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Kommentar Neue Parteichefs der AfDDie Macht der Völkischen

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Auf dem AfD-Parteitag hat die völkisch-nationalistische Strömung gewonnen. Mit Meuthen und Gauland hat das Höcke-Lager ihre Leute durchgesetzt.

Doppelspitze: Jörg Meuthen (r.) und Alexander Gauland (l.) Foto: dpa

E inen Showdown werde es nicht geben, hatte Parteichef Jörg Meuthen am Samstagfrüh zur Eröffnung des AfD-Bundesparteitags versprochen. Doch Meuthen hat sich getäuscht. Der in der Nacht zuvor mühsam ausgekungelte Kompromiss zur neuen AfD-Spitze fiel bei den Delegierten durch. Stattdessen gab es einen Showdown, der es in sich hat. Der deutlich macht, wie weit rechts die AfD inzwischen steht. Wie gespalten die Partei ist. Und dass der völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke noch weit einflussreicher ist als bislang gedacht. Gegen ihn war ein neuer Parteichef nicht durchsetzbar.

Fast 50 Prozent der Parteitagsdelegierten stimmten für eine weithin unbekannte Überraschungskandidatin von Rechtsaußen, die Höckes Flügel vor allem mit einem Ziel ins Rennen schickte: Sie sollte verhindern, dass der in der AfD als liberal-konservativ geltende Berliner Landeschef Georg Pazderski zu Meuthens Co-Vorsitzendem gewählt wird – oder ihm zumindest einen möglichst schwachen Sieg bescheren.

Pazderski hat mit Ex-Parteichefin Frauke Petry zusammengearbeitet und war bei der Nato, er will die AfD in die Regierung führen und sich dafür auch vom rechten Rand abgrenzen. Und, was der Flügel gar nicht mag: Pazderski hat das Parteiausschlussverfahren gegen Rechtsaußen Höcke unterstützt. Kurz: Für Höckes Flügel gehört Pazderski schon fast zu den „Altparteien“ – und auf keinen Fall an die Spitze der AfD.

Die weithin unbekannte Doris von Sayn-Wittgenstein, Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein und Rechstaußen in der Partei, trat an und traf mit ihrer Rede „die Seele der Partei“, wie Gauland es nennt. Sie verkündete, erst 2016 in die AfD eingetreten zu sein, als diese eine „mehr patriotische Richtung“ genommen habe. Sie sagte Sätze wie: „Das ist nicht unsere Gesellschaft“, „Ich wünsche mir, dass die anderen bei uns um Koalitionsgespräche betteln“ und „Nur der Nationalstaat hält die Demokratie am Leben.“ Dazu etwas Hass auf „Antifanten“ und Verständnis für Russland. Das reichte. Sayn-Wittgenstein bekam 49 Prozent der Stimmen, nur wenige mehr, und sie wäre tatsächlich Parteichefin neben Meuthen geworden.

Irgendwann steht Höcke zur Kandidatur bereit

Damit hat der Flügel einen Kompromiss gesprengt, der Pazderski unter gewissen Zugeständnissen zu Meuthens Co-Chef gemacht hätte. Und gezeigt: Ohne uns läuft es in der AfD nicht. Am Ende bekamen die völkischen Nationalisten genau das, was sie ohnehin wollten: Fraktionschef Alexander Gauland trat als Meuthens Co-Chef an, Pazderski und Sayn-Wittgenstein zogen zurück, Gauland wurde gewählt.

Nun hat der Flügel genau jene Parteichefs, die er sich gewünscht hat. Zwei, die zu ihm stehen und sich schützend vor Höcke stellen. Und er muss noch nicht einmal selbst Verantwortung übernehmen. Denn Meuthen und Gauland betonen gern, dass sie nicht Mitglied der rechten Strömung sind. Und wenn die beiden Fehler machen wie vor ihnen Petry und Lucke: Irgendwann steht Höcke zur Kandidatur bereit.

Mehr zum Thema: Wahlkrimi beim Parteitag – Gauland und Meuthen neue AfD-Chefs und Aktionen in Hannover – Blockaden verzögern AfD-Parteitag

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "Auf dem AfD-Parteitag hat die völkisch-nationalistische Strömung gewonnen."

     

    Als ob es in der AfD andere Strömungen gäbe... die sogenannten Strömungen sind dort alle völkisch, nationalistisch und faschistisch. Unterscheiden tun Sie sich nur darin wie explizit das nach Außen kommuniziert wird oder doch nur in wohlklingende Euphemismen verpackt wird...

  • "Mit Meuthen und Gauland hat das Höcke-Lager ihre Leute durchgesetzt."

     

    Wissen die beiden denn, dass sie zum Höcke-Lager gehören? Ganz davon abgesehen: Was hat Höcke so schlimmes gesagt, was in jedem anderen Land dieser Erde nicht auch von Sozialisten gesagt wird?

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Jens Frisch:

      Ich glaube nicht, dass "Sozialisten" in anderen Ländern stolz auf die Verbrechen der Wehrmacht sein wollen...

  • Mal sehen, wie lange es dauert, bis die beiden Ganoven in Nürnberg vor ein internationales Gericht kommen...

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich finde es ganz gut, daß Frau Sayn-Wittgenstein nicht gewonnen hat, denn sie sieht so humorlos aus. (Ebenso wie Frau von Storch).

    Dagegen finde ich, daß Bernd Höcke und sein Freund Poggenburg ausgesprochen witzig aussehen. Selbst Professor Dr. Meuthen sieht sehr humorvoll aus (siehe Bild der taz oben).

    Der Humor ist heutzutage etwas sehr Wichtiges.

  • „Auf dem AfD-Parteitag hat die völkisch-nationalistische Strömung gewonnen.“

     

    Was habt ihr denn gedacht? Dass die Neunazis jetzt stramm nach links marschieren? Habt ihr ne Tanne auf der Nadel?

  • man kann sich eigentlich nur wünschen, daß höcke parteichef wird. dann gibt es dieses wischiwaschi, wir sind doch lieb nicht mehr.

  • Die AFD wird sich weiter zerspalten und das ist gut so.

  • Zunächst muss man festhalten, dass die AfD per se eine rechte konservative demokratische Partei ist. So ist es nicht verwunderlich, dass die Parteispitze rechts ist.

     

    Was an den drei hier zitierten Aussagen der Frau von Sayn-Wittgenstein völkisch sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich meine, das der Begriff "völkisch" hier sehr weit gefasst wird und nur der Meinungsmache dient.

     

    Die Berichterstattung im TV zeigte einen Parteitag, der recht geordnet ablief, sieht man von den Bildern ab, die vor dem Parteitagsgebäude zu sehen waren: diese hat nicht die AfD zu verantworten, sondern teilweise gewalttätige Demonstranten, die das Demonstrationsrecht zu hooliganartigen Übergriffen mißbrauchten.

     

    Auf alle Fälle ein Parteitag, der sich von den 100% Parteitag der SPD und den minutenlangen Ovationen- Parteitag für die Kanzlerin abhob.