benutzten (so wird dieser keine meerestiere töten)."



      ???

      • @B. Sorge:

        Brennt.

        • @Demokrat:

          Verbrennt mit giftigen Abgasen?

          • @Frau Kirschgrün:

            Ich denke da eher an der von der plastiktüte geretteten meeresschildkröte.

          • @Frau Kirschgrün:

            Nö. PE verbrennt sehr sauber. Sauberer als brennholz

          • @Frau Kirschgrün:

            Antwort als Kommentar hier oben, ja, ist giftig und als Heizungsbrennstoff unwirksam.

  • Ich wollte von RWE Innogy als Stromversorger mit Verweis auf Hambach loswerden. Ich kann nicht. Kein grüner Erzeuger liefert in meinem Pampa oder ich bin verweigert (von Grünstrom), weil ich zu wenig verbrauche (!) und dem Minimummenge Abo nicht passt ...

    • @Eulenspiegel:

      Wenden Sie sich an die Elektrizitaetswerke Schoenau (www.ews-schoenau.de). Die liefern bundesweiten zertifizierten Oeko-Strom, der nicht wesentlich teurer ist, als Kohle-Strom.

      • @Schulz Klaus:

        Danke, ich versuche mal, oder die von Andreas V. hier oben gemeldete Firmen.

      • @Schulz Klaus:

        "Die liefern bundesweiten zertifizierten Oeko-Strom, der nicht wesentlich teurer ist, als Kohle-Strom"

        Wow! Die können zaubern! Oder lassen die - bundesweit - Stromkabel in jeden Haushalt verlegen? (So richtig mit Straßenaufbohrung und Verlegung über mehrere hundert Kilometer?). Sie Können dort "Strom kaufen", heißt: Sie bezahlen die und sind dort Kunde, Ihr Strom aus der Steckdose ist aber immer noch aus der gleichen Quelle wie vorher.

        • @Mephisto:

          "Ihr Wechsel zu Ökostrom bewegt was!

          Nach Ihrem Stromwechsel zu den EWS wird für Sie kein Atom- und Kohlestrom mehr erzeugt – stattdessen fördern Sie neue, ökologische Kraftwerke in Bürgerhand. Darüber hinaus bringen Sie mit dem Förderanteil die Bürgerenergiewende voran. So stemmen wir die Energiewende gemeinsam!



          Gute Argumente für EWS-Ökostrom

          Sie sagen «Nein» zu Kohle und Atom

          EWS-Ökostrom kommt grundsätzlich nicht aus Anlagen, an denen Atom- oder Kohlekonzerne direkt oder indirekt beteiligt sind. So setzen Sie mit Ihrem Wechsel zu den EWS ein klares ökologisches und politisches Signal.

          Sie werden zum Klimaschützer

          Unser Ökostrom kommt zu 100 % aus klimaschonenden Erneuerbaren Energien. Zudem erzeugen unsere Mitstreiter in rund 2.700 EWS-geförderten Rebellenkraftwerken selbst Strom – ökologisch, dezentral und bürgereigen.

          Sie fördern umweltfreundliche Neuanlagen

          Unser Strom stammt zu über 70 % aus Neuanlagen nach den Kriterien des Öko-Instituts. So beschleunigen Sie mit Ihrem Strombezug den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und mit unserem Förderprogramm «Sonnencent» können auch Sie zum Ökostromerzeuger werden.



          Energiewende fördern

          Neben der bürgereigenen Energieerzeugung unterstützen wir mit dem Förderprogramm auch Initiativen und Kampagnen für die Energiewende oder für Energieeffizienz – und vieles mehr."



          www.ews-schoenau.de/oekostrom/

        • @Mephisto:

          Mein Kommentar hier Oben war als Antwort für Mephisto auf diesem Punkt gemeint

        • @Mephisto:

          "Oder lassen die - bundesweit - Stromkabel in jeden Haushalt verlegen?"



          Ja genau, so machen die das.

    • @Eulenspiegel:

      Ausrede

  • Das Neue Hambacher Fest

    Zu den den Vorgängen im Hambacher Forst darf an das Hambacher Fest 1832 erinnert werden, eine Protestaktion v. a. deutscher Studenten linksrheinisch- franko-revolutionärer Prägungen vor dem Hintergrund des restaurativen Geistes im nachnapoleonischen Deutschen Bund. Zu den sozio-ökonomischen Begleitumständen gehörte der zunehmende Pauperismus infolge einer anarchischen Frühindustralisierung, Mißernten, kalten Winter usw.Jeder fünfte Einwohner der Region wurde wegen „Forstfrevel“, d. h. wildes Sammeln von Bruchholz und mithin Verletzung des Privateigentums am Wald, u. a. dem Hambacher Forst, vor den Kadi gezerrt. Richtete sich das damalige Hambacher Fest gegen die Absicht des Deutschen Bundes, den vorrevolutionären politischen Staus quo ante zu restaurieren, richtet sich das heutige gegen die Absicht des heutigen Deutschlands, den energiepolitischen Status quo ante mit seiner Dominanz fossiler Energieträger zu restaurieren. Nach dem Hambacher Fest 1832 wurden überall „Freiheitsbäume“ aufgestellt. Konsequenterweise werden im Hambacher Forst nunmehr Bäume gefällt, gleichsam ein moderner, diesmal staatlich organisierter „Forstfrevel“.