Kommentar Prüffall AfD: Sieg für den Rechtsstaat
Der Verfassungsschutz darf die AfD nicht als „Prüffall“ bezeichnen. An der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Höcke und Co. ändert das nichts.
D ie AfD hat sich am Dienstag sehr gefreut: Sie hat vor Gericht einen Sieg über das Bundesamt für Verfassungsschutz errungen. Noch größer aber ist der Sieg für den Rechtsstaat. Denn das Verwaltungsgericht Köln hat den Verfassungsschutz in seine Schranken gewiesen. Es zwingt ihn, sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgesetzes zu halten. Und da findet sich nun einmal kein „Prüffall“. Deshalb darf die Behörde damit in der Öffentlichkeit auch nicht arbeiten. Tut sie es doch, stigmatisiert sie ohne rechtliche Grundlage eine Partei – macht also Politik. Das aber ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes und darf es auch nicht werden.
Dass allerdings die AfD nun den Rücktritt von Verfassungsschutzchef Haldenwang fordert, macht in ihrer eigenen Logik vielleicht Sinn, ist aber völlig überzogen. Zum einen kann Haldenwang als politischer Beamter gar nicht zurücktreten, sondern sein Dienstherr, der Innenminister, müsste aktiv werden.
Viel wichtiger aber: Haldenwang war in einer Zwickmühle. Durch Forderungen aus der Politik und das ganze Hickhack um seinen Vorgänger Maaßen, darunter dessen Gespräche mit AfD-SpitzenpolitikerInnen und die Auseinandersetzung im Verfassungsschutz, ob die Partei überhaupt ein Fall für die Behörde ist – durch all das war öffentlich längst bekannt, dass der Inlandsgeheimdienst prüft, wie mit der AfD umzugehen sei. Das Ergebnis nicht mitzuteilen, hätte die AfD wohl auch stigmatisiert. Denn die Einstufung als Prüffall bedeutet eben auch, bekannt zu geben, dass es bei der Gesamtpartei zwar „erste tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine verfassungsfeindliche Politik gibt, mehr aber bislang eben auch nicht.
All das aber ändert ohnehin nichts an der inhaltlichen Einschätzung des Verfassungsschutzes über die AfD. Und dass dieser bei der Strömung „Der Flügel“ um Björn Höcke und den AfD-Nachwuchs „Junge Alternative“ „gewichtige Anhaltspunkte“ für extremistische Bestrebungen sieht und diese deshalb als „Verdachtsfall“ führt, darf das Amt auch weiter öffentlich kommunizieren. Der Verdachtsfall steht nämlich im Bundesverfassungsschutzgesetz. Und wenn sich die AfD-Spitze weiter so hinter diese beide Gruppen stellt, dann spricht einiges dafür, dass auch aus der Gesamtpartei künftig ein solcher Verdachtsfall wird.
Denn die Behörde darf ja weiter prüfen, wie es die Gesamtpartei mit dem Grundgesetz hält. Sie darf das nur nicht mehr öffentlich mitteilen. Allerdings wissen das nun alle sowieso.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland